© Fernando Sanchez / 123rf.com

Politik

KLEINES JUBILÄUM – TEIL 4

Das SGB V trat am 1. Januar 1989 in Kraft und wird damit 25 Jahre alt. Der Neukodifizierung des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherungen folgten zahlreiche Änderungsgesetze.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Anstelle direkter Preisregulierungen wurde ein komplexes Geflecht dirigistischer und monetärer Steuerungsinstrumente zur Begrenzung der Ausgaben geschaffen . Vor gut zehn Jahren verordnete der Gesetzgeber dem Arzneimittelbereich zusätzlich ein gänzlich neues Instrument.

Ein „bisschen“ Wettbewerb muss sein Zunächst fast unbemerkt wurden im Jahr 2003 mit dem sogenannten Beitragssatzsicherungsgesetz erstmals im Sozialgesetzbuch V zur Stärkung des Vertragsprinzips individuelle Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Hersteller verankert. Sie fristeten zunächst ein Schattendasein, auch dann noch, als der Gesetzgeber mit der nächsten SGB V-Novellierung nachbesserte und als „Katalysatoren“ professionelle Vermittler möglich machte.

Erst die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführte „Vorfahrt“ für wirkstoffgleiche Rabattpräparate brachte den Durchbruch, in dem man die Apotheken „in die Pflicht“ zum Austausch nahm. Ende 2012 existieren knapp 18 500 Rabattverträge. Rund 145 Krankenkassen und circa 160 Hersteller nutzen inzwischen die Möglichkeit, um kassenindividuelle Effizienzreserven zu erschließen beziehungsweise Marktpositionen zu stärken.

ANTE PORTAS
Zum 1. Januar 2015 wird das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) eine Finanzreform der Krankenkassen einleiten und den allgemeine GKV-Beitragssatz um knapp einen Prozentpunkt senken; der Beitrag wird jeweils hälftig vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen. Der bisherige Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, der bisher vom Arbeitnehmer getragen wurde, wird gestrichen, genauso wie der pauschale Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen bisher erheben konnten.

Im Gegenzug erhalten die Krankenkassen die Möglichkeit kassenindividuelle, einkommensabhängige Zusatzbeiträge von den Versicherten zu erheben. Von dieser Maßnahme verspricht man sich mehr Wettbewerb zwischen den Kassen. Eines ist sicher: für Versicherte wird es mittelfristig teurer. Ein Trostpflaster hält der Gesetzgeber auch bereit: die Versorgungsqualität soll insgesamt besser werden. Dazu wird eigens ein neues Institut aufgebaut.

Mehr als sechzig Prozent des patentfreien GKV-Marktes sind inzwischen unter Rabattvertrag. Tendenz weiter steigend. Die Einsparungen der Krankenkassen allein in den ersten drei Quartalen 2013 beliefen sich auf gut zwei Milliarden Euro. Aus fiskalischer Sicht hat sich dieses Wettbewerbsinstrument bewährt und dürfte auch in Zukunft unverzichtbar sein.

Moralische Versuchung Auch die Eigenbeteiligung der Versicherten war in der Vergangenheit ein häufiger Ansatzpunkt für Reformen. Allein in den 1990er-Jahren wurde die Regelung fünf Mal geändert. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz wurde sie auf zehn Prozent des Abgabepreises, mindestens fünf, höchstens zehn Euro festgesetzt. Mit dem Arzneimittelversorgungsgesetz hat der Gesetzgeber eine vollständige Zuzahlungsbefreiung für besonders preiswerte Festbetragsarzneimittel ermöglicht, mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die Möglichkeit, dass Kassen die Zuzahlung auf Rabattarzneimittel vollständig oder zur Hälfte erlassen.

Bis zu circa zwei Milliarden Euro jährlich sparten die Kassen in der Vergangenheit. Im internationalen Vergleich ist das wenig; Patienten in den meisten anderen europäischen Ländern müssen mehr aus eigener Tasche zahlen. Die niedrige Selbstbeteiligung der privaten Haushalte an den gesamten nationalen Arzneimittelausgaben hier zu Lande ist in umfangreichen Leistungssystemen von GKV und PKV begründet.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen sieht in seinem aktuellen Bericht die Gefahr einer moralischen Versuchung (moral hazard) beim Arzneimittelkonsum. Dieser Effekt würde durch die Aufhebung der Praxisgebühr noch verstärkt, als Arztbesuche im niedergelassenen Bereich in der Regel mit der Verordnung von Medikamenten einhergehen.

Befristung der freien Preisgestaltung Seit Jahren für Diskusionen in Fachkreisen sorgt die mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingeführte Nutzenbewertung, die später zur Kosten-Nutzen-Bewertung erweitert wurde. Eine Preiskontrolle neuer patentgeschützter Arzneimittel wollte jedoch nicht so recht gelingen. Deshalb besserte der Gesetzgeber mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz nach.

Seit 2011 müssen Krankenkassen den vom pharmazeutischen Unternehmer für innovative Arzneimittel frei festgelegten Preis nun nur noch ein Jahr lang zahlen. Zugleich sind die Hersteller verpflichtet, dem Gemeinsamen Bundesausschuss den Zusatznutzen des neuen Arzneimittels im Vergleich zu einer bestehenden Therapie zu belegen. Dann folgen Preisverhandlungen. Für Bestandsmarktarzneimittel gilt diese Regelung nicht (mehr), sodass deren Nutzen für Fachkreise und Patienten im Dunkeln bleibt.

Darüber hinaus gibt es diverse Instrumente, die schwerpunktmäßig am Volumen der Verordnungen ansetzen, indem sie entweder den Leistungskatalog der GKV definieren oder auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnung abzielen. Auch Experten der Materie tun sich zwischenzeitlich schwer, den Überblick zu bewahren und die Wechselwirkung der Instrumente zu überblicken. Überlegungen, die Zahl der Regelungsinstrumente zu reduzieren und im Gegenzug die Wettbewerbsintensität zu erhöhen, wurden bis dato nur halbherzig umgesetzt (Entfall der sogenannten Bonus-Malus-Regelung und des Zweitmeinungsverfahrens).

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/14 ab Seite 74.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

×