© richardlyons / fotolia.com

Entschlackung

ENDE EINES MYTHOS?

Eine ganze Volksbewegung will zur Fastenzeit wieder durch radikalen Nahrungsverzicht den Körper von „Schlacken” und ein paar überflüssigen Pfunden befreien – so einfach geht es aber nicht …

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Der Irrtum, dass sich im Körper Schlacken und Ablagerungen von Stoffwechselprodukten ansammeln, die kurmäßig entfernt werden sollten, ist immer noch weit verbreitet. Der Arzt Otto Buchinger – Begründer des Heilfastens – verglich in den 1930er-Jahren den Körper und besonders den Darm mit einem Ofen, der ab und zu gründlich von seinen Schlacken gereinigt werden muss, um wieder besser zu ziehen.

Muss der Mensch entschlacken? Ein klares Nein! Der Vergleich des menschlichen Darms mit einem steifen Ofenrohr kann nicht stimmen, denn: Der Darminhalt wird durch etwa sieben Liter Verdauungssäfte zersetzt und Muskeln permanent in Bewegung gehalten. Da der Dünndarm immerzu Zellen abstößt, kann sich auch nichts an „Giftstoffen” festsetzen. Dies ist ein natürlicher Vorgang, der bei einer gesunden, vollwertigen Ernährung und ausreichender Flüssigkeitszufuhr von etwa anderthalb bis zwei Litern pro Tag optimal funktioniert. Endprodukte des Stoffwechsels werden in Leber und Niere abgebaut und über den Darm, die Niere und die Haut ausgeschieden.

Der menschliche Körper ist ein komplexes Wunderwerk, das Tag und Nacht alles aussortiert, was nicht hineingehört – ganz ohne externes Zutun. Eine „Verschlackung” ist aus medizinischer Sicht auch nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung medizinisch nicht nachweisbar – eine „Entschlackung” somit nicht begründbar.

Subjektive Erfahrungen der Fastenden eines in den ersten Tagen stark auftretenden Körpers- und Mundgeruch sind nicht auf eine vermeintliche „Entgiftung” zurückzuführen. Beim Hungerstoffwechsel entsteht natürlicherweise Acetessigsäure, was beispielsweise zu deutlichem Mundgeruch nach Aceton führt. Auch die Hochgefühle, die beim Fasten häufig auftreten, entstehen nicht aus einer körperlichen Reinigung heraus, sondern durch die Bildung von Endorphinen, die durch Notsituationen wie Verletzungen und extremen Nahrungsmangel helfen sollen.

Macht Fasten schlank? Für eine nachhaltige und gesunde Gewichtsreduktion ist Fasten (z. B. Saft-, Molke- oder Heilfasten nach Buchinger) ungeeignet. Durch die radikale Kostreduktion kommt es zu einem Eiweißmangel, der in erster Linie Muskeln abbaut, aber kaum an die Fettreserven geht. Dabei purzeln in der Tat Pfunde, was der Fastende als positiven Effekt wertet, jedoch die „falschen”.

DETOX: REINE GESCHÄFTEMACHEREI?
Auch Detox-Diäten und Produkte versprechen, schnell an Gewicht zu verlieren. Es ist im Grund eine moderne Form des traditionellen Heilfastens, bei dem der Körper von „Giften und Schlacken” befreit werden soll. Viele Hollywoodstars schwören auf die Diät. Detox-Fasten bringt jedoch ebenso wenig zur vermeintlichen Entschlackung wie die alten Versionen. Detox-Produkte hingegen bringen vor allen Dingen den Herstellern etwas: Es füllt ihre Taschen. Detox-Tees, Pulver, Pflaster wie Fußbäder verfügen über keinerlei entgiftende Effekte. Die Braunfärbung von Pflaster und Fußbädern resultiert beispielsweise nicht aus einer Reinigung der Haut von Dreck und „Giften”, sondern aus einem chemischen Prozess der Inhaltsstoffe mit dem Wasser des Fußbades oder dem Fußschweiß am Pflaster.

Jede extreme Kostreduktion ist für den Körper eine Art „Ausnahmezeit” und stellt dann als Notprogramm auf den so genannten Hungerstoffwechsel um. Er fährt dann auf Sparflamme. Stellt der Fastende dann wieder auf normale Kost um und verfällt wieder in alte Lebensgewohnheiten, legt der Körper Polster für die nächste „Hungersnot” an: der berühmte Jo-Jo-Effekt! So sollte die Fastenzeit nicht länger als zwei Wochen betragen und der Körper sollte sich schleichend und in kleinen Portionen wieder an die normale Kost gewöhnen.

Gibt es Nebenwirkungen oder Kontraindikationen? Eine Fastenkur ist nicht für jeden geeignet. Neben Kindern, Schwangeren und Stillenden sollten auch Personen nicht fasten, die an einer Essstörung wie Kachexie oder Anorexia nervosa leiden. Fasten erhöht zudem bei Patienten mit erhöhten Purinspiegeln das Risiko eines akuten Gichtanfalls. Starkes Fasten kann darüber hinaus zu Nierensteinen, Kreislaufstörungen, Schwindel, Schweißausbrüchen, Herzrhythmusstörungen und Blutdruckabfall führen und die Wirkung von Medikamenten beeinflussen.

Wer sich für eine Fastenkur entscheidet, sollte dies unbedingt mit dem Arzt besprechen und immer zuerst seinen Gesundheitszustand untersuchen lassen. Die Kur selber sollte dann entweder unter ärztlicher Kontrolle zu Hause, bestenfalls in einer professionellen Einrichtung stattfinden. Interessierte können sich auf der Homepage der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung e.V. (www.aerztegesellschaftheilfasten.de) über Therapiezentren, Verfahren, Indikationen und Kontraindikationen informieren.

Sinnvollerweise wählen Fastende eine Einrichtung mit Gleichgesinnten, in denen sie neben Bewegungs- und Entspannungseinheiten auf durch Massagen, Sauna & Co. für ein paar Tage die alltägliche Hektik vergessen können. Häufiges Fasten kann auch dazu verführen, bei einem ansonsten ungesunden Lebensstil mit Alkohol, Nikotin, ungesunder Ernährung und wenig Bewegung das schlechte Gewissen zu beruhigen – in dem Glauben: Die nächste Fastenkur vernichtet wieder die Sünden der letzten Monate.

Welche positiven Effekte bringt das Fasten? Wer die Fastenkur als Impuls für eine gesündere Lebensweise mit Bewegung und einer langfristige Ernährungsumstellung nutzt und nicht sofort wieder in die alten Lebensgewohnheiten verfällt, für den kann es ab und an eine Bereicherung und „Erinnerung” sein. So sollten die Erwartungen nicht zu stark auf die den kurzfristigen Gewichtseffekt beziehungsweise die Reinigung des Körpers gelegt werden. Vielmehr steht die „geistige Reinigung” und Entschleunigung im Vordergrund. Sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen, kann vielleicht eher als Entschlackung bezeichnet werden als das, was im Körper vor sich geht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 auf Seite 124.

Andrea Pütz, PTA und Dipl. Oec. Troph

×