Bei Gallensteinen handelt es sich in der Regel um Cholesterinkristalle. © Dr_Microbe / iStock / Getty Images Plus

Gallensteine | Bauch

ENTSTEHUNG DER GALLENSTEINE ENTSCHLÜSSELT

Steine im Körper – das klingt zwar irgendwie komisch, kommt aber immer wieder vor und ist schmerzhaft dazu. Wie sie allerdings genau entstehen, war bislang unbekannt. Forscher sind dem Geheimnis nun auf die Spur gekommen.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland und rund 25 Millionen Amerikaner kennen die schmerzhaften Koliken, die Gallensteine auslösen können. Die Ablagerungen können sogar zu lebensbedrohlichen Entzündungen im Bauchraum führen. Nicht selten bringen Gallensteine einen Krankenhausaufenthalt mit sich, bei dem die Fremdkörper chirurgisch entfernt werden müssen. Obwohl diese Erkrankung keine Seltenheit ist, war über die Entstehung bislang nur sehr wenig bekannt. Sicher war und ist, dass Kristalle an der Bildung der Steine beteiligt sind. Bei den Gallensteinen sind es in der Regel Cholesterinkristalle. Wie genau nun aber daraus ein Stein wird, dass wollte das Forscherteam der Medizinischen Kliniken 1 und 3 am Universitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) nun genau unter die Lupe nehmen.

Dabei ging das Team um Dr. Luis Munoz, Sebastian Böltz und Prof. Dr. Martin Herrmann von der Medizinischen Klinik 3, die im Sonderforschungsbereich 1181 sowie im Deutschen Zentrum für Immuntherapie (DZI) zusammenarbeiten und dabei von einem Team um Dr. Moritz Leppkes und Prof. Dr. Markus F. Neurath, Medizinische Klinik 1 der FAU, unterstützt wurden, einen unkonventionellen Weg, der sie in Museen, Schlachthöfe und Operationssäle führte. In ihr Untersuchungsspektrum fielen Steine aus der Museumssammlung der Charité Berlin, Gallenflüssigkeit von Schweinen vom Schlachthof ebenso wie Gallenflüssigkeit von Patienten, die einen operativen Eingriff im Bauchraum gehabt hatten. In der Eingangsuntersuchung des ihnen zur Verfügung stehenden Materials gelang den Forschern mittels modernster Methoden eine überraschende Entdeckung: Sämtliche Gallensteine waren übersäht mit Spuren einer speziellen Form weißer Blutkörperchen – den neutrophilen Granulozyten. Diese Zellen werden als erste Abwehrfront des Körpers angesehen. Die Alarmglocken läuten nicht nur bei Bakterien und anderen Keimen, sie stufen auch Kristalle als gefährlich ein. Wollen die Granulozyten diese allerdings aufnehmen, sterben sie beim Versuch und stülpen ihre Erbsubstanz wie ein Netz über die Kristalle. In der Folge verklumpt dieses Netz und es entstehen Steine, die teilweise erstaunliche Ausmaße annehmen können.

„Wir beobachteten, dass die freigesetzten Netze in der bereits klebrigen Gallenflüssigkeit Kalzium- und Cholesterinkristalle verklumpen und so Gallensteine geformt werden. Wird die Bildung von Netzen pharmakologisch gehemmt, kann die Gallensteinbildung stark verringert oder sogar aufgehoben werden“ erklärt Dr. Munoz. Aufgrund dieser Neuentdeckung ist man nun in der Lage, neue Behandlungsmöglichkeiten von Gallensteinen zu entwickeln. Ein einfacher pharmakologischer Ansatzpunkt könnte dabei interessant sein: die Verwendung von Metoprolol. Der Beta-Blocker wird bereits seit Jahren erfolgreich bei der Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt. Der Wirkstoff hindert aber auch neutrophile Granulozyten daran, aus der Blutbahn in das Gewebe zu kommen und reduziert so die Kapazität, Netze und somit Gallensteine zu bilden. Zudem sind bereits sogenannte PAD-Hemmer bekannt. Dabei handelt es sich um spezifische Hemmer der Netzbildung von neutrophilen Granulozyten, die äußerst effizient die Bildung von experimentell-induzierten Gallensteinen hemmen und somit die Bedeutung des Immunsystems bei der Bildung solcher Strukturen beweisen konnten. Ein solcher Prozess ist in den Augen der Wissenschaftler auch bei anderen Steinleiden wie Nieren- oder Speicheldrüsensteinen entscheidend.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

×