Van Gogh © Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)
© Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)

Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

KREATIVITÄT & WAHNSINN

Die Lebensgeschichte des Malers Vincent van Gogh ist außergewöhnlich und menschlich bewegend. Seine Krankheitsgeschichte und sein Tod geben bis heute Rätsel auf.

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Als Sohn eines Pfarrers am 30. März 1853 in Groot-Zundert, einem Landstädtchen in den Niederlanden geboren, wurde er nach streng christlichen Werten erzogen. Trotz guter Noten verließ er die Schule im März 1868 aus unbekanntem Grund, machte eine Ausbildung in der Den Haager Filiale der Kunsthandlung Goupil & Cie, lernte dort die etablierte Kunst kennen und beurteilen.

Als professioneller Kunsthändler in London und Paris tätig, verlor er jedoch anscheinend schnell Interesse an diesem Beruf, war als Verkäufer auffällig und ungeeignet. Er versuchte sich als Hilfslehrer, brach ein Volontariat in einer Buchhandlung ab, wollte schließlich protestantischer Pfarrer – wie sein Vater – werden. Aber auch das Theologiestudium war seine Sache nicht.

Als Hilfsprediger wurde er allerdings probeweise bis Juli 1879 bei den Bergleuten von Borinage, einem Ort im belgischen Steinkohlerevier, angestellt und identifizierte sich hier sehr stark mit der hart arbeitenden, in ärmlichen Verhältnissen lebenden Bevölkerung. Während dieser Tätigkeit begann er zu malen, sich autodidaktisch wesentliche Techniken beizubringen, indem er von ihm bewunderte Zeichnungen und Drucke kopierte.

Im Herbst 1880 entschied er sich – angeregt durch seinen Bruder – Maler zu werden. Seitdem kam dieser weitgehend und durchaus großzügig für seinen Unterhalt auf. Dennoch reichte das Geld nie. Vincent van Gogh beschenkte Bedürftige freigebig und konnte offenbar mit Geld nicht umgehen.

Zehn Jahre als Maler Sein Selbststudium intensivierte er durch Besuche an der Kunstakademie in Brüssel sowie bei seinem angeheirateten Cousin, dem damals bekannten Maler Anton Mauve in Den Haag (1881/82). Dort verbrachte er im Sommer 1882 auch sechs Wochen im Krankenhaus zur Behandlung der Geschlechtskrankheit Gonorrhö (Tripper) mit Chinin und Einspritzungen von Alaunwasser.

1884 bis 1885 – nach der Trennung von seiner von Familie und Gesellschaft nicht akzeptierten Liaison mit der Prostituierten Clasina Hoornik (sein Modell Sien) – lebte Vincent van Gogh nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in der niederländischen Provinz Drenthe wieder bei seinen Eltern in Nuenen. Ende 1885 ging er nach Antwerpen und vertiefte beim Studium an der Kunstakademie unter anderem seine Fähigkeiten im Figurmalen. Er galt dort aber als Sonderling und Außenseiter, sparte lieber am Essen als an Malutensilien, klagte über gesundheitliche Probleme und Schwäche aufgrund Mangelernährung.

1886 zog er für zwei Jahre zu seinem Bruder in das damalige Zentrum der Kunstwelt: Paris. Dort lernte er nicht nur den Impressionismus, neue Maltechniken, das Arbeiten mit helleren Farben, sondern auch zahlreiche andere Maler und Künstler wie etwa Paul Gauguin, Henri de Toulouse-Lautrec oder Claude Monet kennen.

Im Februar 1888 zog es Vincent van Gogh aber ins südfranzösische Arles, um dort „die blauen und heiteren Farben“ des Südens zu finden. Er mietete im „Gelben Haus“ ein Atelier, wollte hier eine Künstlerkolonie schaffen. In anderthalb Jahren produzierte er fast zweihundert Gemälde, darunter die bekannten Sonnenblumenbilder. Anerkennung blieb ihm jedoch weiterhin versagt, seine Gesundheit litt deutlich, er war erschöpft und wurde von tiefen Depressionen geplagt.

Streit, Suff, Syphilis Van Gogh, das wahnsinnige Genie: Dieser Ruf hat zur Faszination um seine Person erheblich beigetragen. Er selbst nannte sich in Briefen „neurotisch“, „wüst“ und „zerstört“. Er besuchte regelmäßig Bordelle, steckte sich mit Syphilis an, trank gerne große Mengen des Kräuterschnaps Absinth.

In sein „Atelier des Südens“ folgte ihm nach langem Zögern im Oktober 1888 nur Paul Gaugin. Ein Zusammenleben, das schnell konfliktbeladen war und nach nur zwei Monaten am 23. Dezember mit einem bis heute nicht völlig geklärten Vorfall endete, in dessen Verlauf sich Van Gogh nach einem Streit mit Gauguin, der wohl nach Paris zurückkehren wollte, einen Teil seines linken Ohres abgeschnitten haben soll.

VORSCHAU
In unserer neuen Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Papst Johannes Paul II. (Parkinson)
+ Sven Hannavald (Burnout/psychologische Krankheiten)
+ Evita (Gebärmutterkrebs)
+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs)
+ Ludwig II (Hirnhautentzündung und Folgen)
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)

Auch sein Sauf- und Malerkumpan Gauguin selbst kommt allerdings – davon sind deutsche Kunsthistoriker nach über zehnjähriger Recherche überzeugt – als Täter in Frage. Gaugin soll im Streit mit van Gogh und möglicherweise provoziert durch dessen Verhalten zum Degen gegriffen und damit das linke Ohr seines Kollegen abgetrennt haben. In jedem Fall sorgte Vincent van Gogh für reichlich Aufruhr, da er blutüberströmt sein abgetrenntes Ohrteil im Bordell bei seiner Lieblingsprostituierten ablieferte und sich anschließend bei sich zu Hause ins Bett legte, wo ihn die Polizei schließlich fand.

Wegen des Blutverlustes wurde er rund zwei Wochen anschließend im Krankenhaus von Arles behandelt, weitere mehrtägige Krankenhausaufenthalte wegen „Nervenzusammenbrüchen“ und Anfällen folgten. Nach Angaben des Patienten waren diese verbunden mit Wahnvorstellungen, Albträumen sowie Depressionen. Die Bürger der Stadt ließen ihn, da sie sich vor Vincent van Goghs unheimlichem Verhalten fürchteten, im Hospital sogar zwangsinternieren.

»Er besuchte Bordelle, steckte sich mit Syphilis an und trank gerne große Mengen des Kräuterschnaps Absinth.«

Van Gogh war krank. Zu seinen Lebzeiten gingen die Ärzte davon aus, er leide unter einer speziellen Form der Epilepsie. Erwiesen ist: Er war deprimiert und suizidgefährdet, zeigte sogar Symptome psychotischer Störungen. Mal waren van Goghs schlechte Phasen nach ein paar Tagen vorüber, mal dauerten sie mehrere Wochen. Freiwillig entschied sich Vincent van Gogh im Mai 1889, in die privat geführte, unweit in Saint-Rémy-de-Provence gelegene Nervenheilanstalt Saint- Paul-de-Mausole einweisen zu lassen.

Etwa ein Jahr lang blieb er dort, fertigte in dieser Zeit gut 150 Bilder an. Aber auch schwere Anfälle gab es, in deren Verlauf er sogar versuchte, Terpentin zu schlucken. Immer wieder wird in der Literatur spekuliert, ob dies womöglich Selbstmordversuche waren.

Das tragische Ende Nur 19 Monate nach der blutigen Nacht von Arles, van Gogh lebte inzwischen in einer Pension in Auvers-sur-Oise nahe Paris und wurde von dem Kunstfreund und Arzt Dr. Paul Gachet betreut – wofür dieser sich gerne Bilder schenken ließ –, ging der Maler in ein Kornfeld – und schleppte sich mit einer Schussverletzung im Oberkörper zurück in sein Zimmer. Ob Selbstmordversuch oder Unfall – auch dies ist bis heute umstritten. Fakt ist: Die Kugel wurde von zwei hinzugezogenen Ärzten, unter anderem Dr. Gachet, nicht entfernt.

Van Gogh starb mit 37 Jahren zwei Tage später am 29. Juli 1890 in seinem Bett an seinen inneren Verletzungen – im Beisein seines Bruders Theo. Zahlreiche Spekulationen ranken sich um seine Krankheitsgeschichte. Einige Wissenschaftler führen van Goghs psychopathologische Symptome, wie Halluzinationen und Bewusstseinstörungen, aber auch seine weniger bekannten gastrointestinalen Beschwerden auf seinen intensiven Absinthkonsum in Verbindung mit langjähriger Mangelernährung zurück.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 82.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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