Frau liegt im Gras © heckmannoleg / iStock / Getty Images
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Phytotherapie

NATÜRLICH EINSCHLAFEN

Schlafstörungen und innere Unruhe sind in der Apotheke ein gängiges Beratungsthema. Verschiedene Phytopharmaka eignen sich aufgrund ihrer beruhigenden und einschlaffördernden Wirkung zur Selbstmedikation.

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K kennzeichnend für Insomnien ist, dass die Gesamtschlafzeit bei Betroffenen aufgrund von Problemen beim Ein- und Durchschlafen oder aufgrund von frühmorgendlichem Erwachen wesentlich reduziert ist. Der Schlafmangel wirkt sich negativ auf die Tagesbefindlichkeit sowie auf die Konzentrations- oder Leistungsfähigkeit aus. Eine Dyssomnie besteht, wenn der Schlaf in Bezug auf seine Dauer, Qualität und seinen Beginn beeinträchtigt ist.

Parasomnien hingegen sind nächtliche Phänomene wie Albträume oder Schlafwandeln. Menschen mit Einschlafstörungen liegen mindestens eine halbe Stunde vor dem Einnicken wach. Typischerweise fühlen sich Betroffene mit Durchschlafstörungen bereits nach maximal sechs Stunden Schlaf fit und können nur schlecht wieder einschlafen. Personen mit Insomnien leiden gelegentlich auch unter den klassischen Symptomen wie innere Unruhe, Herzrasen, Nervosität, Angst, mangelnde Konzentration, Verspannungen oder Händezittern.

Pflanzlich & effektiv Gegen Unruhe und Schlafstörungen sind verschiedene Kräuter wie etwa Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Passionsblumenkraut, Lavendel, Johanniskraut oder Melissenblätter gewachsen. Meist sind sie Mittel erster Wahl bei der Behandlung von Schlafstörungen und Nervosität. Mit dem richtigen Präparat ist es möglich, die Beschwerden in der Selbstmedikation zu therapieren. Die pflanzlichen Arzneien wirken beruhigend und helfen daher, in den Schlaf zu finden.

Echter Baldrian Valeriana officinalis hat sich längst bewährt und gilt als eine der am besten untersuchten Arzneipflanzen. Das Phytopharmakon stellt aufgrund seiner ausgleichenden und entspannenden Eigenschaften ein nicht-suchtauslösendes Beruhigungsmittel dar, dessen Wirkung gesichert ist, vorausgesetzt die Dosierung ist hinreichend und es wurde Alkohol als Extraktionsmittel verwendet. Baldrian besitzt einen sehr starken, charakteristischen Geruch, der von Menschen als unangenehm, von Katzen hingegen als anziehend empfunden wird.

Zu den relevanten Inhaltsstoffen der Pflanze gehören ätherische Öle, Sesquiterpene, Iridoide, Valerensäure, Alkaloide, Lignane sowie Flavonoide. Der pharmakologische Effekt ist vermutlich auf den Einfluss auf die Serotoninrezeptoren sowie die GABA-Neurotransmission zurückzuführen. Es existieren unterschiedliche Darreichungsformen wie Dragees, Tinkturen, Tees oder Badezusätze. Baldrian wird häufig mit weiteren Phytopharmaka, beispielsweise Melissenblättern oder Hopfenzapfen kombiniert. Als Beruhigungsmittel für den Tag kommt Baldrian dreimal täglich zum Einsatz, während Produkte zur Schlafförderung meist eine halbe bis eine Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen werden.

Sonne für die Seele Die Einnahme von standardisierten Johanniskraut-Extrakten hilft bei depressiven Verstimmungen und nervöser Unruhe. Für die stimmungsaufhellenden Effekte sorgen die Inhaltsstoffe Hypericin, Hyperforin, Flavonoide und Xanthone des Hypericum perforatum. Betroffene fühlen sich ruhiger und werden besser mit Belastungen fertig, wodurch sie auch besser schlafen können. Allerdings ist die Wirkung erst nach einem Einnahmezeitraum von zwei Wochen vollständig spürbar. Johanniskrautextrakte sollten mit 500 bis 900 Milligramm (mg) täglich dosiert werden.

Ein wichtiger Beratungshinweis richtet sich an sonnenempfindliche Kunden: Während der Einnahme muss stets ein Sonnenschutz mit einem hohen Lichtschutzfaktor aufgetragen werden, Solarienbesuche sind am besten komplett zu vermeiden. Außerdem kommt es durch die Stimulation bestimmter Cytochrom-P450-Enzyme zu einem vermehrten Abbau von anderen Medikamenten wie hormonellen Kontrazeptiva, Ciclosporin, Tacrolimus, Digoxin, Antikoagulanzien vom Cumarintyp oder Indinavir. Nehmen Kunden einen dieser Arzneistoffe regelmäßig ein, sollte ein anderes Mittel gegen die Unruhe oder die Schlafstörungen eingenommen werden.

Balsam für die Seele Bei Stress und Unruhe eignet sich auch die Anwendung von Zitronenmelisse (Melissa officinalis). Der beruhigende Effekt ist auf das nach Zitrone duftende, ätherische Öl zurückzuführen. Entspannungsbäder oder Tees mit Melisse können sich bei Nervosität und Stress als wahres Wundermittel herausstellen. Neben ihren ätherischen Ölen enthält die Pflanze Bitterstoffe, Flavonoide, Mineralsalze und Gerbstoffe. Häufig wird sie mit weiteren Phytopharmaka wie Baldrian oder Hopfen zur Behandlung von Einschlafstörungen kombiniert.

Während Baldrian direkt den Schlaf fördert, wirken Pflanzen wie Johanniskraut und Lavendel entspannend und verhelfen so zu einem besseren Schlaf.

Beruhigende Heilpflanze Bei nervösen Unruhezuständen sowie bei vegetativ bedingten Befindlichkeitsstörungen ist Passionsblume (Passiflora incarnata) indiziert. Für die Herstellung von Arzneien werden die getrockneten, zerkleinerten oder geschnittenen oberirdischen Pflanzenteile (Passiflora herba) sowie der Passionsblumenkraut-Trockenextrakt verwendet. Das Sedativum verfügt über entscheidende Vorteile: Es wirkt entspannend ohne müde zu machen, sodass die Leistungsfähigkeit voll erhalten bleibt.

Das Wirkprinzip besteht in einer Beeinflussung des Nervenbotenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA), welcher als inhibitorischer Neurotransmitter im Nervensystem einen beruhigenden Einfluss nimmt. Wirksame Bestandteile der Passionsblume sind Flavonoide, Kohlenhydrate sowie ätherische Öle. Passionsblumenkraut ist als Tee oder als Fertigarzneimittel im Handel erhältlich, die Präparate dürfen bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren angewendet werden. Gegen nervös bedingte Einschlafstörungen liegt Passionsblume auch in Kombination mit anderen Arzneipflanzen (häufig: Melisse, Baldrian oder Hopfen) vor.

Raus aus der Stress-Spirale Das Gedankenkarussell dreht sich permanent um schlimmste Befürchtungen, obwohl eigentlich keine konkrete Gefahr lauert? Dies kann für Betroffene sehr quälend sein. Gegen Angstzustände steht ein Lavendelöl-Präparat in Form von Weichkapseln zur Verfügung, mit dem sich Unruhezustände bekämpfen lassen. Das Arzneimittel ist für Personen ab dem 18. Lebensjahr zugelassen, für jüngere Menschen, ebenso wie für Schwangere und Stillende, ist es nicht geeignet. Auch ein entspannendes Lavendel-Bad kurz vor der Nachtruhe oder ein duftendes Lavendelsäckchen unter dem Kopfkissen lindern Unruhezustände und fördern den Schlaf.

Wer den Duft von Lavendel über mehrere Stunden bewahren möchte, lässt die ätherischen Öle am besten in einer Duftlampe verdampfen. Neben seiner beruhigenden Wirkung weist Lavendelöl unter anderem spasmolytische, antiphlogistische, harn- und blähungstreibende Eigenschaften auf. Die Selbstmedikation hat jedoch auch ihre Grenzen: PTA und Apotheker sollten Kunden, die starken Belastungen unterliegen, sich ausgebrannt fühlen oder gar unter einer Depression leiden, zu psychologischer und/oder ärztlicher Hilfe raten.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 18.

Martina Görz, PTA, Psychologin und Fachjournalistin

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