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Wundheilung

LIEBER FEUCHT ALS TROCKEN

Traditionell werden Verletzungen mit konventionellen Auflagen abgedeckt. Besser sind hydroaktive Verbände, die ein feuchtes Milieu schaffen, in dem Wunden um bis zu 40 Prozent schneller heilen.

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Die Wundheilung ist ein ausgeklügelter Reparaturmechanismus des Organismus, an dem alle Hautschichten beteiligt sind und mit dem er Wunden schnell wieder verschließt. Er werden verschiedene Heilungsmechanismen unterschieden.

Regeneration oder Reparation Ist ausschließlich die Oberhaut betroffen und die sich darin befindliche Basalschicht unversehrt, heilt die Haut vollständig ohne Narbenbildung ab (regenerative Wundheilung). Für diesen Regenerationsprozess produzieren Basalzellen neues Gewebe, das nicht vom ursprünglichen Zellverband zu unterscheiden ist (Epithelisierung). Beispiele dafür sind der Verschluss von Schürfwunden oder Hautblasen. Defekte, die bis in die Lederhaut (Dermis) reichen, können nur repariert werden (reparative Wundheilung). Hierbei ersetzt Bindegewebe zerstörte Hautzellen und es kommt zur Vernarbung, bei der das neu entstandene Gewebe nicht mehr dem Zellverband entspricht, der durch die Wunde verletzt wurde.

Primär oder sekundär Liegen die Wundränder dicht aneinander ohne Substanzverlust, verschließt sich die Wunde mit einer strichförmigen, fast unsichtbaren Narbe (primäre Wundheilung). Ist die Verletzung infiziert oder der Gewebedefekt sehr groß, kann die Wunde nicht primär heilen und eine ausgedehnte Narbenbildung (sekundäre Wundheilung) ist die Folge. Dabei fehlen dem Ersatzgewebe Pigmente sowie Hautanhangsgebilde wie Talg-, Schweißdrüsen und Haarfollikel.

Aller guten Dinge sind drei Phasen Für den Wundverschluss setzt der Organismus unmittelbar nach der Verletzung verschiedene Heilungsprozesse nahezu gleichzeitig in Gang. Dabei laufen immer die gleichen komplexen Vorgänge ab, die in drei sich teilweise im Wundareal zeitlich und räumlich überlappende Phasen unterschieden werden: Exsudations-, Gerinnungs- und Epithelisierungsphase.

Erste wichtige Schritte Die erste Phase, die Exsudation, ist durch Rötung, Schwellung und Bildung von viel Wundsekret gekennzeichnet und dauert bei sauberen, nicht infizierten Wunden circa drei Tage. Durch Aktivierung der Gerinnungskaskade wird zunächst ein provisorischer, vorwiegend aus Thrombozyten bestehender Wundpropf gebildet. Gleichzeitig startet die Fibrinbildung durch Polymerisation von im Wundsekret enthaltenem Fibrinogen, wodurch der eigentliche dauerhafte Wundverschluss eingeleitet wird. Das Fibrinnetz schützt die Wunde vor Infektionen und stellt die Gewebegrundsubstanz dar, die später als Matrix für den Kollageneinbau dient.

Zeitgleich werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die eine Entzündungsreaktion auslösen. Neutrophile Granulozyten (Leukozyten) und Makrophagen wandern in das Wundgebiet ein und reinigen sie, indem sie überwiegend durch Phagozytose Überreste an zerstörten Zellen, körperfremdem Material und Keime beseitigen. Daher wird dies auch die Entzündungs- oder Reinigungsphase genannt.

Grundlagen schaffen Außerdem sezernieren die Fresszellen Wachstumsfaktoren, die Fibroblasten zur Kollagenproduktion und damit zum Wachstum von Gewebe anregen, womit die Granulationsphase eingeleitet wird. Dieses Gewebe ist hellrot glänzend und stark von Blutgefäßen durchzogen. Es dient der Defektauffüllung, wobei es die Wunde von den Wundrändern und vom -grund her schließt. Da es ein körniges Aussehen hat, spricht man von Granulationsgewebe (lat. Granula = Körnchen). Es ist noch ohne Festigkeit und stellt die Grundlage für die abschließende Epithelisierung dar.

Endgültiger Wundverschluss Schließlich wird in der letzten Wundheilungsphase, der Epithelisierung, die ungefähr zwischen dem sechsten und zehnten Tag nach der Verletzung beginnt, die Wunde endgültig verschlossen. Dafür wandelt sich das Granulationsgewebe zu Narbengewebe um. Durch Ausreifung der kollagenen Fasern fängt die Wunde an, sich langsam zusammenzuziehen, was zur Festigkeit des Wundverschlusses beiträgt.

SELBSTMEDIKATION MÖGLICH
Bevor die Wunde versorgt wird, muss Art, Größe und Verschmutzungsrat der Wunde beurteilt werden. Nur Bagatellverletzungen, also kleine, unkomplizierte Wunden, können in der Selbstmedikation behandelt werden. Voraussetzung ist, dass es sich um oberflächliche Wunden handelt, die wenig verschmutzt sowie nicht infiziert sind und deren Blutung sich schnell stoppen lässt. Typische Beispiele sind kleinflächige Schürfwunden, nicht tiefgehende Schnittwunden, kleine Kratz- oder Risswunden und Blasen an Füßen und Händen. Bei Brandwunden können nur Verbrennungen ersten Grades wie ein Sonnenbrand oder leichte Verbrühungen, die nur die Epidermis tangieren und nicht größer als eine Handfläche sind, selber behandelt werden.

Über dem Granulationsgewebe bildet sich eine neue Hautschicht, die aus Epithelzellen besteht und die Wunde vom Wundrand her überziehen. Die anschließende Narbenreifung kann noch mehrere Wochen oder Monate andauern.

Problemfall chronische Wunden Defekte, die nach vier Wochen noch nicht abgeheilt sind, werden als chronische Wunden bezeichnet. Charakteristisch sind gelblich-fibrinöse oder schwarze nekrotische Belege, eine insuffiziente, häufig nur inselartig verlaufende Granulation und eine reduzierte Mikrozirkulation im Wundbereich. Diese schlecht und nur verzögert bis gar nicht heilenden Wunden sind meistens auf eine Mangelversorgung des betroffenen Gewebes zurückzuführen.

Theoretisch kann sich in jeder Heilungsphase aus einer akuten eine chronische Wunde entwickeln. Praktisch entstehen sie jedoch oftmals aus fortschreitenden Gewebezerstörungen infolge von Gefäßerkrankungen unterschiedlichster Genese (z. B. aus arteriosklerotischen und diabetischen Gefäßveränderungen, einer chronisch venösen Insuffizienz oder Druckgeschwüren).

Der Arzt ist gefordert Bei Verbrennungen zweiten und dritten Grades, bei denen tiefer liegende Hautschichten oder größere Flächen betroffen sind, ist ärztliche Hilfe erforderlich. Der Gang zum Arzt ist ebenso bei stark verunreinigten, größeren oder chronischen Wunden sowie bei tiefen Defekten, bei denen Nerven, Sehnen oder größere Gefäße mitbeschädigt sind, notwendig.

Tief eingedrungene Fremdkörper sollten nicht selber entfernt werden, da eine erhöhte Infektionsgefahr besteht und unstillbare Blutungen die Folge sein können. Platzwunden müssen häufig genäht oder geklammert werden und sind daher kein Fall für die Selbstmedikation. Am Kopf muss zudem eine Schädelverletzung ausgeschlossen werden. Auch Tierbisse und Kratzwunden, die von streunenden Tieren hervorgerufen worden sind, sind aufgrund eines hohen Infektionsrisikos und der Tollwutgefahr ärztlich zu begutachten.

Kampf den Keimen Nur eine saubere und nicht infizierte Wunde kann schnell und ungestört heilen. Daher steht an erster Stelle die Reinigung und Desinfektion. Bei kleinen Wunden, wie beispielsweise Abschürfungen, reicht es meist aus, winzige Fremdkörper mit klarem, sauberem Leitungswasser aus der Wunde herauszuspülen oder mit einer sterilen Pinzette zu entfernen. Bei Schnittwunden werden die Verschmutzungen durch das Blut hinausgeschwemmt.

Physiologische Kochsalz- oder Ringerlösung kommen vorrangig bei großflächigen, tiefen oder chronischen, schlecht heilenden Wunden zum Einsatz. Bei starker Verschmutztung oder Infektionsgefahr anschließend desinfizieren. Meist reicht eine einmalige Behandlung aus. Zur Wunddesinfektion werden bevorzugt rezeptfreie Antiseptika wie beispielsweise Octenidin, Polyhexanid sowie Präparate auf Povidon-Iod-(PVP-Iod)-Basis eingesetzt.

Wunden abdecken Nach erfolgter Reinigung und Desinfektion können Wundverbände zur schnellen und ungestörten Heilung beitragen. Konventionell werden Wundauflagen verwendet, die eine trockene Wundversorgung ermöglichen. Dabei bildet sich als körpereigene Wundabdeckung Wundschorf, der sich als schützende Kruste bildet. Der Nachteil bei dieser herkömmlichen Methode besteht darin, dass wichtige Bestandteile der Wundflüssigkeit wie Enzyme, Hormone oder Wachstumsfaktoren im Schorf austrocknen und damit den Zellen nicht mehr für den Heilungsprozess zur Verfügung stehen.

Außerdem wirkt die körpereigene Kruste wie eine mechanische Barriere, welche die Einwanderung neu gebildeter Zellen verhindert und somit die Heilung verlangsamt. Ungünstig ist zudem das mögliche Verwachsen der Wundauflage mit dem Schorf, wodurch beim Verbandwechsel das sensible Ersatzgewebe mit abgerissen wird.

»Grundsätzlich ist der Tetanusschutz zu überprüfen und gegebenenfalls zu vervollständigen.«

Dennoch hat die trockene Wundversorgung ihre Berechtigung. Wundschnellverbände und Kompressen kommen vorrangig zur Erstversorgung als sterile Abdeckung zum Einsatz, wobei ihre aufsaugenden und polsternden Eigenschaften geschätzt werden. Auch eignen sie sich bei kleinen, unkomplizierten Bagatellverletzungen mit schmalem Wundspalt (z. B. Schnittverletzungen)

Feucht ist ideal Besser sind hydroaktive Wundverbände, die für ein physiologisches Milieu sorgen und damit die Wundheilungsprozesse optimieren. Da eine Schorfbildung unter hydroaktiven Wundauflagen unterbleibt, können die für den Wundverschluss nötigen Zellen leichter wandern, Enzyme und Wachstumsfaktoren bleiben für den Wundheilungsprozess erhalten. In der Exsudationsphase fördern sie die körpereigene Wundreinigung. Eventuell vorhandene Beläge und Nekrosen werden schonend aufgelöst und vom Verband aufgenommen. Exsudat, Gewebetrümmer und Keime werden gebunden und beim Verbandwechsel aus der Wunde entfernt.

VORTEILE FEUCHTER WUNDHEILUNG
+ Schnellere Wundheilung
+ Geringeres Infektionsrisiko
+ Kein Verkleben mit der Wunde
+ Atraumatischer Verbandwechsel
+ Keine Schorf- und Narbenbildung

Eine starke Saugkapazität des hydroaktiven Verbandes ist in dieser Phase wünschenswert. Dadurch kann die Mazeration vom Wundrand und -umgebung verhindert werden, ohne dass die Wunde trockengelegt wird. In der Granulationsphase verschafft der hydroaktive Verband die nötige Ruhe für die Wundheilung, indem er mit einem feuchten Wundklima das Austrocknen verhindert und überschüssiges Sekret absorbiert. Schließlich bewahrt der Verband in der Epithelisierungsphase die optimale Feuchtigkeit und fördert die Bildung von neuem Epithelgewebe.

Die Wundabdeckung schirmt das empfindliche Gewebe vor äußeren Einflüssen ab und bietet Schutz vor einer Neuinfektion. Aufgrund der fehlenden Schorfbildung verklebt die Wundauflage nicht mit dem neugebildeten Gewebe und ein schmerzloses Abziehen des Verbandes ist möglich. Auch werden Schmerzen im Wundareal durch Einkapseln freier Nervenendigungen schnell gelindert. Letztendlich heilen die Wunden schneller und mit geringerer Narbenbildung ab.

Hydroaktive Wundauflagen Verbände für die feuchte Wundheilung werden als hydroaktive (wasserregulierende) Wundauflagen bezeichnet, da sie ein feuchtes Wundmilieu schaffen oder erhalten. Sie bestehen aus einem wasserabweisenden und atmungsaktiven Trägermaterial, auf dem sich eine Wundauflage aus hydroaktiven Substanzen (z. B. Alginate, Hydrofiber, Hydrokolloide, Hydrogele, Polyurethanschäume, Polyacrylatsuperabsorber) aufgebracht sind. Ausnahme sind Folienverbände aus Polyurethan, die keine Wundauflage und damit auch keine Saugfähigkeit besitzen.

Der Einsatz hydroaktiver Wundauflagen ist abhängig von der Art der Wunde, ihrem Heilungsstadium und der Sekretmenge. Vornehmlich werden sie bei chronischen Wunden eingesetzt, kommen aber auch zunehmend bei kleineren Bagatellverletzungen zur Anwendung. Inzwischen existieren zahlreiche Produkte für den Handverkauf. Als Materialien werden dabei vorrangig Hydrokolloide, Hydrogele und Polyurethangele mit suspendierten Polyacrylatpartikeln verwendet. In der Regel können sie mehrere Tage auf der Wunde verbleiben, dürfen aber nicht auf infizierte Wunden aufgebracht werden.

Bei Anzeichen für eine Infektion (veränderte Farbe und Geruch der Wundflüssigkeit, vermehrte Absonderung von Wundsekret, Schwellung, Rötung, Schmerzen oder Fieber) muss der Verband vorzeitig erneuert werden. Ansonsten gelten die Anwendungshinweise des Herstellers.

Allzeit bereit: Hydrokolloide besitzen die Fähigkeit, sowohl Feuchtigkeit zu absorbieren als auch zu spenden. Somit sind sie für trockene und nässende Wunden gleichermaßen geeignet und können daher in allen Heilungsphasen verwendet werden. Hydrokolloide bestehen aus einer wasserabweisenden Polymermatrix, auf die eine Klebemasse aufgebracht ist, in der hydrophile, quellfähige Partikel wie Pektin, Cellulosederivate oder Gelatine eingebettet sind.

Diese bilden mit dem Wundsekret ein visköses, gelbes Gel, das nicht mit Eiter verwechselt werden darf. Eine Blasenbildung zeigt die Sättigung des Hydrokolloids und damit den Zeitpunkt für den Verbandwechsel an. Für einen optimalen Behandlungserfolg werden hydrokolloide Pflaster in der Regel so lange auf der Haut belassen, bis sie sich von selbst ablösen. Besonders eignen sie sich dabei für oberflächliche Verletzungen wie Schürf-, kleinere Schnitt- und Risswunden.

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Eine trockene Wundabdeckung ist heute in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß.

Hydrokolloidpflaster sind zumeist mit einem speziell geformten Rand versehen, der einen besonders guten Halt auf der Haut bewirkt. Andererseits verbietet dieser im Allgemeinen ein Zerschneiden des Pflasters. Zur Auswahl stehen Hydrokolloidpflaster in unterschiedlichen Größen und Formen. Zudem existieren Produkte speziell für Schürfwunden, Fingerrisse oder Blasen.

Da bleibt keine Wunde trocken: Hydrogele Für die Selbstmedikation existieren auch Wundauflagen mit einem Hydrogel. Das feste Gel gibt Feuchtigkeit ab und ist daher besonders zum Lösen trockener Beläge und Nekrosen geeignet. Da Hydrogele eine optimale Feuchtigkeitsbalance in der Wunde erzielen und für einen angenehmen Kühleffekt und schnelle Schmerzlinderung sorgen, kommen sie auch bei verschiedenen kleineren Verletzungen im Alltag, wie Schnitt- und Schürfwunden oder Blasen, zum Einsatz. Besonders häufig werden Hydrogelpflaster bei oberflächlichen Verbrennungen und Verbrühungen verwendet. Einige Präparate werden speziell als Brandwundenpflaster angeboten und können bis zu sieben Tagen auf der Wunde verbleiben.

Vor allem flexibel: Polyurethangele Neben Hydrokolloiden und Hydrogelen erlauben Pflaster aus Polyurethangelen mit suspendierten Polyacrylatpartikeln (P.U.R. Technologie) die Versorgung alltäglicher kleiner Verletzungen wie Schürf- und Schnittwunden. Das Material zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus und ist bei gleichzeitiger Wasser- und Keimdichtigkeit besonders atmungsaktiv. Neben der guten Verträglichkeit werden die angenehmen Trageeigenschaften geschätzt.

Weiterführende Informationen finden Sie beispielsweise bei folgenden Einrichtungen:

Deutsches Institut für Wundheilung – das DIW bietet Ausbildungen beziehungsweise Weiterbildungen zur qualifizierten Versorgung chronischer Wunden sowie ein zertifiziertes Wundmanagement. Kontakt: Deutsches Institut für Wundheilung, Fritz-Reichle-Ring 2, 78315 Radolfzell. Tel: 0 77 32/ 9 39 15 25, Fax: 0 77 32/9 39 25 25, E-Mail: info@deutscheswundinstitut. de, Internet: www.deutsches-wundinstitut.de  

Netzwerke zum Thema Wundversorgung finden Sie unter www.werner-sellmer.de . Werner Sellmer ist Fachapotheker für klinische Pharmazie, Projektleiter „Wundmanagement” in der Zentralapotheke der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH und Vorstandsmitglied im Wundzentrum Hamburg e.V. k

Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e.V. – Kontakt: Glaubrechtstraße 7, 35392 Gießen, Telefon 06 41/6 86 85 18, E-Mail: dgfw@dgfw.de  sowie Internet: www.dgfw.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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