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Harninkontinenz

(K)EIN TABU?

Blasenschwäche gewinnt aufgrund der steigenden Anzahl der Prostataoperationen auch bei Männern immer mehr an Bedeutung. Trotzdem schweigen viele selbst beim Arzt, weil ihnen das Leiden peinlich ist.

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Wegen der längeren Harnröhre und der Anatomie ihres Schließmuskelbereichs plagen sich Männer grundsätzlich seltener mit Inkontinenz herum als Frauen. Doch im Alter oder nach Eingriffen an der Prostata müssen auch sie sich möglicherweise mit unwillkürlichem Harnverlust abfinden. Die Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, befindet sich unter der Blase. Sie produziert einen Teil der Samenflüssigkeit. Durch ihre Mitte verläuft die Harnröhre.

Ist die Drüse im Alter vergrößert, spricht man von einer benignen Prostatahyperplasie. Wenn die Harnröhre dabei abgedrückt wird, können Beschwerden beim Wasserlassen auftreten. Im Rahmen von Prostatakrebs, einer häufigen Tumorerkrankung bei Männern, ist die operative Entfernung der Drüse eine therapeutische Option. Blasenschwäche gilt als gefürchtete Folge.

Die männliche Inkontinenz darf jedoch nicht nur auf Probleme mit der Vorsteherdrüse geschoben werden. Sie kann ebenso durch neurologische Erkrankungen, Schlaganfälle, Harnweginfektionen, unzureichend behandelten Diabetes mellitus oder Nervenschädigungen bedingt sein. Auch Arzneimittelnebenwirkungen sind gegebenenfalls für die Beschwerden mitverantwortlich. Zum Beispiel verschlimmern Diuretika eine bestehende Inkontinenz, da sie die Flüssigkeitsausscheidung fördern. Cholinesterasehemmer oder Beta-Blocker (gegen Bluthochdruck) aktivieren den Blasenmuskel.

Formen der Inkontinenz Bei einer Überlaufkontinenz läuft bei voller Blase kontinuierlich Urin aus. Patienten verspüren ein ständiges Druckgefühl. Tumore oder Blasensteine können die Harnröhre abdrücken und den Wasserabfluss hervorrufen. Auch eine benigne Prostatahyperplasie kommt als Ursache in Betracht.

Eine Belastungsinkontinenz tritt häufig nach einer Prostatektomie (Prostataentfernung) auf. Sie äußert sich dadurch, dass bei körperlichen Belastungen wie Niesen, Lachen oder Husten unbeabsichtigt Harn ausgeschieden wird. Eine Schließmuskelschwächung sowie Beschädigungen eines Muskels oder eines stabilisierenden Bandes durch die Operation sind mögliche Auslöser.

Personen mit Nervenschädigungen oder hirnorganischen Störungen können unter einer Reflexinkontinenz leiden. Die Nervenfunktionen, die die Blase betreffen, sind dabei gestört. Betroffene haben keine Kontrolle über die Blasenentleerung, sodass der Urin eigenständig ohne vorherigen Harndrang abfließt. Bei einer Dranginkontinenz (Urgeinkontinenz) kommt es plötzlich zu einem starken Druck, obwohl die Blase noch nicht voll ist. Das Wasser geht so schnell verloren, dass Betroffene es häufig nicht mehr bis zur Toilette schaffen.

Diagnose Der Arzt führt einen Urintest durch, um eventuell vorliegende Harnweginfekte festzustellen. Nützlich ist ein Miktionsprotokoll des Patienten, in dem er seine Blasenentleerungen zeitlich festhält. Durch eine Ultraschalluntersuchung kann der Mediziner die Restharnmenge bestimmen und erkennen, ob das Hohlorgan nach dem Wasserlassen vollständig geleert ist. Auch die Harnwege werden dabei genau betrachtet.

HINTERGRUND
Die Blase dient der Aufbewahrung von Urin und kann etwa 500 bis 1000 Milliliter fassen. Beim Füllvorgang ist der Blasenmuskel entspannt und die Blase kann sich ausdehnen. Sie wird durch den Sphinkter (Schließmuskel) abgedichtet. Dehnungsrezeptoren registrieren ihren Spannungszustand. Das Gehirn erhält die Informationen zum Füllungsgrad und meldet ab etwa 250 Milliliter Harndrang. Beim Entleeren zieht sich die Blasenmuskulatur zusammen. Der Sphinkter öffnet sich und der Harn kann in die Harnröhre abfließen.

Urodynamische Untersuchungen sind Funktionsmessungen des unteren Harntraktes. Dabei werden Katheter, Elektroden und Drucksonden verwendet. Beim Miktionszystogramm bekommt der Patient Kontrastmittel über die Harnröhre in die Blase gespritzt. Die Entleerung kann dann anhand von Röntgenbildern dokumentiert werden. Eine weitere Option ist die Spiegelung der Blase, bei der das Organinnere untersucht wird.

Therapie Die geeignete medikamentöse Behandlung hängt von der Ursache ab. Harnweginfekte werden mit Antibiotika bekämpft. Bei einer gutartigen Vergrößerung der Prostata lindern pflanzliche Präparate mit Kürbissamen, Sägepalmenfrüchten und Brennnesselwurzeln die Beschwerden. Spasmolytika wie Oxybutynin oder Propiverin entspannen die Blasenmuskulatur. Sie werden bei Harndrang verschiedener Ursachen und beim Bettnässen (Enuresis) eingesetzt.

Trospiumchlorid ist ein Muscarinrezeptorantagonist und wird zur Therapie von Dranginkontinenz verwendet. Der Wirkstoff Desmopressin ist dem antidiuretischen, körpereigenen Hormon Vasopressin ähnlich und hemmt daher die Ausscheidung von Urin. Die Substanz wirkt bei Inkontinenz, Enuresis und Diabetes insipidus.

Auch für Männer Es gibt speziell auf die männliche Anatomie zugeschnittene Produkte, die den Patienten Sicherheit bieten. Sie binden Flüssigkeit und unangenehme Gerüche. Kleinere Einlagen besitzen eine Haftklebeschicht und lassen sich in der Unterwäsche fixieren. Es lohnt sich, nachts saugstärkere Binden oder Einmalhosen zu tragen, damit die Betroffenen nicht zum Wechseln geweckt werden müssen.

Männer mit starker Inkontinenz sollten ein Kondomurinal verwenden. Das Einmalsystem aus Silikon oder Latex umschließt den Penis und leitet über einen Schlauch den Harn in einen Sammelbeutel ab, der am Bein befestigt wird. Vorteil ist die einfache Handhabung, jedoch ist diese Methode nicht für alle Fälle der Inkontinenzversorgung geeignet. So genannte Tropfenfänger eignen sich für Männer, die den Harn tropfenweise verlieren. Das System besteht aus einem saugfähigen, hautfreundlichen Material, welches von einer wasserundurchlässigen Folie umgeben ist. Es wird auf den Penis aufgesetzt, mit einem Klebestreifen in der Unterwäsche befestigt und fängt den Urin ab.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 86.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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