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Eichenprozessionsspinner

GEFAHR FÜR MENSCH UND WALD

Sie fressen Eichen kahl, und ihre giftigen Härchen können beim Menschen schwere Krankheitssymptome hervorrufen: Mit diesen Raupen ist nicht zu spaßen. In Deutschland sind die unbeliebten Insekten seit Jahren auf dem Vormarsch.

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Der Eichenprozessionsspinner ist ein unscheinbarer Nachtfalter aus der Familie der Zahnspinner, der in Laubbäumen lebt, meist in Eichen. Der in Mitteleuropa beheimatete graue Schmetterling bevorzugt warme und trockene Gebiete und hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch bei uns ausgebreitet. In vielen Bundesländern wird mittlerweile eine massenhafte Vermehrung beobachtet. Das Weibchen legt seine Eier im oberen Kronenbereich der Bäume ab, aus denen etwa ab Ende April die Raupen schlüpfen. Fünf bis sechs Larvenstadien durchlaufen sie während der kommenden Monate.

Am Tag verstecken sich die Raupen in selbstgesponnenen Nestern und begeben sich am Abend in großen Kolonnen hinter- und nebeneinander – eben in einer Nahrungssuche. Die Raupen ernähren sich von den austreibenden Blättern der Eichen und können bei Massenvorkommen die gesamte Krone kahlfressen.

Vorsicht, Gifthärchen! Doch nicht nur als Pflanzenschädling ist der Eichenprozessionsspinner in Verruf geraten. Auch für den Menschen stellt er eine akute Gesundheitsgefahr dar. Grund dafür sind winzige Gifthaare, die zahlreiche irritative und entzündliche Reaktionen bei Mensch und Tier auslösen können. Ab dem dritten Larvenstadium, das etwa Ende Mai beginnt, wachsen den Raupen als Fressschutz mikroskopisch kleine Brennhaare, die mit Widerhaken versehen sind und das Nesselgift Thaumetopoein – ein Histamin-freisetzendes Protein – enthalten.

Die kleinen Härchen brechen leicht ab und können so bei günstiger Witterung über weite Strecken getragen werden. Kommt der Mensch mit den giftigen Härchen in Berührung, drohen heftige Reaktionen, die von starkem Juckreiz bis hin zu Kreislaufreaktionen reichen. Sehr häufig kommt es nach dem Kontakt mit den Brennhaaren zu Hautirritationen wie Pruritus, ähnlich wie nach dem Kontakt mit Brennnesseln, nur viel stärker, zu Flecken und Quaddeln, die Insektenstichen ähneln. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang auch von Raupendermatitis.

Sie tritt insbesondere an Hautpartien auf, die nicht von Kleidung bedeckt sind, also zum Beispiel im Gesicht, am Hals und an den Armen. Unbehandelt können die Beschwerden bis zu zwei Wochen anhalten. Bei Kontakt mit den Augen kann es zu einer akuten Konjunktivitis mit Symptomen wie Rötung, Lichtscheu und Schwellungen kommen. Werden die giftigen Brennhärchen eingeatmet, drohen entzündliche Reaktionen der Atemwege mit Symptomen wie Halsbeschwerden, Husten und Atemnot.

Möglich ist es auch, dass das Eiweißgift Kreislaufreaktionen wie Schwindel, Übelkeit, Fieber, Schüttelfrost, in seltenen Fällen auch Schockzustände hervorruft. Die akutmedizinische Behandlung in der Arztpraxis richtet sich nach Art und Ausmaß der Beschwerden. Zum Einsatz kommen unter anderem Kortikosteroide und Antihistaminika.

Kontakt meiden! Dazu ist es erforderlich, um befallene Waldgebiete und eventuell abgesperrte Bereiche (Warnschilder beachten!) einen Bogen zu machen. Weder die Raupen noch die Gespinste, die optisch an Zuckerwatte erinnern, dürfen berührt werden. Auch, wenn sich die Raupen längst verpuppt haben und schließlich „ausgeflogen“ sind, bleiben die giftigen Brennhärchen mit den Larvenhäuten in den Nestern zurück. Das Nesselgift bleibt in der Natur unter trockenen Bedingungen jahrelang wirksam.

Gezielt vertreiben! Vielerorts wird der Eichenprozessionsspinner mittlerweile gezielt bekämpft, in der Regel Ende April bis Anfang Mai – ehe die Raupen ihre Gifthaare ausgebildet haben. Ein gezieltes Vorgehen gegen die Insekten ist beispielsweise dann erforderlich, wenn sie Bäume in der Nähe von Siedlungen oder an öffentlich stark frequentierten Orten befallen, etwa in Parks und an Radwegen. Denn dann lässt sich der Kontakt zwischen Mensch und Raupenhärchen kaum vermeiden.

TIPPS
Wer doch unbeabsichtigt mit den Raupenhaaren in Kontakt gekommen ist, sollte die Kleidung umgehend wechseln und bei 60 °C waschen. Außerdem wichtig: Sofort ein Duschbad nehmen und die Haare waschen! Bei beginnender Hautirritation ist es sinnvoll, die betroffenen Stellen vorsichtig zu reinigen und am besten trocken zu föhnen, denn: Trockenrubbeln mit einem Handtuch würde die winzigen Brennhaare nur noch tiefer in die Haut einreiben. Eine kalte Kompresse kann als Erste-Hilfe-Maßnahme Juckreiz und Schwellungen lindern.

Sind lediglich einzelne Bäume befallen, reicht es unter Umständen, die Tierchen gezielt abzusaugen. Reichen Maßnahmen wie Absperren befallener Waldgebiete und Absaugen einzelner Bäume nicht, muss der Eichenprozessionsspinner eventuell chemisch oder biologisch bekämpft werden – was ausschließlich Aufgabe professioneller Schädlingsbekämpfer ist. Eine gezielte Bekämpfung kann nicht nur zum Schutz der menschlichen Gesundheit notwendig sein, sondern nach Abwägung von Nutzen und Risiken auch, um gefährdete Waldgebiete vor den gefräßigen Raupen zu schützen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 130.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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