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Sommergrippe

MANCHE MÖGEN’S HEISS

Einige Erkältungsviren sind im Sommer besonders aktiv. Sie verursachen neben Halsschmerzen, Schnupfen und Husten auch Durchfall. Mit diesen Beschwerden kommen viele Kunden in die Apotheke.

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Eine heftige Erkältung trotz 30 °C im Schatten? Das ist für Betroffene besonders quälend, aber alles andere als eine Seltenheit. Auslöser der so genannten Sommergrippe sind häufig Coxsackie- oder Echoviren , die zum Genus Enterovirus gehören. Im Gegensatz zu den kälteliebenden und winteraktiven Rhinoviren sind Enteroviren recht umweltresistent und besonders gut an die hohen Temperaturen im Sommer angepasst.

Die Übertragung der Keime erfolgt fäkaloral oder durch Tröpfcheninfektion. Um sich anzustecken, reicht es oft schon, einen kontaminierten Telefonhörer oder eine Türklinke anzufassen und sich anschließend die Augen zu reiben. Enteroviren befallen alle Schleimhäute des Körpers, also auch die des Magen-Darm-Traktes. Das erklärt, warum es im Rahmen einer Sommergrippe oft nicht nur zu klassischen Erkältungsbeschwerden wie Husten, Schnupfen und Heiserkeit, sondern auch zu Durchfall und Erbrechen kommt. Häufig leiden Infizierte darüber hinaus unter Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber.

Geschwächtes Immunsystem Die Erreger der Sommergrippe haben nur dann ein leichtes Spiel in den Körper einzudringen, wenn das menschliche Immunsystem geschwächt ist. Und das ist im Sommer viel häufiger der Fall, als weithin vermutet wird: Zum einen sind es schnelle Temperaturwechsel (z. B. von der Hitze im Freien ins klimatisierte Büro), die unsere Abwehrkräfte auf eine harte Probe stellen und die Schleimhäute austrocknen. Aber auch Unterkühlung (z. B. durch nasse Badekleidung), Zugluft und schweißtreibende sportliche Aktivitäten bei brütender Hitze können das Immunsystem schwächen. Hinzu kommt der Einfluss der Sonne.

Obwohl der heiße Planet bekanntlich Balsam für die Seele ist, kann ein Übermaß an UV-Strahlung Stress verursachen und das Immunsystem belasten. Wer es mit dem Sonnenbaden übertreibt, riskiert nicht nur einen Sonnenbrand, sondern auch Schnupfen und Husten. Zum Glück ist eine Sommergrippe für Menschen mit ansonsten intaktem Immunsystem nicht bedrohlich und nach einigen Tagen wieder überstanden.

Mit der echten Grippe, der gefährlichen Influenza, die in den Herbst- und Wintermonaten umgeht, hat die Sommergrippe also nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um einen eher harmlosen grippalen Infekt, den ansonsten gesunde Menschen meist gut in Eigenregie auskurieren können. Wenn die Beschwerden jedoch stark ausgeprägt sind oder die Infektion mit hohem Fieber einhergeht, ist von der Selbstmedikation abzuraten. Vielmehr sollten Sie Ihren Kunden dann nahelegen, den Arzt aufzusuchen. Denn durchaus möglich, dass sich hinter den Beschwerden eine andere Erkrankung mit ähnlicher Symptomatik verbirgt, die einer ärztlichen Behandlung bedarf.

Vorsicht, Verwechslungsgefahr In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass durch Zeckenstiche auf den Menschen übertragene Infektionen, nämlich die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Tage bis Wochen nach dem Stich ebenfalls grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Fieber hervorrufen können. An der bakteriellen Infektionskrankheit Borreliose erkranken bei uns jährlich bis zu 80 000 Menschen, wobei überall in Deutschland Ansteckungsgefahr besteht. Charakteristisches erstes Symptom einer Borrelieninfektion ist häufig, aber nicht immer(!), eine schmerzlose, ringförmige Hautrötung rund um die Einstichstelle. Sie wird auch als Wanderröte bezeichnet.

Im Gegensatz zur Borreliose ist die durch Viren hervorgerufene FSME recht selten: Pro Jahr erkranken hier zu Lande einige Hundert Menschen an dieser gefährlichen Hirnhautentzündung, vor allem in den so genannten Risikogebieten südlich des Mains. An die Möglichkeit einer durch einen Zeckenstich übertragenen Infektion sollten Sie immer denken, wenn ein Kunde über unspezifische grippeähnliche Beschwerden klagt. Treten sie in Kombination mit der beschriebenen Wanderröte auf, ist eine Borreliose sogar wahrscheinlich.

Ebenfalls möglich, dass sich hinter wiederkehrenden „Erkältungen” während der Sommermonate eine bisher nicht diagnostizierte Pollenallergie verbirgt. Vor allem Symptome wie anhaltender Fließschnupfen, Niesreiz und gerötete, tränende Augen können Hinweise auf eine Pollenallergie sein. Ganz klar: Bei Verdacht auf Heuschnupfen oder „Zeckeninfektion” sollten Sie Kunden nahelegen, schnellstmöglich den Arzt aufzusuchen. Kommt ein Kunde jedoch „nur” mit den typischen Symptomen einer harmlosen Sommergrippe in die Apotheke, können Sie im Beratungsgespräch Präparate empfehlen, die die Beschwerden lindern, den Erkältungsverlauf günstig beeinflussen und eventuell sogar einer Sekundärinfektion entgegenwirken können.

Gut zu wissen: Zur Behandlung der Sommergrippe sind prinzipiell die gleichen „Klassiker” geeignet, die auch bei einem grippalen Infekt im Winter wirksam sind. Welche Empfehlungen Sie aussprechen sollten, richtet sich sowohl nach den vorherrschenden Beschwerden, aber auch nach individuellen Faktoren. Dazu zählen unter anderem das Alter und eventuelle Vorerkrankungen des Kunden, aber auch seine persönlichen Wünsche.

Kraft der Kräuter Bei Bagatellerkrankungen wie Erkältungen wünschen sich viele Menschen Arzneimittel, die zuverlässig, aber gleichzeitig möglichst „sanft” und „natürlich” wirken. Für diese Zielgruppe sind Phytopharmaka sicherlich eine gute Empfehlung, die bei den Deutschen ohnehin hoch im Kurs stehen. Das bestätigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Apotheken-System-Vertriebsgesellschaft AVIE aus dem Jahr 2010.

Mehr als die Hälfte der über 1000 Befragten gab an, bereits Phytopharmaka eingenommen zu haben – vor allem bei grippalen Infekten: Zur Behandlung von Erkältungen oder zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten setzen laut Umfrage 64 Prozent beziehungsweise 53 Prozent auf „grüne Medizin”. Die Vorteile der Phytopharmaka sind nach Ansicht der Befragten die gute Verträglichkeit (88 Prozent) und die geringen Nebenwirkungen (83 Prozent). Drei Viertel der Verwender bevorzugen pflanzliche Arzneimittel aufgrund ihrer milden Wirksamkeit.

STRESS GEHT, SCHNUPFEN KOMMT
Ausgerechnet im Urlaub werden viele Menschen eiskalt von einer Sommergrippe erwischt. Das liegt zum einen daran, dass es in den Wochen und Tagen vor Reisebeginn meist extrem hektisch zugeht, schließlich möchte man am Arbeitsplatz kein „Chaos” hinterlassen und zu Hause müssen noch zahlreiche Reisevorbereitungen getroffen werden. Der Dauerstress führt dazu, dass das Immunsystem auf Hochtouren arbeitet. Sinkt der Stresspegel dann in den Ferien plötzlich ab, schaltet auch das Immunsystem einen Gang zurück. Und schon steigt das Infektionsrisiko.

Erschwerend hinzu kommt, dass sich viele Urlauber recht „unvernünftig” verhalten – sich am Strand stundenlang in der Sonne aalen, die Klimaanlage im Hotel zu kalt einstellen, reichlich Alkohol genießen, gleich zu Ferienbeginn ein anstrengendes Aktivprogramm starten und, und, und. Und schon ist der grippale Infekt da! Um die Beschwerden zu lindern, hat sich im Akutfall eine gute sortierte Reiseapotheke bewährt. Gegen Sommergrippe-typische Beschwerden sollten Ihre Kunden unbedingt folgende Arzneimittel in den Koffer packen: abschwellendes Nasenspray, Schleimlöser, Lutschtabletten gegen Halsschmerzen, Analgetikum, Elektrolytlösung und Durchfallstopper für den „Notfall“.

Gut zu wissen: Die Sympathie, die die Deutschen „grüner Medizin” entgegenbringen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch pflanzliche Arzneimittel Neben- und Wechselwirkungen haben können und dass längst nicht jedes Präparat für jeden Erkältungsgeplagten geeignet ist. Darauf sollten Sie im Beratungsgespräch hinweisen. Zur Linderung klassischer Erkältungssymptome gibt es zahlreiche pflanzliche OTC-Präparate, die Sie Ihren Kunden für die Selbstmedikation empfehlen können.

Hier einige Beispiele:

  • Bei trockenem Reizhusten, der häufig zu Beginn eines grippalen Sommerinfekts auftritt, zeigen Schleimdrogen wie Eibischwurzel, Isländisch Moos und Spitzwegerichkraut Wirkung.
  • Bewährt gegen produktiven Husten mit Schleimbildung haben sich pflanzliche Arzneimittel (z. B. Hustensäfte oder -tropfen) mit Efeublättern, Thymiankraut und Primelwurzeln.
  • Gut gegen Halsschmerzen wirken Gurgellösungen mit Salbei und Kamille.
  • Erkältungsbalsame mit Eukalyptus- und Kiefernnadelöl können das Durchatmen erleichtern.

Nicht abwarten, Tee trinken Klassiker im Kampf gegen Erkältungsbeschwerden sind Arzneitees. Empfehlen Sie zu Beginn einer Sommergrippe beispielsweise einen schweißtreibenden Tee mit Arzneipflanzen wie Holunder- und Lindenblüten und bei Husten einen Husten- und Bronchialtee, der beruhigende und schleimlösende Kräuter wie Eibischwurzeln, Thymianblätter und Anisfrüchte enthält. Sinnvolle Helfer sind auch Erkältungsteemischungen, die sowohl schleimlösende als auch schweißtreibende Arzneipflanzen enthalten.

Weisen Sie Ihre Kunden im Beratungsgespräch auch darauf hin, dass sie bei einer Sommergrippe viel trinken sollten. Erkältungstees können dazu beitragen, die Flüssigkeitszufuhr gezielt zu erhöhen. Ansonsten sind Wasser und Fruchtsaftschorlen gute Durstlöscher.

Kunden, die Erkältungsbeschwerden möglichst „sanft” zu Leibe rücken möchten, stehen sicherlich auch traditionellen Hausmitteln offen gegenüber: Raten Sie beispielsweise zu Dampfinhalationen mit ätherischen Ölen, um zähes Sekret zu verflüssigen; zu Wadenwickeln, um Fieber zu senken; zu salzhaltigen Nasenspülungen, um Viren aus der Nase zu katapultieren und das Durchatmen zu erleichtern. Praktisch sind hier spezielle Nasenduschen, deren Gebrauch Sie interessierten Kunden erläutern sollten.

Denkbar ist auch die Empfehlung homöopathischer Komplexmittel, die unterschiedliche Einzelmittel miteinander kombinieren und somit auch mehrere Erkältungsbeschwerden bekämpfen. In homöopathischen Komplexmitteln gegen grippale Infekte sind beispielsweise Substanzen wie Aconitum napellus (Eisenhut), Phosphorus (Gelber Phosphor), Bryonia (Zaunrübe) und Eupatorium perfoliatum (Wasserdost) enthalten.

Sommergrippe vorbeugen Was Sie Ihren Kunden empfehlen können, um Erkältungsviren ein Schnippchen zu schlagen:

  • Achten Sie auf gute Hygiene: Waschen Sie Ihre Hände oft und gründlich mit Seife, um sich vor einer Infektion mit Enteroviren (und vor anderen Krankheitserregern) zu schützen.
  • Meiden Sie lange Sonnenbäder und vor allem die intensive UV-Strahlung in der Mittagszeit. Denn ein Übermaß an Sonne stresst und schwächt das Immunsystem.
  • Wechseln Sie nasse und durchgeschwitzte Kleidung möglichst umgehend. Nehmen Sie einen zweiten Badeanzug mit ins Freibad, und packen Sie frische Kleidung in die Sporttasche.
  • Meiden Sie Zugluft (z. B. im Cabrio) und zu kühl eingestellte Klimaanlagen (z. B. im Auto, im Büro, im Hotel).
  • Denken Sie daran, ausreichend zu trinken, um die Schleimhäute feucht zu halten. Aber löschen Sie den Durst nicht mit eiskalten, sondern lieber mit kühlen bis lauwarmen Getränken, zum Beispiel ungesüßten Früchteund Kräutertees.
  • Denken Sie abends daran, einen Pullover und Socken mit in den Biergarten oder zur Grillparty zu nehmen. Denn am Abend wird es kühl. Und wer fröstelt, zieht sich leichter eine Sommergrippe zu.
  • Ernähren Sie sich vollwertig, abwechslungs- und vor allem vitaminreich. Fünf Mal am Tag sollten Sie Obst und Gemüse verzehren.
  • Bewegen Sie sich regelmäßig an der frischen Luft, um die Abwehrkräfte zu stärken. Verzichten Sie bei großer Hitze allerdings auf schweißtreibenden Sport. Besser ist es dann, das Aktivprogramm in die kühleren Morgen- und Abendstunden zu verlegen.

Wirksame Klassiker Zuverlässig wirksam bei diversen Erkältungsbeschwerden sind natürlich auch chemisch-synthetische Präparate für die Selbstmedikation. Zu den bedeutendsten zählen: Abschwellende Nasensprays oder -tropfen mit Wirkstoffen wie Oxymetazolin oder Xylometazolin. Ist die Nase verstopft, sollten Erkältete den Einsatz abschwellender Präparate nicht zu lange hinauszögern, um zu verhindern, dass sich die Erreger in den Nasennebenhöhlen festsetzen und eine Sinusitis begünstigen.

Abschwellende Nasensprays gibt es in unterschiedlichen Dosierungen: für Babys, für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren sowie für Schulkinder und Erwachsene. Fragen Sie im Beratungsgespräch nach, für wen das Präparate bestimmt ist, und weisen Sie auch darauf hin, dass abschwellende Nasensprays nur für den kurzzeitigen Einsatz vorgesehen sind.

Hustenlöser mit bewährten Wirkstoffen wie Acetylcystein, Ambroxol oder Bromhexin. Bei produktivem Husten verflüssigen entsprechende Säfte, Tropfen, Tabletten oder Brausetabletten zähes Sekret und erleichtern das Abhusten. Hustenstiller mit den Wirkstoffen Dextromethorphan oder Pentoxyverin, die den Hustenreiz bei trockenem Reizhusten unterdrücken.

Weisen Sie bei der Abgabe darauf hin, dass Antitussiva und Schleimlöser nicht gleichzeitig eingenommen werden dürfen, da sie sich gegenseitig in ihrer Wirkung blockieren. Durchaus möglich ist es aber, dem Erkältungshusten am Tag mit einem Hustenlöser zu Leibe zu rücken und vor dem Schlafengehen – mit ausreichendem zeitlichen Abstand – zum Hustenstiller zu greifen, der den Hustenreiz in der Nacht unterdrückt und so das Durchschlafen erleichtert.

Lutschtabletten, Rachensprays oder Gurgellösungen gegen Halsschmerzen mit unterschiedlichen antiseptischen und/oder lokal anästhetischen Wirkstoffen. Analgetika mit den Wirkstoffen Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure, die auch antipyretisch wirken. Gut zu wissen: Kommt es im Rahmen der Sommergrippe zu Durchfall, ist es vor allem wichtig, den Flüssigkeitsverlust durch reichliches Trinken auszugleichen. Gute Dienste leisten fertige Elektrolytmischungen. Bei heftigen und anhaltenden Durchfällen sollten Sie Ihren Kunden zum Arztbesuch raten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/12 ab Seite 70.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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