© Die PTA in der Apotheke
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Kino – schon gesehen?

RAIN MAN

Das US-amerikanische Filmdrama von Barry Levinson stammt aus dem Jahre 1988. Darin wird die tiefgreifende Entwicklungsstörung Autismus thematisiert. Männer sind davon häufiger betroffen als Frauen.

Seite 1/1 5 Minuten

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Charlie Babbitt , ein kalifornischer, karriereorientierter und egoistischer Autohändler, ist mit seiner Freundin Susanna auf einem gemeinsamen Wochenendausflug, als er vom Tod seines Vaters Sanford Babbitt erfährt. Schon seit Jahren besteht zwischen den beiden kein Kontakt mehr. Dementsprechend emotionslos nimmt Charlie die Nachricht auf, macht sich trotzdem unverzüglich auf den Weg zum Begräbnis nach Ohio.

Auf der Fahrt dorthin schildert er Susanna, wie es zu dem Bruch zwischen seinem Vater und ihm kam: als 16-Jähriger hatte er sich trotz eines Verbots eine Spritztour mit Sanfords Auto erlaubt. Als dieser den Wagen daraufhin als gestohlen meldete, wurde Charlie von der Polizei gefasst und musste zwei Tage in Haft verbringen. Während der Erzählung zeigt der sonst so verschlossene Charlie einen Anflug von Gefühlen und berichtet seiner Freundin sogar vom „Rain Man“, einem imaginären Gefährten aus der Kindheit, der für ihn sang, wenn er Hilfe brauchte.

Bei der Eröffnung des Testaments vernimmt Charlie, dass er die preisgekrönten Rosen seines Vaters sowie den 49er Buick als Nachlass erhält. Das Vermögen von drei Millionen Dollar soll an eine Klinik für geistig behinderte Menschen gehen. Charlie fühlt sich um sein Erbe betrogen und sucht diese Anstalt auf. Der Leiter (Gerald R. Molen als Dr. Bruner) gibt ihm auf seine Nachfrage keine weiteren Informationen zu dem Sachverhalt.

Überblick
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Schmetterling und Taucherglocke (Locked-in Syndrom)
+ Ob ihr wollt oder nicht (Krebs)
+ Das Meer in mir (Tetraplegie)
+ Wie ein einziger Tag (Alzheimer)
+ Die Kameliendame (Lungen-TB)
+ Helen (Depression)
+ A Beautiful Mind (Schizophrenie)

Als sich ein Patient des Heims genauestens für Charlies Buick interessiert und anscheinend auch noch seinen Vater kennt, konfrontiert er Dr. Bruner erneut. Schließlich teilt dieser ihm mit, dass es sich um Raymond, Charlies älteren Bruder, handelt. Charlie hatte von ihm bisher nichts gewusst. Nun wittert er seine Chance auf die Hälfte des Geldes und nimmt Raymond prompt und ohne Absprache mit auf seine Rückreise.

Susanna gefällt es gar nicht, dass ihr Partner seinen Bruder als Mittel zum Zweck missbrauchen möchte, um auf diese Weise an das Vermögen zu kommen. Auch sie selbst fühlt sich schon länger von ihm benutzt und beendet die Beziehung.

Ungleiche Geschwister Als die diese in einen Flieger steigen sollen, weigert sich Raymond plötzlich und zählt erstaunlicherweise alle Flugzeugunglücke der vergangenen Jahre auf.
Er lebt in einer Klinik, weil er an Autismus leidet. Der Aufbau von sozialen Beziehungen ist für ihn kaum möglich. Zudem kommt er im Alltag nicht alleine zurecht. Abweichungen von seinem üblichen Tagesrhythmus wären für ihn unerträglich. Doch trotz aller Schwierigkeiten funktioniert sein Gehirn normal. Für Charlie ist der Kontakt zu Raymond eine Herausforderung, weil er – ohnehin schon genervt und noch wütend wegen des schon bezahlten Fluges – viel Rücksicht auf seinen Bruder nehmen muss.

Turbulenter Trip Auf Raymonds Wunsch geht die Reise nun im Auto – und anstatt über Highways – durch kleine Straßen weiter. Charlie gerät allmählich an den Rand des Wahnsinns und behandelt seinen Bruder recht schroff. Doch die beiden kommen sich auf der Fahrt auch näher: Charlie bemerkt, dass Raymond erstaunliche Fähigkeiten aufweist. Er scheint über ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Gedächtnis zu verfügen und kann zum Beispiel Telefonbücher auswendig lernen. Als ihnen in Las Vegas das Geld ausgeht, nutzen sie Raymonds Gabe, um beim Glücksspiel zu siegen.

Eines Abends kommt es bei Raymond zu einer Panikattacke. Währenddessen schildert er, dass er als junger Erwachsener in ein Heim eingewiesen wurde, weil man befürchtete, er könnte seinem jüngeren Bruder Charlie etwas antun. Während seiner Erzählung nennt er sich „Rain Man“. Charlie wird klar, dass es Raymond war, der damals für ihn sang. Die Erinnerungen führen langsam dazu, dass die Brüder eine Verbindung zueinander aufbauen.

Nach dieser ereignisreichen Fahrt erreichen sie endlich ihr Ziel. Um die Frage zu klären, ob Raymond bei seinem Bruder bleiben darf, sprechen die beiden beim Vormundschaftsgericht vor. Charlie, der sich in der Zwischenzeit zu einem pflichtbewussten und nachdenklichen Menschen gewandelt hat, lässt Raymond schließlich mit Dr. Bruner in sein Heim zurückfahren und nimmt sich vor, seinen Bruder dort regelmäßig zu besuchen. Die beiden verabschieden sich herzlich voneinander.

Diagnose Autismus Es handelt sich hierbei um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Im Wesentlichen lässt sich der frühkindliche Autismus vom Asperger-Syndrom unterscheiden. Charakteristisch für die erste Form sind eingeschränkte Aktivitäten und Interessen sowie eine qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Kommunikation. Die Störung macht sich bereits in der frühen Kindheit bemerkbar. Das Sprachvermögen der Patienten ist reduziert: die Kinder reden meist sehr wenig bis gar nicht. Manchmal fallen sie durch ungewöhnliche Handlungen und Interessen auf (z. B. durch sich kontinuierlich wiederholende motorische Bewegungen oder seltsame Sammelleidenschaften).

Autisten lassen sich leicht durch Veränderungen in ihrer Umwelt verunsichern. Sie halten strikt an Ritualen fest und leben in ihrer eigenen Welt. Die Störung ist nicht heilbar und bleibt auch im Erwachsenenalter bestehen. Beim Asperger-Syndrom bestehen weniger Beeinträchtigungen. Die kognitiven Fähigkeiten Betroffener sind durchschnittlich und auch die Sprache ist in der Regel kaum eingeschränkt. Ein auffälliges Benehmen zeigen Geplagte vor allem in sozialen Situationen. Auch motorisch sind sie recht ungeschickt. Wie beim frühkindlichen Autismus sind Interessen und Aktivitäten vermindert. Oft sind stereotype Verhaltensweisen beobachtbar.

Grundlegende Defizite Eine Theorie geht davon aus, dass bei autistischen Menschen die Informationsverarbeitung von der Norm abweicht. Reize werden anstatt in Mustern und kohärenten Gesamtheiten in einzelnen Elementen verwertet. Andere Experten halten es für wahrscheinlich, dass die so genannte zentrale Exekutive (der bewusste, reflektierende Teil des Arbeitsgedächtnisses) fehlerhaft arbeitet. Daraus resultieren Mängel beim flexiblen, zielgerichteten Denken. Patienten sind zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte einer Situation zu richten. Diese beschriebenen Unzulänglichkeiten würden das Erfassen der sozialen Welt reduzieren, da Kommunikationen und soziale Interaktionen einer raschen Informationsintegration bedürfen.

Hilfe für Patienten Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Autismus zu behandeln. Neben der Verhaltenstherapie kommen Verfahren wie Elterntraining, Soziales Kompetenztraining, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie zum Einsatz. Arzneimittel gegen die Ursache der Störung existieren nicht. Lediglich Begleitsymptome wie Depressionen, Ängste, Zwänge oder Aggressivität können mit den gängigen Medikamenten (etwa atypische Neuroleptika, Stimulanzien oder Antidepressiva) verbessert werden. Bei der Verordnung muss der Mediziner stets mit besonderer Vorsicht vorgehen, da sich die Symptome bei einer falschen Anwendung unter Umständen noch verschlechtern können.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/13 ab Seite 120.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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