Frau hält sich mit beiden Händen den Kopf. Sie hat starke Kopfschmerzen© Kateryna Onyshchuk / iStock / Getty Images Plus
Menschen, die unter Migräne leiden, haben oft starke Schmerzattacken. Neben bereits drei bestehenden Antikörpern zur Prophylaxe, könnte nun bald ein weiterer Antikörper dazukommen.

Europäische Arzneimittelagentur (EMA)

WEITERER ANTIKÖRPER GEGEN MIGRÄNE EMPFOHLEN

Menschen, die unter Migräne leiden, haben nicht nur starke Schmerzattacken, sondern sind auch oft in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Ein weiterer Antikörper könnte nun schon bald zur Migräne-Prophylaxe angewendet werden, denn die EMA hat eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen.

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Bislang standen betroffenen Patienten bereits drei CGRP-Antagonisten zur Prophylaxe zur Verfügung. Nach dem „Go“ des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA gesellt sich mit Eptinezumab (Vyepti® von Lundbeck) ein weiterer Antikörper hinzu. Im Gegensatz zu den drei bisherigen Antikörpern, die subkutan gespritzt werden, würde Eptinezumab intravenös infundiert. Außerdem könnte der künftige Antikörper zur Akuttherapie bei einer Migräneattacke eingesetzt werden. Jetzt muss nur noch EU-Kommission ihre Zustimmung geben und dann wäre die monoklonale Antikörperfamilie zu viert. 

Aber für wen ist dieses neue Präparat genau gedacht? Wie bei den drei Vorgängern auch soll Eptinezumab für Erwachsene mit mindestens vier Migräneattacken pro Monat zugänglich sein. Wie wir bereits erfahren haben, liegt das neue Präparat als Konzentrat für eine Infusionslösung vor, die alle drei Monate gegeben werden kann. Die Behandlungsdauer liegt bei rund 30 Minuten. Bei Eptinezumab handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der an das Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP) bindet und so dessen Wirkung am gleichnamigen Rezeptor unterbindet.
 

Studien PROMISE-1 und PROMISE-2

An den beiden Phase-III Studien nahmen insgesamt etwa 2000 Migräne-Patienten teil, die entweder 100 oder 300 Milligramm (mg) Eptinezumab bekamen. Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit standen bei den Untersuchungen im Vordergrund. Laut Hersteller Lundbeck trat die Wirkung der Infusion bei manchen Probanden bereits am ersten Tag nach der Behandlung auf. Primäres Ziel der Studien war es, eine Verringerung der Kopfschmerztage innerhalb von zwölf Wochen zu erreichen. 

In der PROMISE-2-Studie konnte festgestellt werden, dass sich die Anzahl der Migränetage im Durchschnitt von 16,1 um 5,6 Tage unter Placebo, um 7,7 Tage unter 100 mg Eptinezumab und unter 300 mg um 8,2 Tage verringerte. Die Unterschiede zu Placebo waren statistisch signifikant. 
Es kam in der gleichen Untersuchung aber auch zu Nebenwirkungen, wie alle drei Gruppen berichteten. 46,7 Prozent der Placebogruppe, 43,5 Prozent der 100-mg-Verumgruppe und 52,0 Prozent der 300-mg-Verumgruppe klagten über Begleiterscheinungen wie Nasopharyngitis, also eine Entzündung der Nasen- und Rachenschleimhaut, sowie Überempfindlichkeitsreaktionen. Schaut man sich die Nebenwirkungsrate in Zahlen an, so trat eine Nasopharyngitis unter Gabe von 300 mg Eptinezumab bei acht Prozent auf und bei Gabe von 100 mg waren es noch sechs Prozent. Es gab auch Migräne-Patienten, die aufgrund von Nebenwirkungen die Studie abbrachen. Hier lag die Quote bei 1,9 Prozent. 

Bereits verfügbare Antikörper zur Migräne-Prophylaxe
Erenumab (Aimovig® von Novartis) war der erste zugelassene CGRP-Inhibitor. Er kam in Deutschland im November 2018 auf den Markt. Erenumab steht als Fertigpen und Fertigspritze zur subkutanen Anwendung durch den Patienten selbst zur Verfügung. Es muss einmal pro Monat gespritzt werden.
Galcanezumab (Emgality® von Eli Lilly) folgte im April 2019. Dieser Antikörper ist ebenfalls als Fertigpen und Fertigspritze für die subkutane Eigenanwendung verfügbar und muss ebenfalls einmal im Monat appliziert werden. Es gibt einen leichten Unterschied im Wirkmechanismus: Während Erenumab den CGRP-Rezeptorkomplex blockiert, bindet Galcanezumab an CGRP selbst und blockiert dessen biologische Aktivität.
Fremanezumab (Ajovy® von Teva) kam im Mai 2019 auf den Markt, ebenfalls als Fertigpen und Fertigspritze zur subkutanen Eigenanwendung. Es kann monatsweise oder sogar nur quartalsweise gespritzt werden. Wie Galcanezumab bindet Fremanezumab an CGRP selbst und verhindert so dessen Bindung an seinen Rezeptor.

 

Einsatz zur Akuttherapie bei Migräneattacken

Ergebnisse einer Untersuchung mit 480 Probanden, die im Juni diesen Jahres im Fachjournal „JAMA“ veröffentlicht wurde, deuten darauf hin, dass der neue Antikörper auch zur Beendigung einer akuten Migräneattacke angewandt werden könnte. Alle 480 Teilnehmer kamen aufgrund ihrer Krankheitsgeschichte mit mindestens vier Migräne-Attacken im Monat für eine solche Maßnahme in Frage. Eine Infusion mit der niedrigeren Dosis (100 mg Eptinezumab) erfolgte innerhalb von ein bis sechs Stunden nach Beginn einer moderaten bis schweren Attacke. 
Es konnte festgestellt werden, dass die Migräneattacken wesentlich schneller abklangen. Hier stehen vier Stunden den neun Stunden aus der Placebo-Gruppe gegenüber. Auch bei anderen Symptomen, wie beispielsweise Übelkeit, konnte ein schnelleres Abklingen festgestellt werden (zwei versus drei Stunden).

Bereits zwei Stunden nach der Infusion waren 23,5 Prozent der Patienten, die eine Eptinezumab-Infusion erhalten hatten, kopfschmerzfrei. Bei der Placebo-Gruppe waren es lediglich zwölf Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer der Verumgruppe (55,5 %) waren andere störende Symptome ebenfalls bereits nach zwei Stunden verschwunden. Bei der Placebogruppe lag der Wert nur bei 35,8 Prozent. Diejenigen, die eine Eptinezumab-Infusion erhalten hatten, benötigen signifikant auch weniger Akutmedikamente um die Migräneattacke innerhalb von 24 Stunden in den Griff zu bekommen (31,5 versus 59,9 Prozent). Die Zulassungsempfehlung der EMA beinhaltet jedoch nicht die Akuttherapie bei Migräne. 

Quelle: Pharmazeutische Zeitung
 

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