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Emotionen

GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR GEFÜHLE

Tagein und tagaus erleben Menschen Emotionen, mal stärker und mal weniger – komplett emotionsfreie Phasen gibt es nicht. Die inneren Empfindungen sind bewusst oder unbewusst, angenehm oder unangenehm, sie können in ihrer Stärke und Dauer variieren.

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Wie wäre das Leben ohne Gefühle? Ohne Traurigkeit, ohne Freude, ohne Angst oder ohne Leidenschaft? Aus psychologischer Sicht sind Emotionen ein komplexes Muster körperlicher und mentaler Veränderungen, bestehend aus kognitiven Prozessen, physiologischer Erregung sowie Verhaltensreaktionen. Sie stellen eine wichtige (Schutz-)Funktion für den Organismus dar, sind angeboren und lebenserhaltend, wenn sie zum Beispiel zur Folge haben, dass Flucht- oder Verteidigungsmechanismen aktiviert werden. Doch nicht alle emotionalen Veränderungen sind angeboren, einige Muster (wie Scham oder Schuld) sind auch sozial erlernt.

Illustration von Gefühlen Emotionen lassen sich durch den Funktionszustand des Gehirns, durch die typische subjektive Befindlichkeit sowie durch die Vorgänge auf der körperlichen Ebene darstellen. Die Prozesse im Gehirn können mit bildgebenden Verfahren oder auf der Basis von elektrophysiologischen Methoden, bevorzugt dem EEG, betrachtet werden. Haben Menschen beispielsweise Angst vor einem zähnefletschenden, knurrenden Hund, steigt der Puls stark an (Reaktion auf der körperlichen Ebene) und man empfindet Angst (subjektive Befindlichkeit). In der Regel beherrscht ein Gedanke die Denkprozesse: „Was mache ich bloß, wenn der Hund mich angreift?“.

Neben den oben erwähnten bildgebenden Verfahren ist es möglich, vegetative und hormonelle Prozesse (wie Schweißausbrüche, Herzrasen oder ein flaues Gefühl in der Magengegend) zu registrieren. Subjektiv erlebte Gefühle lassen sich grundsätzlich nur mittels der Sprache ausdrücken. Motorische Reaktionen wie Mimik und Gestik signalisieren den Kommunikationspartnern die auftretenden Gefühle, außerdem werden handlungssteuernde Programme (Flucht, Kampf) ausgelöst. Zur Erfassung dieser Vorgänge gibt es zahlreiche Methoden wie die reine Verhaltensbeobachtung oder Verfahren der Mimikanalyse oder -kodierung.

Wo entstehen Emotionen? Das limbische System im Gehirn gliedert sich in verschiedene anatomische Strukturen wie den Hippocampus, die Amygdala oder den Gyrus cinguli. Einzelne Bestandteile dieses Systems spielen unter anderem beim Zustandekommen von Gefühlen eine wichtige Rolle. Steht man plötzlich einem wilden Tier gegenüber, wird diese Information über den Thalamus (auch als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet) zur Amygdala, einer mandelförmigen Ansammlung von Nervenzellkörpern, weiter geleitet. Dieser Teil des limbischen Systems beurteilt den Reiz innerhalb kürzester Zeit und aktiviert bei einer drohenden Gefahr über den Hypothalamus und den Hirnstamm (bestehend aus Mesenzephalon, Pons und Medulla oblongata) die physische Angstreaktion.

Im Jahr 2000 hat der Wissenschaftler António Damásio an der University of Southern California untersucht, wo genau die bewussten Gefühle im Gehirn verarbeitet werden. Er stellte fest, dass je nach Art des Gefühls unterschiedliche Hirnbereiche angeregt wurden. Bei Traurigkeit war der Insellappen bedeutsam, bei Glück feuerten hingegen die linke Insel, der rechte Gyrus cinguli, sowie der rechte somatosensorische Kortex verstärkt. Die Insel trägt in der Regel zum Befinden von Ekel oder Abscheu bei, aber auch andere Bewertungsfunktionen wie die Beurteilung von materiellen Vorteilen werden von hier aus gesteuert.

Biochemie der Emotionen

Es besteht kein Zweifel daran, dass bestimmte Neurotransmitter für Emotionen verantwortlich sind. Serotonin spielt etwa bei der Entstehung von positiven Gefühlen eine wichtige Rolle, bei Depressionen wird daher das serotonerge System medikamentös aktiviert. Auch Dopamin ist bei zahlreichen positiven Affekten von Bedeutung: Das Empfinden von Belohnungen ist überwiegend auf eine erhöhte Dopamin-Ausschüttung des Nucleus accumbens zurückzuführen. Der Transmitter ist ebenfalls bei sozial vermittelten, positiven Eindrücken wie zum Beispiel Verliebtheit im Spiel.

Auch die Interaktionen zwischen Hormonen und Emotionen sind vielfältig: Zwischen Testosteron und Aggression scheint ein Zusammenhang zu bestehen, Oxytocin scheint Empathie, Vertrauen und Sicherheit zu fördern, während Prolaktin unter Umständen in erhöhten Konzentrationen zu depressiven Verstimmungen führt. Menschen erkennen in der Regel sofort, ob ihr Gegenüber wütend, ängstlich oder angeekelt ist. Bereits Charles Darwin (1809–1882) schrieb der Mimik als Kommunikationsmittel eine besondere Bedeutung zu.

In seinem Buch „The Expressions of the Emotions in Man and Animal“ beschrieb er die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Emotionen, die er bei Menschen und Tieren beobachtete. Mimik sei seiner Ansicht nach ein wichtiges Mittel, um dem Interaktionspartner den eigenen emotionalen Zustand zu signalisieren. Darwin vertrat außerdem die These, dass der Emotionsausdruck des Menschen evolutionär angelegt sei. Eine weitere Emotionstheorie ist die von William James und Carl Lange.

Sie besagt, dass Gefühle Begleiterscheinungen körperlicher Prozesse seien. Die Zwei-Faktoren-Theorie von Stanley Schachter geht davon aus, dass Emotionen als das Ergebnis physiologischer Erregung sowie einer dazu passenden Kognition verstanden werden können: Nachdem körperliche Symptome bemerkt wurden, suchen Betroffene die zugrunde liegende Ursache.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 146.

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