Frau in Cabriolet © karelnoppe / fotolia.com
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Sommergrippe

GEFÄHRLICHE BRISE

Wärmeliebende Viren sind die Auslöser dieser Form der Erkältung, die in der warmen Jahreszeit zuschlägt. Mit der gefährlichen Influenza hat sie jedoch nichts zu tun.

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Nach der heftigen Grippewelle im Winter befürchten viele, dass sie sich jetzt auch noch mit einer Sommergrippe anstecken. Doch diese ist etwas völlig anderes: Influenza-Viren gehören zur Gruppe der Orthomyxoviridae, die Kälte mögen. Daher gibt es die meisten Grippeerkrankungen im Herbst und Winter. Die Viren können bei Menschen und Tieren schwere, zum Teil lebensgefährliche Krankheitsverläufe verursachen, gegen die man sich mit einer Impfung schützen kann.

Bei der Sommergrippe hingegen handelt es sich um einen grippalen Infekt, also eine herkömmliche Erkältung, gegen die es keine Impfung gibt. Die Sommergrippe wird auch durch ganz andere Viren, meist aus der Familie der Enteroviren, ausgelöst. Im Sommer spielen dabei vor allen Dingen Viren vom Typ Cocksackie eine Rolle. Sie fühlen sich in feucht-warmer Umgebung besonders wohl und sind daher für die meisten dieser Infektionen verantwortlich.

Normalerweise verläuft die Sommergrippe harmlos, Komplikationen können sich aber durch bakterielle Superinfektionen ergeben, die dann zu Nebenhöhlenentzündungen oder schwerwiegenderen Folgekrankheiten wie einer Lungenentzündung führen können.

Feucht halten! Je trockener die Schleimhäute, desto eher können Krankheitskeime sie überwinden. Die Schleimhäute trocknen im Sommer aber schnell aus, sei es durch übermäßige Verdunstung und dadurch sinkenden Feuchtigkeitshaushalt im Körper, durch starke Sonneneinstrahlung, Ventilatoren, Klimaanlagen oder auch durch offene Autofenster.

Die erste Ausfahrt im Cabrio oder auf dem Rennrad zieht häufig das erste Kratzen im Hals nach sich, denn man merkt im Sommer meist nicht, wie stark sich die Haut abkühlt. Für den Organismus ist das Schwerstarbeit, denn er muss ständig große Temperaturunterschiede ausgleichen. Gerade hat er die Körpertemperatur durch Schwitzen, also über Verdunstungskälte heruntergefahren, da kommt Zugluft oder kalte Luft aus einer Klimaanlage ins Spiel. Durch den Schweiß sinkt die Oberflächentemperatur nun sehr schnell ab. Bevor die Körpertemperatur bedrohlich sinken kann, muss der Organismus wieder ausgleichen.

MÄSSIG, ABER REGELMÄSSIG
Im Sommer ist daher Bewegung angesagt, die den Körper nicht unnötig anstrengt. Sie stärkt das Immunsystem und hilft so, den Sommergrippeviren zu trotzen. Raten Sie Ihren Kunden, sportliche Betätigung draußen in die frühen Morgen- oder in die Abendstunden zu legen, wenn die Temperaturen angenehm sind. Wer länger als eine Stunde Sport treibt, schwächt sein Immunsystem für die nächsten 24 Stunden. Nach dem Sport möchte aber im Sommer niemand für einen ganzen Tag ausruhen, daher sollte die sportliche Aktivität nie mehr als eine Stunde am Stück betragen. Beim ersten Ausflug mit dem Cabrio oder dem Fahrrad sollte man den Kopf warmhalten, vor allen Dingen Hals und Nase sollten vor Fahrtwind geschützt sein. Ein Tag im Freibad ist empfehlenswert, wenn man ihn größtenteils im Schatten verbringt. Auch dort bekommt der Körper noch genug Sonnenlicht ab, um das wichtige Vitamin D zu bilden, das vor Infektionen schützt. Man sollte nicht stundenlang im Wasser bleiben, da der Körper dabei zu stark auskühlt, und auch auf keinen Fall die Badewäsche am Körper trocknen lassen, da es den Organismus sehr schwächt, diese starke Verdunstungskälte ausgleichen zu müssen.

Doch bis dahin ist der Körper womöglich schon wieder praller Sonne ausgesetzt, sodass erneut eine Korrektur nötig ist. Dieses ständige Hin und Her hält den Organismus auf einem hohen Stresslevel, was eine Schwächung des Immunsystems nach sich zieht. Viren, die nun bereits an den trockenen Schleimhäuten wenig Widerstand finden, stoßen auch im Körper auf keine starke Immunabwehr mehr – der geschwächte Organismus wird krank.

Symptome Die Inkubationszeit nach einer Infektion kann bis zu einem Monat betragen, meist treten die ersten Symptome jedoch nach ein bis drei Tagen auf. Es beginnt meist mit Kratzen im Hals oder Kribbeln in der Nase, man fühlt sich schlapp. Hinzu kommen Fieber und allgemeines Unwohlsein, Husten, und häufig noch Durchfall. Kommen Kunden mit diesen Symptomen zu Ihnen in die Apotheke, sollten Sie trotzdem abklären, ob es sich um eine harmlose Sommergrippe handelt oder es eventuell auch eine Heuschnupfenattacke oder gar eine Borreliose sein könnte.

Letztere beginnt ebenfalls mit erkältungstypischen Symptomen und nicht immer zeigt sich nach einem Zeckenbiss die typische Wanderröte um die Bissstelle herum. Fragen Sie Ihre Kunden daher, ob sie sich kürzlich in einem Zeckengebiet aufgehalten haben oder gar eine Zecke an sich gefunden haben. Eine Borreliose gehört sofort in ärztliche Behandlung, denn die Infektion lässt sich, früh erkannt, mit Antibiotika therapieren. Heuschnupfen kann auch in fortgeschrittenem Alter noch auftreten, sodass Ihre Kunden vielleicht gar nicht wissen, dass sie Allergiker geworden sind und ihre Symptome auf eine Sommergrippe schieben.

Fragen Sie nach, denn folgende Symptome weisen eher auf eine Pollenallergie hin:

  • Juckt es sehr stark im Hals?
  • Tritt das Niesen sehr plötzlich auf, mit regelrechten Niesattacken, die draußen schlimmer werden, sich in geschlossenen Räumen und morgens nach dem Duschen aber bessern?
  • Sind die Augen geschwollen, weil sie stark jucken?
  • Ist das Nasensekret transparent?

Wenn Ihre Kunden diese Fragen mit „ja“ beantworten, weist das eher auf eine Pollenallergie als auf einen grippalen Infekt hin. Sie können dann ein Antihistaminikum zur schnellen Hilfe sowie einen Allergietest beim Arzt empfehlen.

Bei Superinfektion sofort zum Arzt Haben Ihre Kunden jedoch Halsschmerzen, sind die Schnupfensymptome schwächer, aber gleichmäßiger, die Augen fiebrig verquollen und ist das Nasensekret nicht durchsichtig, weist das auf eine Sommergrippe hin. Fragen Sie dann nach, wie lange die Beschwerden bereits bestehen und ob Ihre Kunden Fieber haben, sich die Symptome schlagartig verschlimmerten und das Nasensekret womöglich grün-gelblich gefärbt ist. Sollte das der Fall sein, hat sich auf die eigentlich harmlose Sommergrippe womöglich schon eine bakterielle Superinfektion gesetzt.

Das kann leicht passieren, wenn das Immunsystem durch die Vireninfektion ohnehin schon geschwächt ist. In diesem Fall sollten Sie Ihren Kunden den umgehenden Arztbesuch nahelegen, denn hier stößt die Selbstmedikation an ihre Grenzen. Eine Superinfektion kann zu Nebenhöhlenvereiterungen bis hin zu Hirnhautentzündungen, aber auch zu Lungenentzündungen führen. Sie muss so schnell wie möglich mit Antibiotika behandelt werden. Gegen die normalen Sommergrippe-Symptome hingegen helfen keine Antibiotika, da sie nur gegen Bakterien, nicht aber gegen Viren wirksam sind.

Einen Arztbesuch sollten Sie auch Kunden empfehlen, die bereits älter oder immungeschwächt sind. Bei ihnen kann die Sommergrippe schneller zu Komplikationen führen. Achtung! Auch eine echte Grippe, eine Influenza, kann im Sommer auftreten. Im Gegensatz zu einer Erkältung äußert sie sich meist in schlagartig auftretenden, schweren Symptomen wie hohem Fieber, Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen. Mehrere Symptome treten meist gleichzeitig auf, während eine Sommergrippe eher schleichend und meist mit einem Symptom beginnt. Kunden, die eher Beschwerden einer Influenza aufweisen, müssen Sie auch sofort zum Arzt schicken.

Das Bett hüten Haben die Betroffenen jedoch lediglich die Symptome einer herkömmlichen Sommergrippe, können sie diese mit Medikamenten und Hausmitteln relativ leicht kurieren. Das Wichtigste ist Bettruhe, auch, wenn das bei warmen Temperaturen schwer fällt. Doch das Immunsystem braucht unbedingt Ruhe, um sich zu erholen. Je eher und konsequenter man also ein paar Tage Bettruhe einhält, umso schneller ist man wieder auf den Beinen. Eine leichte Decke ist Pflicht, damit der Körper nicht auskühlt. Wer stark schwitzt, muss Bett- und Nachtwäsche häufig austauschen.

Flüssigkeitszufuhr ist unbedingt notwendig, auch, um die ausgetrockneten Schleimhäute wieder mit Feuchtigkeit zu versorgen. Dabei sind lauwarme Tees oder Getränke auf Zimmertemperatur am besten geeignet. Eiskalte Getränke sind tabu. Mindestens drei Liter Flüssigkeit sollten es pro Tag sein, wer viel schwitzt, braucht noch mehr. Die Nasenschleimhaut kann man als Akutmaßnahme auch mit Feuchtigkeitslotion eincremen. Eine Nasendusche hilft ebenfalls, die Schleimhäute zu regenerieren.

Bei einer Sommergrippe helfen auch Halsbonbons mit Salbei oder Honig gegen den schmerzenden Rachen und die Schluckbeschwerden, ebenso wie Gurgeln mit Salzlösung. Darüber hinaus können Sie Ihren Kunden auch Lutschtabletten mit Mineralsalz, Hyaluronsäure oder Isländisch Moos empfehlen.

»Je eher und konsequenter man also ein paar Tage Bettruhe einhält, umso schneller ist man wieder auf den Beinen.«

Je langsamer sie diese im Mund zergehen lassen, desto wirkungsvoller sind sie. Bei trockenem Hustenreiz können hustenstillende Phytopharmaka wie Eibisch oder Spitzwegerich helfen, bei produktivem Husten benötigen Ihre Kunden hingegen schleimlösende Wirkstoffe wie Thymian oder Efeu. Ist die Nasenschleimhaut so stark geschwollen, dass das Atmen massiv beeinträchtigt wird, können Sie Nasensprays empfehlen. Gefäßverengende Sprays dürfen jedoch nicht länger als sieben Tage und auch nur in der Maximaldosierung angewendet werden, da die Gefahr einer Abhängigkeit besteht.

Nicht anfassen! Sommergrippeviren werden wie alle Erkältungserreger durch Tröpfchen- und Schmierinfektionen übertragen. Enteroviren sind dabei sehr umweltresistent, sie können sich bei feucht-warmem Wetter tagelang auf Oberflächen halten. Von dort gelangen sie über die Hände ins Gesicht, an Nase, Mund, Ohren oder Augen. Die Viren können sich aber auch im Wasser gut vermehren. Angebrochene Getränkeflaschen im Auto sind eine Gefahrenquelle, genauso wie nicht gechlorte Schwimmbäder oder Badeseen.

Neben kontaminierten Oberflächen und Wasser finden die Erreger der Sommergrippe, wie alle Erkältungsviren, in Menschenansammlungen optimale Bedingungen. Wer sich schützen will, sollte daher besonders auf gute Händehygiene achten – mehrmals am Tag. Besonders Daumen und Fingerkuppen sollten gründlich gereinigt werden. Wer bereits erkältet ist, kann durch Niesen in die Armbeuge anstatt in die Hand sowie Einmaltaschentücher, die man sofort entsorgt, die Ansteckungsgefahr stark einschränken. Händeschütteln sollte in der Zeit tabu sein. Vor und nach jedem Besuch im häuslichen Krankenzimmer ist gründliches Händewaschen Pflicht, ebenso wie der häufigere Wechsel von Handtüchern und Bettwäsche.

Sonderfall Kind Gerade Kinder kann es in einer Saison mehrmals erwischen – denn ihre Schleimhäute sind noch nicht so widerstandsfähig wie die von Erwachsenen. Kinder haben daher von Natur aus bereits ein höheres Infektrisiko. Dazu kommt, dass sie sich bei schönem Wetter meist unbesorgt draußen bewegen, ohne auf Schutz zu achten. Wichtig ist daher, dass Eltern einer Infektion vorbeugen. Das kann man durch vitaminreiche Ernährung tun, die die Abwehrkräfte des Kindes schützt. Jeden Tag eine Stunde draußen zu verbringen, um den Vitamin-DSpeicher aufzufüllen, kann für Stubenhocker eine gute Vorbeugung sein.

MEIST VERMEIDBAR
Neun von zehn Infektionen ließen sich durch umsichtiges Verhalten umgehen, so die Statistik. Denn einer Sommergrippe wird in den meisten Fällen durch Überlastung des Immunsystems Tür und Tor
geöffnet. Die Viren dringen hauptsächlich über die Schleimhäute im Nasen- und Rachenraum ein. Wenn diese Schleimhäute ihre Funktion als Krankheitskeimwächter nicht mehr erfüllen können, haben die Erreger leichtes Spiel.

Weisen Sie Eltern darauf hin, dass ihr Kind nicht zu nah am geöffneten Autofenster oder direkt vor einer Klimaanlage sitzen sollte. Hat der grippale Infekt das Kind dennoch erwischt, sollten Sie den Eltern raten, unbedingt auf der Bettruhe zu bestehen. Denn das Immunsystem von Kindern ist noch nicht vollständig entwickelt. Es muss die Ruhe bekommen, die entwicklungsphysiologisch notwendig ist, um sich zu erholen. Da Kinder aber nicht gerne krank im Bett liegen, sollten Sie den Eltern empfehlen, sich intensiv um das Kind zu kümmern.

Hausmittel wie Wadenwickel, das Einreiben der Brust oder auch einfach nur die Versorgung mit Flüssigkeit und leichter Nahrung sollte immer auch mit Ansprache und Berührung einhergehen, um dem Kind die Bettruhe so leicht wie möglich zu machen. Hier kann man auch abwägen, ob es sinnvoller ist, starke Symptome eher mit chemischen Arzneimitteln zu bekämpfen, damit sie schneller abklingen und das Kind die Bettruhe so leichter einhalten kann. Der Einsatz von Mundspülungen mit Chlorhexidin kann bei älteren Kindern sinnvoll sein, allerdings muss das Medikament sofort abgesetzt werden, wenn es zu allergischen Reaktionen kommt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 ab Seite 58.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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