Teddybär mit Verbänden und Pflastern; um ihn gewickelt, ein rotes Stethoskop; neben ihm ein Otoskop© catalinr / iStock / Getty Images Plus
Der erste Teil des Repetitoriums zum Thema Kinderkrankheiten liefert Informationen zu Impfungen, die für Säuglinge, Kinder und Jugendliche im Impfkalender vorgesehen sind.

Repetitorium

KINDERKRANKHEITEN – TEIL 1

Klassische Kinderkrankheit oder eine typische Erkrankung im Kindesalter? Beide Infektionskategorien werden in den drei Teilen des neuen Repetitoriums thematisiert – mit und ohne Impfmöglichkeit.

Seite 1/1 9 Minuten

Seite 1/1 9 Minuten

Teil 1 des Repetitoriums gibt einleitend Informationen zu Impfungen, die für Säuglinge, Kinder und Jugendliche im Impfkalender vorgesehen sind. Danach stellt es klassische Kinderkrankheiten und typische Infektionen im Kindesalter vor, die sich vorwiegend in den Atemwegen abspielen. Der zweite Teil widmet sich Infektionen mit roten Ausschlägen und im dritten Teil folgen die restlichen, sich ganz unterschiedlich darstellenden Erkrankungen aus dem Impfkalender.

Kein Kinderspiel

Als klassische Kinderkrankheiten werden Infektionskrankheiten viraler oder bakterieller Natur bezeichnet, deren Erreger hochansteckend sind, sodass es sehr wahrscheinlich ist, sich in den ersten fünf Lebensjahren mit ihnen anzustecken. Traditionell werden dazu in erster Linie Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Varizellen), Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz Polio), Scharlach, Keuchhusten (Pertussis), Diphtherie sowie Dreitagefieber und Ringelröteln verstanden.

Gegen die meisten dieser Infektionen existieren heute wirksame Impfungen, die als Standardimpfung für Säuglinge, Kinder und Jugendliche im Impfkalender gelistet sind. Allerdings gibt es auch klassische Kinderkrankheiten, gegen die es keine Impfmöglichkeit gibt (z. B. Ringelröteln, Dreitagefieber, Scharlach).

Auch wenn der Begriff Kinderkrankheiten suggeriert, dass sie ungefährlich seien, ist das Gegenteil meist der Fall. Viele der Infektionen sind mit gefährlichen Komplikationen behaftet, die mit dauerhaften Folgen einhergehen oder gar lebensbedrohlich sind. Es erkranken zudem nicht nur die Kleinen, auch Ältere können betroffen sein. Generell verlaufen die Infektionen bei Jugendlichen und Erwachsenen zumeist schwerer. Ebenso haben abwehrgeschwächte Säuglinge und Kinder ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und tödliche Verläufe. Erkranken Schwangere, besteht bei einigen Infektionen zudem das Risiko, dass sie sich auf das Ungeborene übertragen und bleibende Schäden hervorrufen.

Darüber hinaus erkranken kleine Kinder typischerweise an vielen weiteren Infektionen, die zwar im engeren Sinne nicht als klassische Kinderkrankheiten gelten, dennoch mit schweren Krankheitsverläufen assoziiert sein können. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts empfiehlt auch gegen viele dieser Erkrankungen zu impfen – vorausgesetzt, die Infektionen stellen eine erhebliche Gesundheitsgefährdung dar und ein Impfschutz ist möglich. Im Impfkalender sind Impfungen gegen Rotaviren, Tetanus, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Hepatitis B, Pneumokokken, Meningokokken C und Humane Papillomviren (HPV) aufgeführt. Typische kindliche Infektionen wie beispielsweise Pseudokrupp oder Pfeiffersches Drüsenfieber fehlen in der Auflistung. Impfstoffe dagegen gibt es nicht.

Dank der Impferfolge der letzten Jahrzehnte sind die meisten klassischen Kinderkrankheiten und viele typische Infektionen im Kindesalter aus dem Blickfeld verschwunden und haben damit auch ihren Schrecken verloren. Die STIKO spricht für alle Altersstufen regelmäßig Impfempfehlungen aus. Die aktualisierte Version wird jedes Jahr mit Erläuterungen im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und ist auf den Internetseiten des RKI unter www.rki.de abrufbar (letzter Stand: Januar 2023).

Möglichst früh immunisieren

Die STIKO empfiehlt in Abhängigkeit von der jeweiligen Gefährdungssituation der zu schützenden Person Impfungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Während einige gleich in den ersten Lebenswochen erfolgen sollten (z. B. Rotaviren), werden andere erste im Kindes- und Jugendalter angeraten (z. B. Humane Papillomviren (HPV)). Der Großteil der Impfungen ist aber wegen der besonderen Gefährdung in der frühen Kindheit bereits im Säuglingsalter vorgesehen, wobei die Immunisierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen ist.

An erster Stelle steht im Impfkalender die Impfung gegen Rotaviren. Die Schluckimpfung mit dem Lebendimpfstoff startet bereits im Alter von sechs Wochen, um die Kleinsten vor lebensbedrohlichen Dehydrationszuständen zu bewahren. Die Impfserie umfasst je nach Impfstoff zwei oder drei Impfungen im Abstand von vier Wochen.

Danach folgen die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis (Polio), Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Pertussis und Hepatitis B. Die Grundimmunisierung wird nach einem 2+1-Impfschema durchgeführt und soll möglichst ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat begonnen und spätestens mit elf Monaten abgeschlossen werden – vorzugsweise mit dem Sechsfachimpfstoff. Parallel dazu werden die Kinder gemäß der Impfempfehlung gegen Pneumokokken geimpft.

Die Impfserie gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR) und Varizellen (V) beginnt in der Regel ab einem Alter von elf Monaten und soll mit einer zweiten Impfung mit 15 Monaten – spätestens bis zum zweiten Geburtstag – ihren Abschluss finden. Kinder, die vorher in eine Gemeinschaftseinrichtung aufgenommen werden sollen, können die erste Impfung bereits im Alter von neun Monaten und die zweite zu Beginn des zweiten Lebensjahres erhalten.

Außerdem ist für alle Kinder im Alter von zwölf Monaten eine Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C vorgesehen. Erst einige Jahre später folgt eine Impfserie gegen Humane Papillomviren (HPV) für Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 14 Jahren.

Auffrischen

Bei einigen der Infektionen muss der Impfschutz aufgefrischt werden, da die Immunität nur unvollständig oder von kurzer Dauer ist (z. B. Tetanus, Diphtherie, Pertussis). Bei anderen hält er ein Leben lang an (z. B. Hepatitis B, Hib, MMRV). Es wird auch keine Auffrischung erforderlich, wenn die Erkrankung bei Älteren in der Regel glimpflich ohne Komplikationen verläuft (z. B. Rotaviren).

Im Alter von fünf und sechs Jahren benötigen Kinder die erste Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis. Eine weitere gegen alle drei Infektionen erfolgt im Alter von neun bis 16 Jahren. Danach sind von der STIKO nur noch regelmäßig alle zehn Jahre Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie vorgesehen. Gegen Pertussis wird nicht mehr routinemäßig im zehnjährigen Abstand aufgefrischt. Erwachsene sollen nur einmalig ihren Immunschutz bei der nächsten fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphtherie aktualisieren. Alle weiteren Pertussis-Impfungen erfolgen nur bei entsprechender Indikation.

Ebenfalls erfolgen keine regelmäßigen Auffrischimpfungen gegen Polio. Personen gelten als vollständig geimpft, wenn sie nach der Grundimmunisierung noch eine einmalige Auffrischung – insgesamt also vier Impfungen – erhalten haben. Dabei soll die Auffrischimpfung gegen Polio zum gleichen Zeitpunkt wie die zweite Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis stattfinden. Nur bei erhöhtem Infektionsrisiko wie beispielsweise Reisen in Polioendemiegebiete wird eine weitere Auffrischung von der STIKO angeraten, vorausgesetzt die letzte Impfdosis wurde vor mehr als zehn Jahren verabreicht.

Ebenso wenig wird der Impfschutz gegen Pneumokokken im Kindes- und Jugendalter aktualisiert. Dafür wird er bei Senioren und anderen Risikopersonen umso wichtiger, da eine Pneumokokken-Infektion bei ihnen häufig lebensbedrohliche Komplikationen (z. B. Lungenentzündung (Pneumonie), Blutvergiftung (Sepsis)) verursachen.

Diphtherie

Das Corynebacterium diphtheriae beziehungsweise sein Toxin hat als Verursacher der Diphtherie vor Einführung der Impfung viele Todesopfer gefordert. Die Übertragung erfolgt gewöhnlich als Tröpfcheninfektion, ebenso ist sie indirekt über kontaminierte Gegenstände möglich.

Die Erkrankung kann sich entweder im Atemtrakt oder auf der Haut manifestieren. Bei der klassischen respiratorischen Diphtherie bilden sich dicke, graue, eitrige Beläge auf den Mandeln, die einen faulen Mundgeruch sowie Halsschmerzen und Schluckbeschwerden auslösen, die von Fieber begleitet werden.

Greift die Infektion auf den Kehlkopf über, klagen Betroffene vor allem über starke Heiserkeit und bellenden Husten, weshalb die Diphtherie als Echter Krupp bezeichnet wird (englisch croup = krächzen, heiser sprechend). Bei Befall des Kehlkopfes kommt es zu Erstickungsanfällen, die der Erkrankung den volkstümlichen Namen „Würgeengel der Kinder“ eingebracht hat. Um die Atmung aufrechtzuerhalten, kann es notwendig sein, das Kind zu intubieren.

Bei zwei Drittel der Betroffenen entwickelt sich als häufigste und gefährlichste Komplikation eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis), sehr viel seltener sind Hirnnervenlähmungen möglich (toxische Diphtherie). Die Therapie der respiratorischen Diphtherie umfasst die sofortige Gabe eines Antitoxins und parallel eine unterstützende Antibiotikagabe (z. B. Penicillin, Erythromycin).

Haemophilus influenzae Typ b

Lebensbedrohliche Erstickungsanfälle durch eine von dem Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) ausgelöste Kehlkopfdeckelentzündung (Epiglottitis) waren bis Ende der 1980er-Jahre keine Seltenheit. Seit Einführung der Hib-Impfung im Jahr 1990 sind Hib-Erkrankungen drastisch zurückgegangen. Sie zählen zu den schwersten bakteriellen Infektionen in den ersten fünf Lebensjahren, die trotz antibiotischer Behandlung mit schweren Komplikationen einhergehen können (z. B. akute Erstickungsgefahr durch Epiglottitis, lebensgefährliche Meningitis mit bleibenden Hörschäden, geistigen Behinderungen).

Das Bakterium wird über eine Tröpfchen- oder Kontaktinfektion übertragen und befällt zuerst die Schleimhäute der oberen Atemwege. Fieberhafte Infektionen des Nasen-Rachenraumes wie eine Mittelohrentzündung (Otitis media) oder Nasennebenhöhlen-Entzündung (Rhinosinusitis) sind die Folge, die sich zu einer Entzündung der Bronchien (Bronchitis) oder der Lunge (Pneumonie) ausdehnen können. Therapie der Wahl besteht in der Gabe von Antibiotika (z. B. Amoxicillin, Amoxicillin mit Clavulansäure, Cephalosporine).

Pertussis

Auch Keuchhusten ist eine bakterielle Erkrankung der Atemwege, die auch heute noch für Säuglinge trotz antibiotischer Therapie sehr gefährlich sein kann. Der Erreger, das Bakterium Bordetella pertussis, wird per Tröpfcheninfektion übertragen. Nicht nur Säuglinge und Kinder erkranken. Pertussis wird auch bei Erwachsenen häufig diagnostiziert, da selbst nach einer durchgemachten Pertussis-Erkrankung keine lebenslange Immunität besteht.

Das Bakterium beziehungsweise seine Zellgifte (Toxine) lösen einen sechs bis zwölf Wochen andauernden Husten aus. Wegen des langen Verlaufs sprach man früher auch vom „Hundert-Tage-Husten“. Anfangs zeigen sich untypische Symptome einer banalen Erkältung, die häufig nicht als Keuchhusten erkannt werden. Allerdings ist die Erkrankung in diesem Stadium am ansteckendsten.

Zwei Wochen später folgen vor allem nachts die typischen stakkatoartigen Hustenanfälle, die durch das Pertussis-Toxin aufrechterhalten werden. Sie zeichnen sich durch Atemnot und hörbares Einziehen der Luft sowie Erbrechen aus und sind besonders für die ganz Kleinen lebensgefährlich, da in den ersten Lebensmonaten die Gefahr von Hirnschädigungen durch Sauerstoffmangel besteht. Aber auch bei größeren Kindern sind schwerwiegende Komplikationen (z. B. Pneumonie, Otitis media, Gehirnentzündung (Encephalitis)) gefürchtet.

Nach fünf bis sechs Wochen nehmen die Hustenattacken wieder langsam ab. Mit einer Antibiotikagabe (Makrolide) kann der Krankheitsverlauf im Anfangsstadium verkürzt und gemildert werden. Bei einem späteren Einsatz haben sich die Toxine schon in den Zellen festgesetzt und unterhalten das Krankheitsgeschehen. Dennoch sind Antibiotika auch dann noch sinnvoll, da sie Ansteckungsfähigkeit und Komplikationen verringern. Eine Impfung gegen Pertussis wird ebenfalls seit Anfang der 1990er-Jahre im Impfkalender empfohlen (seit 1991 mit einem Ganzkeimimpfstoff, seit 1995 azellulär).

Pneumokokken

Schwere Otitiden, lebensbedrohliche Pneumonien und Meningitiden sowie invasive Infektionen (z. B. Sepsis) verursacht auch das Bakterium Streptococcus pneumoniae – vor allem bei Kindern bis zum Alter von 24 Monaten. Meningitiden machen sich typischerweise mit Nackensteifigkeit und Kopfschmerzen bemerkbar und können mit lebensbedrohlichen beziehungsweise bleibenden Hirn-, Hör- und Sehschäden einhergehen. Pneumokokken-Infektionenwerden antibiotisch behandelt (z. B. Penicillin). Seit 2006 zählt die Impfung gegen Pneumokokken zu den Standardimpfungen für alle Kinder bis 24 Monate.

Keine Impfung vorhanden

Pseudokrupp:Vom Echten Krupp ist eine virale Schleimhautentzündung unterhalb des Kehldeckels zu unterscheiden, die aufgrund ähnlicher Symptomatik als Pseudokrupp bezeichnet wird. Auch hier kommt es zu schwerer Atemnot, die von einem plötzlich auftretenden bellenden, rauen Husten, Heiserkeit sowie einer pfeifenden Einatmung (inspiratorischer Stridor) begleitet ist. Da die Auslöser Viren sind, helfen Antibiotika nicht. Hingegen werden im akuten Zustand hoch dosierte Cortisonzäpfchen (Prednison) notwendig, um die entzündliche Schwellung und somit die Atemnot zu beseitigen.

Pfeiffersches Drüsenfieber: Entzündungen des Rachenraums (Pharyngitis), die durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) über den Speichel übertragen werden, treten vor allem bei älteren Kindern und Jugendlichen auf. Bekannte Synonyme sind infektiöse Mononukleose oder Kusskrankheit. Während die Infektion bei Kleinkindern häufig asymptomatisch verläuft oder sich lediglich als leichte Erkältung darstellt, nimmt sie bei Jugendlichen und Erwachsenen häufig einen schwereren Verlauf. Starke Schwellungen der Lymphknoten im Halsbereich mit schwerem Krankheitsgefühl sind typisch.

Zudem stellen sich vermehrt Komplikationen (z. B. bakterielle Superinfektionen, Erschöpfungszustände, Leber- oder Milzschwellung) ein. Die Infektion kann sich über Wochen hinziehen, da nur eine symptomatische Behandlung mit desinfizierenden Lutschtabletten, Analgetika oder Halswickel möglich ist. Nach einer Infektion verbleibt das Virus lebenslang latent im Körper und kann reaktiviert werden.

×