Mikrobiota © Dr_Microbe / iStock / Thinkstock
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Darmassoziiertes Immunsystem

FREUND ODER FEIND

Der Darm ist nicht nur ein Resorptions- und Ausscheidungsorgan. Dort ist auch ein großer Teil unseres Immunsystems lokalisiert – lymphatisches Gewebe in der Schleimhaut, das von der Darmmikrobiota unterstützt wird.

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In der Bindegewebsschicht der Darmschleimhaut befinden sich Lymphknoten und verschiedene Immunzellen, wie Makrophagen und Antikörper- produzierende Zellen. Man spricht vom darmassoziierten Immunsystem oder GALT (gut associated lymphoid tissue). Die Zellen stehen untereinander in Kontakt und kommunizieren über Botenstoffe miteinander. Auf dieser Ebene laufen komplexe Prozesse der spezifischen und unspezifischen Immunabwehr ab. Gleichzeitig besteht eine enge Anbindung an das Blut- und Lymphsystem. Das darmassoziierte Immunsystem ist über diese Systeme mit anderen Teilen der körpereigenen Abwehr vernetzt, um pathogene Eindringlinge im übergreifenden Zusammenspiel abzuwehren. Gleichzeitig muss es aber tolerant sein gegenüber körpereigenen Zellen und den nützlichen Mikroorganismen im Darm.

Intestinale Mikrobiota Über die Oberfläche des Darmes findet man die unterschiedlichsten Angaben. Tatsache ist aber, dass vor allem der Dünndarm mit seinen vielen Falten, Zotten und Microvilli eine sehr große Oberfläche hat. Dort leben Billionen von Mikroorganismen – ein komplexes Ökosystem verschiedenster Bakterien, aber auch Pilze findet man hier. Die Bezeichnung Darmflora gilt als veraltet, da sie aus einer Zeit stammt, als man Bakterien und andere Mikroorganismen dem Pflanzenreich zuordnete. Heute spricht man korrekt von der Darmmikrobiota oder der intestinalen Mikrobiota.

Das Darmmilieu eines Erwachsenen setzt sich aus aeroben und anaeroben Keimen zusammen. Zu den vorwiegend aeroben Keimen gehören zum Beispiel Escherichia coli, Enterobacter-, Enterococcus- und Pseudomonas-Spezies. Anaerob sind unter anderem Bifidobacterium-, Lactobacillus- und Clostridium-Spezies. Man weiß schon seit einiger Zeit, dass die intestinale Mikrobiota eine wichtige Rolle für das darmassoziierte Immunsystem spielt. Es dient ihm in gewisser Weise als Trainingspartner, der den Zellen beibringt, richtig auf Fremdstoffe zu reagieren – einerseits sind die Darmbakterien an der Reifung und Aktivierung von Immunzellen beteiligt, andererseits lernen die Immunzellen durch sie zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Forscher der Ludwig-Maximilians- Universität München haben nun einen Mechanismus gefunden, wie es zu der immunologischen Toleranz gegenüber der intestinalen Mikrobiota kommt. Entscheidend sind hier offenbar sogenannte Dendritische Zellen. Sie sammeln in der Darmschleimhaut Proteine der erwünschten Bakterien und wandern damit zu den Lymphknoten, die den Darm versorgen. Dort präsentieren sie an ihrer Oberfläche kleine Ausschnitte dieser Proteine und halten quasi das Immunsystem auf dem Laufenden über Oberflächenantigene, die toleriert werden sollen.

Dysbiose Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota ist allerdings nicht statisch, sie kann sich verändern. Durch Fehlernährung, Stress, hohes Alter, Krankheiten, wie Diabetes, oder Medikamenteneinnahme kann es zu einer Dysbalance kommen. Dann ist auch das Verhältnis von physiologischen zu pathogenen Keimen gestört. Häufig ist die Einnahme von Antibiotika Ursache für eine solche Fehlbesiedlung oder Dysbiose. Sichtbare Anzeichen sind Antibiotika-assoziierte Durchfälle. Eine besonders gefürchtete Komplikation ist die Infektion mit Toxin-produzierenden Clostridium difficile- Stämmen, da dieser pathogene Keim inzwischen gegen die meisten Antibiotika resistent ist.

Aber auch pathogene Escherichia coli-Stämme, wie enterohämorrhagische (EHEC), enteropathogene (EPEC) und enterotoxische (ETEC) E.coli können den Darm im Falle einer Dysbiose leicht besiedeln. Sie sind weltweit die Auslöser schwerer Diarrhöen. Viral bedingte Darminfektionen können mit einer Verkürzung der Darmzotten einhergehen – je nach verursachendem Erreger – auch Darmzellen zerstören. Dies kann wiederum zu einer mangelhaften Aufnahme verschiedener Nährstoffe führen.

Probiotika Darunter versteht man lebende Mikroorganismen, die bei oraler Aufnahme einen positiven Effekt auf die Gesundheit ausüben. Sie unterstützen das Immunsystem, die Balance zwischen notwendigen und überschießenden Reaktionen zu erhalten oder wiederzufinden. Mittlerweile wurden etliche positive Effekte von Probiotika auf das darmassoziierte Immunsystem entdeckt. Die drei am häufigsten eingesetzten und am besten untersuchten Probiotika sind Laktobazillen, Bifidobakterien und Saccharomyces. Zahlreiche Studien gibt es zu Saccharomyces boulardii, einer speziellen Arznei- Hefe.

Sie stabilisiert die intestinale Mikrobiota und aktiviert das Immunsystem des Darmes. Kapseln mit gefriergetrockneten S. boulardii werden präventiv und im Akutfall bei Diarrhöen unterschiedlicher Genese eingesetzt. So eignen sie sich beispielsweise zur Vorbeugung von Reisedurchfällen. Im Akutfall sind sie in der Lage, verschiedene bakterielle Toxine, beispielsweise das von Clostridium difficile, unschädlich zu machen. Gleichzeitig hemmen sie auch das Wachstum dieser Keime. Ebenso wirken sie einer viral bedingten Diarrhö entgegen.

Ein Review aus dem Jahr 2014 von verschiedenen Studien zeigt zudem, dass – protektiv eingenommen – bei der überwiegenden Mehrzahl der Probanden eine Antibiotika- assoziierte Diarrhö verhindert werden konnte. Gleichzeitig wird die Darmmikrobiota geschützt. In einer weiteren Studie konnte nämlich gezeigt werden, dass während einer Antibiotika-Therapie durch zeitgleiche Einnahme von S. boulardii der zu erwartende Rückgang der mikrobiellen Population verringert werden konnte.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 92.

Sabine Breuer, Apothekerin /Redaktion

Diese Studien zu S. boulardii wurden mit lyophilisierten Kulturen in Arzneimittelqualität (Perenterol®) durchgeführt und sind nicht auf andere Hefepräparate übertragbar.

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