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PKA-Fortbildung 01/02 2013

PREIS & LEISTUNG

Wie verlaufen Preisbildung und Leistungsabrechnung im Arzneimittel- und Apothekensektor? Welche Regelungen existieren? Und warum fühlen sich viele Offizin-Apotheker mittlerweile ausgepresst wie eine Zitrone?

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Zum 1. August 2012 trat die neue Verordnung über die Berufsausbildung zum/zur Pharmazeutischkaufmännischen Angestellten in Kraft und löste die alte Ausbildungsverordnung vom 3. März 1993 ab. Themen wie Warenwirtschaft und Beschaffung, Kommunikation, Preisbildung und Leistungsabrechnung, Beratung und Verkauf sowie apothekenspezifische qualitätssichernde Maßnahmen werden jetzt noch deutlicher herausgearbeitet und in die Ausbildung integriert. Selbst Umweltschutz, Arbeitsorganisation und Bürowirtschaft wurden aufgenommen. Diese PKA-Fortbildung greift bewusst eines dieser Schwerpunkte, die Preisbildung und Leistungsabrechnung auf – und behandelt wesentliche Gründzüge.

Preise für „Kassen”-Arzneimittel Während in einer freien Marktwirtschaft Preise nicht durch Gesetze geregelt (meist „gedeckelt”), sondern eine Frage von Angebot und Nachfrage, Käufer und Verkäufer sind, herrscht hier zu Lande im Arzneimittelsektor eine starke staatliche Regulierung. Hintergrund: Krankheit und deren Behandlung soll für die betroffenen Patienten bezahlbar bleiben. Verschiedene Apothekertaxen und schließlich eine deutschlandweit geltende Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) regulierten und regulieren noch heute die Arzneimittelpreise.

Bei einer umfangreichen Änderung der AMPreisV zum Januar 2004 wurde für alle verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel ein Kombimodell eingeführt, eine Variante aus Fixaufschlag, also einem festen Betrag (von 2004 bis 2012 unverändert 8,10 Euro, 8,35 Euro seit 2013) und einem nur geringen prozentualen Aufschlag (seit 2004 unverändert drei Prozent auf den Listeneinkaufspreis). Durch das Kombimodell wurden geringpreisige Arzneimittel teurer und teure Medikamente wesentlich günstiger.

Nichtverschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Fertigarzneimittel, sofern sie zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verschrieben und abgegeben werden dürfen, aber auch verschreibungpflichtige Fertigarzneimittel für Tiere werden noch nach der „alten” bis 2003 für alle Fertigarzneimittel geltenden AMPreisV berechnet. Diese sieht eine degressive, das bedeutet mit zunehmendem Einkaufspreis fallende prozentuale Aufschlagsstaffel vor. Dabei sind die Preise zu Lasten der GKV Festpreise, die für ohnehin privat zu bezahlende Tierarzneimittel Höchstpreise.

Rezepturarzneimittel unterliegen festen Zuschlägen auf die Einkaufspreise der Ausgangsstoffe und Packmittel, zuzüglich Arbeitspreis (geregelt in § 4 und 5 AM PreisV). Allerdings dürfen GKV und Apothekerverbände auch Preise für Ausgangsstoffe und Rezepturen vereinbaren, die von diesen Regelungen abweichen. Die Mehrwertsteuer von derzeit 19 Prozent kommt bei allen Preisberechnungen jeweils „on top“.

Preise für weitere Apothekenwaren Für Hilfsmittel, wozu etwa Verbandstoffe, Inkontinenz- und Stomaartikel sowie Teststäbchen zählen, gelten spezielle Lieferverträge zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen beziehungsweise einzelnen Kassen und den Apotheken. Im Rahmen der Präqualifizierung sollen diese Einzelverträge allerdings entfallen und kassenübergreifend durch die Präqualifizierungsstellen erteilt werden. Bücher, die in der Apotheke verkauft werden, unterliegen noch der Buchpreisbindung, das bedeutet, die vom Verlag vorgegebenen Preise sind Festpreise.

Bei allen anderen Produkten, ob apothekenpflichtiges, nichtverschreibungspflichtiges Arzneimittel (Selbstmedikation, keine GKV-Erstattung, Privatrezept) oder nicht, ist die Apotheke in der Preisbildung frei. Dieser freikalkulierbare Bereich macht im Schnitt bei einer durchschnittlichen Apotheke etwa 20 Prozent des Umsatzes aus, schwankt aber je nach Kundenstruktur und Kaufverhalten von Apotheke zu Apotheke deutlich.

Arzneimittelerstattung durch die GKV Grundlage für die Lieferung und Berechnung ärztlicher Verordnungen zu Lasten der GKV bilden die Arzneilieferverträge des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) sowie einzelner Landesapothekerverbände mit den Krankenkassen. Neben den Regeln für die Arzneimittelpreisbildung aufgrund der AM PreisV gelten noch etliche weitere Bestimmungen auf Grundlage des Sozialgesetzbuches (SGB) zur Erstattung von Leistungen. Die Einzelheiten dieser Regeln werden aufgrund immer wieder neuer Sparbemühungen im Gesundheitswesen häufig geändert. Derzeit sind Krankenkassenabschlag, Rabattverträge, Zuzahlungen, Festbeträge und Lieferverträge besonders wichtig.

Derzeit steht die Höhe des Krankenkassenabschlages, ein Zwangsrabatt der Apotheken bei zu Lasten der GKV verordneten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Kombimodell) wieder auf dem Prüfstand. Denn mit dem Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde der Kassenabschlag für 2011 und 2012 gesetzlich bei damals klammer GKV-Kassenlage auf ein „Sonderopfer” von 2,05 Euro festgelegt.

AUSNAHMEN BESTÄTIGEN DIE „REGEL”
Besonderheiten existieren ebenfalls: So unterliegen Krankenhausbelieferung, aber auch etwa manche Impfstoffe, Blutkonzentrate, einige spezielle Präparate für Nierenkranke (Dialyse), Medikamente zur Rachitisvorbeugung nicht dem Kombimodell, Zytostatika- und spezielle Sterilzubereitungen abweichenden Rezepturberechnungsvereinbarungen. Teils schreiben Krankenkassen Spezialrezepturen oder Impfstoffe auch aus – und die günstigsten Anbieter erhalten in der Regel dann den Zuschlag.

Für 2013 sollen Verhandlungen zwischen DAV und GKV-Spitzenverband den Zwangsabschlag, der bei der Rezeptabrechnung direkt abgezogen wird, anpassen, wobei die Leistungen und Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung berücksichtigt werden sollen. Dieser Punkt und seine genaue Auslegung ist derzeit Zankapfel. Die GKV hätte gerne den Abschlag weiterhin auf 2,05 Euro festgelegt, die Apothekerverbände wünschen verständlicherweise einen niedrigeren Abschlag. Ihre Verhandlungsbasis liegt im Bereich von 1,75 Euro.

Seit 2007 existieren Rabattvertragsarzneimittel – und sie dominieren mittlerweile. Die einzelnen GKV-Krankenkassen schließen hierbei mit einzelnen Herstellern Rabattverträge für bestimmte Medikamente. Die Apotheke ist angehalten für die jeweiligen Versicherten der Krankenkassen nur Arzneimittel gemäß Rabattverträgen abzugeben. Einzelheiten der Umsetzung sind in einem Rahmenvertrag zwischen den Krankenkassen und dem DAV geregelt. Nur wenn der Arzt auf dem GKV-Rezept ein „aut idem”-Kreuz gesetzt hat, darf bei einem Arzneimittel, das ansonsten unter einen Rabattvertrag fällt, kein Austausch (Substitution) erfolgen.

Da die Krankenkassen bei Nichteinhalten der Rabattverträge recht rigoros „retaxieren”, das bedeutet die Auszahlungsbeträge an die Apotheken massiv kürzen, teils bis auf Null, liegt es im Interesse der Apotheke hier ansonsten konsequent auszutauschen.

Zuzahlungen in Höhe von zehn Prozent des Arzneimittelpreises, mindestens fünf, maximal aber zehn Euro pro Medikament sind im Regelfall vom GKV-Versicherten als Eigenanteil zu leisten. Dieser Betrag wird direkt in der Apotheke eingezogen – und entsprechend bei der Rezeptabrechnung auch direkt gekürzt. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren sind zuzahlungsfrei, ebenfalls Verordnungen in Zusammenhang mit Schwangerschaftsbeschwerden. Eine Zuzahlungsbefreiung existiert mittlerweile auch für besonders preiswerte Rabattarzneimittel. Patienten mit geringem Einkommen oder chronisch Kranke können sich unter bestimmten Voraussetzungen von den Zuzahlungen befreien lassen. Spezielle weitere Zuzahlungsbefreiungen existieren.

Festbeträge für wirkstoffgleiche oder therapeutisch vergleichbare Arzneimittel, die vom Spitzenverband der GKV festgelegt werden, bilden die Obergrenze für die GKV-Erstattung. Auch für manche Hilfsmittel existieren Festbeträge. Liegt der Preis eines Arznei- oder Hilfsmittels über dem Festbetrag haben die Patienten die Differenz als Aufzahlung selbst zu tragen.

Lieferverträge, in denen Aufschläge oder von den einzelnen Krankenkassen erstattete Festbeträge detailliert festgeschrieben sind, existieren für Hilfsmittel, für Produkte ohne gesetzliche Preisbindung und für Rezepturen, bei denen besondere vertragliche Regelungen zulässig sind. Gerade bei Hilfsmitteln sind öfters Kostenvoranschläge (Genehmigungspflicht) für die jeweilige Krankenkasse erforderlich.

Neuerungen, die immer wieder auftreten, werden in Veröffentlichungen der Landesapothekerverbände mitgeteilt und recht schnell auch durch Hinterlegung in der Apothekensoftware eingepreist. Die Vielzahl der Vereinbarungen macht gerade die Hilfsmittelberechnung ansonsten außerordentlich kompliziert. Bei den von der Gesetzlichen Krankenversicherung eigentlich grundsätzlich erstattungsfähigen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln ist noch die Packungsgrößenverordnung zu beachten.

ZUSATZINFORMATIONEN

Nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel sind – bis auf eine vom „Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (GBA)“ erstellte Ausnahmeliste sowie ausnahmsweise auch bei nachgewiesenen speziellen Entwicklungstörungen – für Personen ab vollendetem 12. Lebensjahr grundsätzlich von der GKV-Erstattung ausgenommen worden. Im Rahmen des 2012er Versorgungsgesetzes bieten mittlerweile manche GKV-Krankenkassen die Erstattung bestimmter OTC-Arzneimittel als Satzungsleistung aber freiwillig an. Der Patient zahlt das auf grünem Rezept Ausgestellte in der Apotheke zunächst selbst und kann durch Einreichen des Rezeptes samt Kassenbon bei seiner Krankenkasse das Geld (bis zu einem jährlichen Höchstbetrag) erstattet bekommen.

Während Privat-Versicherte grundsätzlich für ihre in der Apotheke erhaltenen Leistungen direkt bezahlen, wird von GKV-Versicherten nur die gesetzlich festgelegte Zuzahlung eingezogen. Ansonsten herrscht bei der GKV das Sachleistungsprinzip. Da die GKV-Rezeptabrechnung aufgrund der Vielzahl formaler Vorgaben sehr komplex ist, wird sie mittlerweile nicht mehr – wie vor Jahrzehnten noch üblich – durch die einzelne Apotheke, sondern ausschließlich durch von den Apotheken finanzierte Rechenzentren durchgeführt.

Der größte Teil der Kosten einer Apotheke (primär Arzneimittelabgabe, Beratung, Wareneingang, Apothekenräume, Ausstattung) soll durch den Erlös von Produkten mit den gesetzlich geregelten Preisen, gedeckt werden. Da die gesetzlich festgelegten Preise viele Jahre allerdings konstant blieben, kein Inflationsausgleich erfolgte, die Kosten für das Führen einer Apotheke aber Jahr für Jahr stiegen, sehen sich viele Offizin-Apotheken vor Ort mittlerweile wirtschaftlich ausgebeutet.

Preise, wenn der Kunde kauft

Abgesehen von einem generell geltenden möglichst wirtschaftlichen Einkauf („Im Einkauf liegt der Gewinn“) haben für das Sortiment mit freier Preiskalkulation betriebswirtschaftliche Betrachtungen oberste Priorität. Viele Apotheken orientieren sich für den größten Teil der apothekenpflichtigen Arzneimittel an der „alten“ Aufschlagstaffel, nehmen also die in der EDV hinterlegten „offiziellen“ Preise. Für Sonderangebote, eine begrenzte Anzahl von Artikeln, werden niedrigere Endpreise angesetzt. Generell sind die Zuschläge der Apotheken auf den Einstandspreis (Einkaufspreis abzüglich Einkaufsvergünstigungen, aber zuzüglich Lieferungs-Nebenkosten) im Vergleich zu anderen Einzelhandelsgeschäften nicht besonders hoch. Die freie Preiskalkulation ist von vielen kaufmännisch sinnvollen und andererseits marketingtechnisch und „Markt“-notwendigen Parametern begleitet.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/13 ab Seite 86.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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