Gartenwerkzeug © zoomteam / 123rf.com
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Muskel- & Gelenkschmerzen

NICHT NUR EIN SPORTLERPROBLEM!

Ob jung oder alt, wer kennt nicht die typischen Rückenschmerzen nach besonderer körperlicher Anstrengung wie der Gartenarbeit? PTA und Apotheker haben deshalb eine verantwortungsvolle Beratungsfunktion in der Selbstmedikation.

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Oft können viele Menschen unspezifische Schmerzen gar nicht differenziert der Muskulatur oder den Gelenken zuordnen. Eine sorgfältige Abklärung ist nötig, um festzustellen, ob eine Selbstmedikation überhaupt sinnvoll und möglich ist. Dazu sollten PTA und Apotheker sich die Lokalisation und Intensität der Beschwerden vom Kunden erläutern lassen. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wie lange die Symptome bestehen, ob die Ursache bekannt ist und ob bereits ein Arzt konsultiert wurde. Um ein geeignetes Arzneimittel auszusuchen, ist es außerdem notwendig, nach bestehenden Vorerkrankungen und der sonstigen Dauermedikation zu fragen.

Achtung Sport! Viele Profisportler neigen aufgrund von Überbeanspruchung zu Verletzungen. Besonders risikoreich sind Ballsportarten, die mit einem intensiven Körpereinsatz verbunden sind, zum Beispiel Fuß- oder Handball. Viele Freizeitakteure muten sich in untrainiertem Zustand zu viel zu und übertreiben es dabei. Nicht selten sind Sportverletzungen dann die Konsequenz. In Deutschland sind es etwa 1,5 Millionen im Jahr. Häufig treten Muskelverletzungen, Prellungen und Verstauungen auf, seltener Knochenbrüche.

Rund um die Muskeln Eine gut trainierte Muskulatur hält nicht nur Belastungen stand, sie ist auch Voraussetzung für eine optimale Stabilisation des gesamten Bewegungsapparates. Regelmäßige Bewegung stärkt die Muskeln. Erst wenn einseitige und ungewohnte Anstrengung die Muskeln herausfordert, tritt typischerweise einige Tage später ein Muskelkater auf. Die Beanspruchung verursacht im Muskel feine Risse, Gewebeflüssigkeit tritt aus und führt zu einer Schwellung. Diese ist schmerzhaft.

Milchsäurebildung spielt übrigens entgegen der Laienvorstellung keine Rolle beim Muskelkater. Die Beschwerden bessern sich unter leichter Bewegung, ein warmes Entspannungsbad oder durchblutungsfördernde Mittel zur Einreibung werden als wohltuend empfunden. Nach ein paar Tagen ist der Muskelkater dann Vergangenheit und ein gemäßigtes Training kann fortgesetzt werden.

MUSKELVERSPANNUNGEN
+ Häufigste Ursache dafür sind Fehlhaltungen und Bewegungsmangel, falsche Bewegungen, aber auch Stress. Fehlhaltungen kommen beispielsweise durch langes Sitzen vor dem PC zustande. Dann machen sich die Verspannungen häufig im Rücken und im Schulter-Nacken-Bereich bemerkbar.
+ Empfehlen Sie Ihren Kunden, schnell zu handeln, damit kein Teufelskreis mit Schonhaltung und dadurch bedingten weiteren Schmerzen besteht. Hilfreich sind daher Analgetika, Phytopharmaka , Wärme sowie durchblutungsfördernde Wärmepflaster mit zum Beispiel Eisenverbindungen, Capsaicin oder Nonivamid, ebenso entsprechende Salben und Schmerzöle (z. B. mit Eisenhut, Kampfer und Lavendel). Unterstützend bei chronischen Problemen wirkt auch eine Kombination aus Uridinmonophosphat, Vitamin B12 und Folsäure.

Bei einem Muskelfaserriss ist die Überbeanspruchung so groß, dass eine oder mehrere Muskelfasern reißen. Häufig tritt dies im Oberschenkel oder in der Wade auf. Der Sportler bemerkt es sofort an dem stechenden starken Schmerz. Hier ist die Anwendung der PECH-Regel (P: Pause, E: Eis, C: Compression und H: Hochlagern) die beste Sofortmaßnahme. Bei einem Muskelfaserriss ist dann auch erst einmal Schonung angesagt, bis sich die Muskeln wieder regeneriert haben.

Muskelkrämpfe entstehen oftmals nach Belastung und bei Elektrolytmangel. Insbesondere Leistungssportler haben einen höheren Bedarf an Elektrolyten. Hier ist eine zusätzliche Supplementierung von Magnesiumverbindungen eine sinnvolle Unterstützung. Akute Wadenkrämpfe werden am besten manuell gelockert. Gegen Muskelkater und -verhärtungen sind wärmende, hyperämisierende Lokaltherapeutika mit Nicotinsäurederivaten, Cayennepfeffer oder ätherischen Ölen eine gute Empfehlung.

Bei der Beratung sollten PTA und Apotheker jedoch immer auch an andere Ursachen für Wadenkrämpfe denken. Durchblutungsstörungen, Nervenentzündungen, aber auch Medikamente, wie Cholesterinsenker, können zu ähnlichen Beschwerden führen, die die Patienten einem Magnesiummangel zuordnen.

Blutergüsse Prellungen der Muskulatur sind meistens harmlos, aber schmerzhaft. Sie führen zu unschönen Hämatomen. Die Einblutungen in das Gewebe nach Stoßeinwirkung sind für die zunächst bläulichen Flecke, die dann ihre Farbe wechseln, verantwortlich. Prellungen werden am besten direkt gekühlt und mit topischen Externa behandelt. Pflanzliche Zubereitungen mit Arnica- oder Beinwellextrakten haben abschwellende und antientzündliche Effekte. Gele oder Salben, die Heparinoide enthalten, wirken auf die Hämatome blutgerinnungs- und entzündungshemmend. Das mehrmals tägliche Auftragen unterstützt die raschere Rückbildung der Blutergüsse.

»Häufig sind die Knie oder Hüften als erstes vom Verschleiß betroffen.«

Analgetisch und antientzündlich wirken die nichtsteroidalen Antirheumatika wie Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen, Indometacin und Salicylsäure. Die Arzneistoffe können lokal über Gele, Salben oder Sprays angewendet werden. Bei stärkeren Schmerzen der Muskulatur sollten außerdem oral eingesetzte Analgetika empfohlen werden. Dabei sollte immer die Gesamtmedikation des Patienten berücksichtigt werden, denn gastrointestinale Nebenwirkungen oder Interaktionen mit Antihypertonika treten bei Langzeitanwendung in höheren Dosierungen häufiger auf.

COX-2-Hemmer, wie Celecoxib oder Etoricoxib, sowie die kurzfristige Gabe von Opioiden sind weitere Alternativen zur Analgesie. Zur Prophylaxe verordnen Ärzte in der Regel einen Magenschutz in Form eines Protonenpumpenhemmers oder Misoprostol.

Verschleiß und Gelenkschmerz Über Schmerzen in den Gelenken klagen insbesondere ältere Menschen. Obwohl die Ursachen dafür vielfältig sind, sind die meisten Beschwerden auf Verschleiß und Entzündungsprozesse zurückzuführen. Die Gelenke werden bei allen Bewegungen benötigt. Die reibungslose Funktionsfähigkeit der Bewegungsabläufe wird in jungen Jahren als selbstverständlich angesehen. Häufig sind die Knie oder Hüften als erstes vom Verschleiß betroffen.

Komplexer Aufbau Obwohl sich die kleinen und großen Gelenke in gewissem Maße unterscheiden, ist der Grundaufbau doch immer gleich: Ein Gelenkkopf liegt passend in einer Gelenkpfanne, getrennt durch den Gelenkspalt. Jedes Gelenk ist mit einer feinen Knorpelschicht überzogen, die verhindert, dass unter Bewegung Knochen an Knochen reibt. Bestandteile des Knorpels sind hyaline Fasern, Proteoglycane und Hyaluronsäure. Im Knorpel selber sind keine Blutgefäße, die das Gewebe versorgen können.

Das gesamte Gelenk ist von einer kollagenfaserreichen Gelenkkapsel umgeben, die zusammen mit den -bändern – zumindest an den großen Gelenken die Stabilität des Gelenks gewährleistet. In dieser Einheit ist vorgegeben, welche Bewegungen aus dem Gelenk heraus möglich sind. Das Innere der Gelenkkapsel ist mit einer Synovialmembran ausgekleidet, die von Blutgefäßen und Nervenbahnen durchzogen ist.

Die Zellen in der Membran sorgen für die Bildung der Synovialflüssigkeit, bestehend aus Hyaluronsäure und Glucosaminoglykan, die in den Gelenkspalt abgegeben wird und für die richtige „Ölung“ sorgt. Bei jeder Bewegung wird der Stoffwechsel im Gelenk angeregt, die Knorpelsubstanz mit den Nährstoffen aus der Synovialflüssigkeit zu versorgen.

Defekte im Knorpel Mit zunehmendem Lebensalter stellen sich Abnutzungserscheinungen ein, die zu einer Degeneration des Gelenkknorpels führen. Im Anfangsstadium sind diese Prozesse für den Betroffenen noch nicht spürbar, da in der Knorpelschicht selber keine Nervenendigungen sind. Schmerzen treten erst dann auf, wenn die Knochen auf die empfindliche Knochenhaut reiben. An den besonders beanspruchten Stellen bildet sich die Knorpelsubstanz zurück und neue Knochensubstanz entsteht. In der Konsequenz verengt sich der Gelenkspalt und die Knochen reiben mehr und mehr aneinander.

IN BEWEGUNG BLEIBEN
Das A und O für die Beratung in der Apotheke ist, den Patienten zur Bewegung zu motivieren. Wenn die Muskulatur ausreichend stark ist, kann sie Defekte in den Gelenken kompensieren. Gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Walken oder Radfahren sind zu empfehlen. Weitere nichtmedikamentöse Maßnahmen sind Gewichtsabnahme, Wassergymnastik, Wärmetherapie und Entlastung der Gelenke durch geeignetes Schuhwerk und Gehhilfen.

Problematisch ist, dass sich Knorpelzellen in der Matrix aus Hyaluronsäure und Proteoglykanen nicht mehr teilen können und so nicht regenerierbar sind. Es entstehen Schäden in der Knochen- und Gelenkinnenhaut mit schmerzhaften entzündlichen Prozessen. Mangelnde Bewegung, Übergewicht und starke körperliche Belastungen können das Fortschreiten und den wachsenden Schweregrad der Arthrose begünstigen. Typischerweise berichten Arthrosepatienten über Anlaufschmerzen am Morgen. Im fortgeschrittenen Stadium kommen Schmerzen im Ruhezustand dazu. Die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke ist eingeschränkt.

Knorpel stärken, Schmerzen lindern Ziel der Behandlung sollte sein, den weiteren Rückgang an Knorpelmasse zu verhindern, die Schmerzen zu reduzieren und die Beweglichkeit zu erhalten. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Stärkung der Knorpelsubstanz sind begrenzt. Chondroprotektiva wie Glucosamin oder Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure sind Bausteine des Knorpels und sollen eine unterstützende Wirkung bei Arthrose haben. Allerdings konnte ihre Wirksamkeit bisher nicht eindeutig durch Studien belegt werden.

Im Zentrum der Therapie stehen deshalb die Reduktion der Schmerzen und damit die Gewährleistung der Bewegung der Gelenke. Gegen leichte Schmerzen rät die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu Paracetamol. Vielfach reicht die lokale Anwendung von NSAR oder hyperämisierenden Salben zur Linderung aus. Bei Entzündungen und stärkeren Schmerzen sind nichtsteroidale Antirheumatika in oraler Form die Mittel der Wahl. Diclofenac, Ketoprofen, Ibuprofen und Piroxicam sind gleichermaßen anwendbar. Eine Kortikoidinjektion in das Gelenk ist eine weitere Option, um Entzündungsprozesse zu stoppen.

Teufelskralle und Weidenrinde Häufig wünschen sich die Patienten, selber etwas gegen die Beschwerden zu tun. Die Phytopharmaka Teufelskralle und Weidenrinde haben von der Kommission E und der europäischen Bewertungskommission (ESCOP) eine positive Bewertung bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates und schmerzhaften Arthrosen zugesprochen bekommen. Weidenrinde enthält Salicylsäurederivate, die analgetisch wirken. Man vermutet eine Hemmung der Cyclooxygenase 1 und 2. Es ist außerdem bekannt, dass an der Gesamtwirkung auch andere Inhaltsstoffe der Weidenrinde beteiligt sein müssen.

Bei magenempfindlichen Kunden sollten PTA und Apotheker auf mögliche gastrointestinale Nebenwirkungen hinweisen. Mögliche Interaktionen mit Antikoagulanzien sind bei der Abgabe in der Selbstmedikation zu bedenken. Die Teufelskralle enthält Hapargosid, ein Iridoidglykosid, das analgetisch und antientzündlich wirkt. Außerdem sollen andere Inhaltstoffe zusätzlich knorpelprotektive Wirkungen haben.

Wichtig ist, dass der Patient weiß, dass Teufelskralle nicht akut die Schmerzen lindert, sondern erst nach einer längerfristigen, regemäßigen Einnahme. Bei Ulcuspatienten ist Teufelskralle kontraindiziert. Generell ist die Einnahme von Weidenrinde oder Teufelskralle nach Rücksprache mit Arzt eine gute Ergänzung der Therapie von Gelenkschmerzen wie Arthrose.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 58.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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