© Leslie Banks / 123rf.com

PTA-Fortbildung 03/12

DURCHFALL: AUS DEM GLEICHGEWICHT

Diarrhöen haben vielfältige Ursachen. Sie sind ein wichtiges Beratungsthema in der Apotheke. Bringen Sie sich fachlich auf den aktuellen Stand in Sachen Prophylaxe, Ursachen, Therapie und Möglichkeiten der Selbstmedikation.

Seite 1/1 16 Minuten

Seite 1/1 16 Minuten

Laut Bericht der Weltgesundheitsorganisation zählen Durchfallerkrankungen zu den fünf häufigsten Todesursachen weltweit. Insbesondere in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens sterben viele Menschen an solchen, die durch mangelnde Hygiene bei der Lebensmittelzubereitung oder durch verseuchtes Trinkwasser hervorgerufen werden. Weltweit kamen im Jahr 2008 2,46 Millionen Menschen, darunter viele Kinder und Säuglinge an den Folgen der Diarrhö zu Tode.

Aber auch im Alter sind die Auswirkungen in Form von Dehydratation und Elektrolytmangel ein massives Gesundheitsrisiko. In unseren Breiten ist diese Gefahr deutlich geringer – dennoch sollten akute und chronische Durchfälle ernst genommen und richtig behandelt werden. Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung hat mindestens ein Mal im Jahr damit zu tun. Häufig ist es ein harmloser Infekt, der nach einigen Tagen überstanden ist. Dennoch haben die Betroffenen ein deutliches Krankheitsgefühl und suchen in der Apotheke Medikamente zur Linderung der Beschwerden. In den anderen Fällen – chronische Durchfälle seit Tagen oder mehreren Wochen – ist es die Aufgabe von Apotheker und PTA, die Patienten zur weiteren Abklärung zum Arzt zu schicken.

Wie funktioniert der Darm? Jeden Tag produziert der Körper etwa sieben Liter Verdauungssaft bestehend aus Speichel, Magensaft, Galleflüssigkeit, Bauchspeicheldrüsen- und Dünndarmsekret. Gut durchmischt, geht die aufgenommene Nahrung ihren Weg durch den Magen-Darm-Trakt. Dünn- und Dickdarm sind wichtige Abschnitte des Verdauungssystems. Hier wird der aus dem Magen kommende Nahrungsbrei mit Verdauungsenzymen versetzt und in resorbierbare Stoffe aufgespalten. Fette werden bis in die einzelnen Fettsäuren, Proteine in ihre Aminosäuren und komplexe Kohlenhydrate in einfache Zuckermoleküle zerlegt.

Die Oberfläche der Darmschleimhaut beträgt etwa 200 bis 300 Quadratmeter. Sie erhält ihre große Fläche aufgrund ihrer zahlreichen Falten und Darmzotten. So gewährleistet sie die Aufnahme von Nährstoffen in das Blut und die Rückresorption des Wassers aus den Verdauungssäften. Damit der Körper nicht zu schnell dehydriert, wird dem Speisebrei während der Dünndarmpassage etwa 80 Prozent des Wassers entzogen. Der übrige Teil wird im Dickdarm zurückgenommen. Am Ende verringert sich das Gewicht des Darminhalts auf durchschnittlich 100 bis 150 Gramm pro Tag.

Gelangt der eingedickte Stuhl in das Rektum, werden Dehnungsrezeptoren in der anorektalen Darmwand erregt und der Defäkationsreiz ausgelöst. Die Schließmuskeln erschlaffen und die Entleerung des Darminhaltes kann erfolgen. Während Kinder bis zum Alter von zwei Jahren diese nicht kontrollieren können, sind gesunde ältere Menschen in der Lage, die Stuhlabgabe willentlich durch kräftige Kontraktion der Schließmuskulatur zu steuern und auch herauszuzögern. Dies ist übrigens im Rahmen von Durchfallerkrankungen häufig nicht möglich.

Definition Der Begriff „Diarrhö” leitet sich vom griechischen Wort diárrhoia aus diá „durch” und rhéo „fließen” ab und beschreibt die typischen Charakteristika einer Erkrankung: die häufige Abgabe dünnflüssigen Stuhls. Durchfall ist ein Symptom einer Vielzahl mehr oder weniger schwerer Erkrankungen. Der größte Teil ist infektiös bedingt.

Bei Erkrankungen des Dünndarms oder der oberen Darmabschnitte werden große Stuhlmengen mit hohem Wasseranteil abgegeben. Sind eher die unteren Kolonabschnitte betroffen, treten häufige Entleerungen mit kleineren Stuhlmengen auf. Bei jedem Menschen verlaufen die Darmentleerungen individuell verschieden ab. Auch die Einschätzung dessen, was gesund und „normal” ist, ist sehr unterschiedlich. Stuhlentleerungen zwischen drei Mal pro Woche und drei Mal täglich als geformter Stuhl mittlerer Konsistenz sind aus medizinischer Sicht normal.

EIN AUSGEKLÜGELTES SYSTEM
Die Rückresorption von Wasser aus dem Darmlumen über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf erfolgt über das Prinzip der passiven Diffusion. Dabei wird Wasser entlang des Natriumgradienten aus dem Lumen in die Darmzellen transportiert. Das Enzym Na+/K+–ATPase sorgt für den Austausch von Natrium aus der Darmzelle in die Zellzwischenräume. Um den Natriummangel in der Zelle nun wieder auszugleichen, strömt Natrium aus dem Darmlumen zusammen mit Wasser nach. Die aktive Aufnahme von Natrium in die Schleimhautzellen des Darms erfolgt über verschiedene transmembrane Transportproteine (Carrier) gemeinsam mit Substanzen wie Glukose, Galaktose und Aminosäuren oder Ionen, wie Wasserstoff (H+) und Chlorid (Cl–)-Ionen.

Bei einer Diarrhö erhöhen sich Stuhlfrequenz und -menge. Dabei verändert sich auch die Zusammensetzung, es kommt vermehrt zu Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten. Normalerweise entzieht der Körper dem Stuhl vor der Abgabe so viel Flüssigkeit wie möglich, sodass im Durchschnitt pro Tag etwa 100 Milliliter Wasser bei der Darmentleerung ausgeschieden werden. Bei schweren Verläufen verlieren die Betroffenen mehrere Liter Flüssigkeit pro Tag! Massive Dehydratation und damit eine gesundheitliche Gefährdung der erkrankten Person ist die Konsequenz.

Ursachen Durchfälle sind die Folge von Infektionen, Lebensmittelunverträglichkeiten, Nebenwirkung von Medikamenten, Lebensmittelvergiftungen oder chronischen Erkrankungen. In vielen Fällen ist der Grund aber nicht bestimmbar. Generell wird bei der Einteilung von Durchfallerkrankungen zwischen den akuten und chronischen Formen unterschieden. Akute Diarrhö wird in den meisten Fällen durch bakterielle oder virale Infektionen ausgelöst. Sie sollte nicht länger als zwei bis vier Wochen dauern.

Der Volksmund benennt diese Symptome mit „Magen-Darm-Grippe” oder „Brechdurchfall”. Die Hauptsymptome der Patienten sind krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit Schlappheit und mehrmals tägliche Entleerung ungeformter, wässriger Stühle. Manchmal tritt auch Fieber auf. Infektiöse Durchfälle verlaufen in unseren Breiten überwiegend harmlos. In der Regel werden die Erreger gar nicht identifiziert, weil die Symptome nach einigen Tagen von alleine wieder abklingen.

Für Kinder und alte Menschen besteht eine größere Gefahr für Komplikationen in Folge von Elektrolytmangel und Dehydratation. Die Übertragung geschieht meistens über Nahrungsmittel, besonders Geflügel, Fisch oder Milchprodukte. Auch mangelnde Hygiene und die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch können Auslöser für eine infektiöse Durchfallerkrankung sein. Meistens treten die ersten Krankheitsanzeichen bereits wenige Stunden nach Kontakt mit dem Erreger auf. Pathogene Erreger sind meistens Bakterien und Viren, sehr selten auch Parasiten, zum Beispiel Würmer. Tritt die Diarrhö auf einer Fernreise auf, ist das mögliche Erregerspektrum sehr groß und unterscheidet sich stark in Abhängigkeit vom Urlaubsland.

Lebensmittelvergiftungen lösen Durchfälle aus, wenn Bakterien, zum Beispiel Stapyhlococcus aureus, Clostridium perfringes und Bacillus cereus oder deren Toxine über verdorbene Speisen in den Darm gelangen. Die Toxine bringen das sensible Gleichgewicht der Wasserrückresorption aus dem Lot, reizen die Darmschleimhaut und führen zu akutem Erbrechen und Diarrhö. Meistens beginnen die Beschwerden nur wenige Stunden nach dem Essen. Übrigens werden einige der Toxine auch durch ausreichendes Erhitzen der Speisen nicht unschädlich gemacht.

Als chronisch wird Durchfall bezeichnet, wenn er länger als drei Wochen dauert und immer wieder auftritt. Häufig ist eine chronische Vorerkrankung wie zum Beispiel eine entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) die Ursache. Chronische Beschwerden müssen von einem Arzt untersucht werden. Zu den Auslösern einer chronischen Diarrhö zählen auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder das Reizdarmsyndrom. Erstere machen sich oft durch Verdauungsstörungen, wie Durchfälle oder Meteorismus, bemerkbar.

Unter den nicht-allergischen Nahrungsmittelintoleranzen ist die Lactoseintoleranz am häufigsten vertreten. Nahrungsmittelallergien (z. B. auf Hühnerei, Nüsse oder Fisch) äußern sich außerdem oft auch in zusätzlichen Begleitsymptomen wie Hautjucken, Fließschnupfen bis hin zu Luftnot. Hier handelt es sich im Gegensatz zur Intoleranz um eine überschießende Reaktion des Immunsystems.

eine schüssel milch, in die ein tropfen fällt.
Milch kann bei Personen mit einer Laktoseintoleranz Durchfälle hervorrufen

Das Reizdarmsyndrom(RDS) geht einher mit Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Bauchschmerzen. Für die Betroffenen ist die Erkrankung eine erhebliche psychische Belastung, zumal sie häufig wegen der wechselnden Symptomatik nicht ernstgenommen werden. Durchfälle sind allerdings nur ein Beschwerdebild und treten nicht konsistent auf. Sie werden symptomatisch mit Antidiarrhoika behandelt. Die medikamentöse Therapie zielt vorrangig auf eine Regulierung des Stuhlgangs und Linderung der schmerzhaften Motilitätsstörungen ab.

Bakterielle Durchfallerreger Der weltweit häufigste Erreger ist Campylobacter jejuni. Die Übertragung verläuft über fäkal- orale Schmierinfektion von Mensch zu Mensch oder über die Aufnahme kontaminierter Lebensmittel. In der Regel ist die Erkrankung selbstlimitierend und klingt nach vier bis fünf Tagen ab. Bei schweren Verläufen werden Antibiotika in Form von Makroliden oder Chinolonen gegeben.

Hier zu Lande meldepflichtig ist die Salmonellose. Sie kann mit relativ harmlosen Durchfällen bis hin zu lebensbedrohlichen Verläufen einhergehen. Selten treten auch blutige Stühle auf, da Salmonellen in die Darmwand eindringen können. Salmonellen befinden sich häufig auf Lebensmitteln. Nicht durchgebratene Geflügelspeisen, rohe Eier oder Speisen, die mit Roheiern zubereitet sind, wie zum Beispiel Softeis, Mayonnaise oder Tiramisu, sind Gefahrenquellen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei normaler Hygiene sehr selten. Übrigens ist eine gewisse „Errergerlast” nötig, um Krankheitssymptome auszulösen.

Die beste Prophylaxe ist eine gewissenhafte „Küchenhygiene”. Speisen, die mehr als zehn Minuten über 70 °C erhitzt werden, sind gefahrlos zu genießen. Nach der Verarbeitung von rohen Eiern, sollten die Arbeitsfläche und die Hände stets gewaschen werden. Wird Fleisch aufgetaut, sollte es vor der Zubereitung gründlich abgespült werden. Gefährdete Lebensmittel sollten bei warmen Außentemperaturen ausreichend gekühlt werden.

Für die akute Reisediarrhö sind häufig Escherichia coli-Stämme verantwortlich. Sie sind nicht-invasiv. Das bakterielle Toxin jedoch greift in den Stoffwechsel der Zellen der Darmschleimhaut ein und löst eine Flüssigkeitssekretion in das Lumen aus. Sehr wässrige Durchfälle sind die Folge. In der Regel klingen die Beschwerden nach einigen Tagen wieder ab, wenn die Erreger ausgeschieden sind.

Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) verbreiten sich über kontaminiertes rohes Fleisch, Rohmilchprodukte oder von Mensch zu Mensch. Die meisten Infektionen verlaufen symptomlos. Bei Kindern und alten Menschen treten häufiger blutig-wässrige Durchfälle auf. Komplikationen wie akutes Nierenversagen und das hämolytisch-urämische Syndrom sind selten, aber lebensgefährlich.

Weitere in unseren Breiten eher seltene invasive Durchfallerreger sind Shigellen, Yersinien und Enteroaggregative Escherichia coli (EAEC). Sie können sich über die Blutbahn im Körper verteilen und Gelenkschäden sowie weitere Komplikationen hervorrufen.

Der Choleraerreger Vibrio cholerae verursacht ebenfalls schwere Durchfälle. Die Übertragung erfolgt in Ländern mit niedrigem Hygienestandard häufig über das Trinkwasser oder die Nahrung. Krankheitsauslösend ist Choleratoxin. Es stört das physiologische Gleichgewicht, aktiviert im Dünndarm die Flüssigkeitssekretion und führt zu „reiswasserartigen” milchigtrüben Durchfällen.

Clostridium difficile ist eigentlich ein harmloser Besiedler der Darmflora. Wenn jedoch Patienten längerfristig mit Antibiotika behandelt werden, gerät die ausgewogene Flora aus dem Gleichgewicht. Andere Keime, die die Lebensbedingungen von Clostridium difficile begrenzen, sterben ab und das ursprünglich harmlose Bakterium kann sich ungehindert vermehren und zu Durchfällen führen. Das Toxin ruft Darmentzündungen hervor und löst Durchfall, Bauchkrämpfe und teilweise Fieber aus.

VORBEUGUNG REISEDIARRHÖ
+ Cook it, boil it, peel it or leave it! In südlichen Ländern sollten Lebensmittel am besten gekocht beziehungsweise vor dem Verzehr ausreichend lange erhitzt worden sein. Vorsicht bei ungewaschenem Obst, Salat oder Eiswürfeln.
+ Auch zum Zähneputzen sollte kein Leitungswasser benutzt werden.
+ Gegen bestimmte Infektionskrankheiten, zum Beispiel Cholera, kann geimpft werden.
+ Antibiotika sollten nicht prophylaktisch verabreicht werden.
+ Probiotika unterstützen die Darmflora und können einer Reisediarrhö vorbeugen.

Die wichtigste Infektionsursache ist die Hospitalisation. Deshalb sind überwiegend alte Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen durch diese Durchfallerkrankungen gefährdet. Patienten, die an Clostridium difficile erkrankt sind, können andere anstecken. Die Übertragung verläuft fäkal-oral – deshalb ist die Einhaltung von strengen Hygienemaßnahmen das A und O.

Viral bedingt Durchfallerkrankungen werden nicht nur durch bakterielle Infektion, sondern auch häufig durch Viren hervorgerufen. Besonders verbreitet sind Rota- und Noroviren. Aber auch Adenoviren sind ein potenzielles Risiko.

Rotaviren haben besonders in den Wintermonaten Hochkonjunktur. Sie sind für Kinder und Säuglingen unter fünf Jahren ein gefährlicher Auslöser von schweren Durchfällen, Übelkeit und Erbrechen. In Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindertagesstätten haben die Viren leichtes Spiel. Sie werden über Schmierinfektion übertragen. Wird eine Infektion mit Rotaviren nachgewiesen, besteht eine Meldepflicht beim Gesundheitsamt. Außerdem dürfen die Kinder solange die Einrichtung nicht besuchen, bis sie nicht mehr infektiös sind. Die WHO empfiehlt eine Schluckimpfung. Sie wird in Deutschland von den Krankenkassen übernommen und kann frühestens ab der vollendeten sechsten Lebenswoche vorgenommen werden.

Noroviren sind sehr widerstandsfähig und hochansteckend. Sie werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die Infektiosität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis dürfte bei circa 10 bis 100 Viruspartikeln liegen. Die Übertragung erfolgt fäkaloral (beispielsweise Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen. Sie überleben bis zu zwölf Tage auf Gegenständen und Lebensmitteln.

Selbst Temperaturen von minus 20 bis plus 60 °C halten die Erreger aus. Besonders gefährlich sind diese Viren für Gemeinschaftseinrichtungen, wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Schulen. Nur wenige Viren genügen für einen Krankheitsausbruch, der mit heftigen, schlagartigen Durchfällen und Erbrechen verbunden ist. Die betroffenen Personen klagen häufig über ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Auch leichtere Verläufe sind möglich.

Die Inkubationszeit beträgt etwa sechs bis fünfzig Stunden. Auch wieder gesunde Personen können weiterhin Ausscheider sein und ein potenzielles Ansteckungsrisiko für ihre Mitmenschen darstellen. Die einzige wirksame Waffe gegen eine rasante Ausbreitung einer Norovirusepidemie ist die konsequente Einhaltung von Hygieneregeln. Dazu gehört besonders das regelmäßige Händewaschen nach dem Toilettengang und vor dem Essen.

Normale Seifen und einfache Desinfektionsmittel sind häufig nicht ausreichend wirksam, wenn bereits eine Norovirusinfektion im Haus grassiert. Dann sollten viruzid wirksame Desinfektionsmittel eingesetzt werden. Empfehlungen dazu gibt es auf der Internetseite des Robert Koch-Institus (www.rki.de). Auch Infektionen mit dem Norovirus sind meldepflichtig.

Viel trinken! Eine leichte Diarrhö bei gesunden Erwachsenen kann mit ausreichend Trinken und Schonkost therapiert werden. Mild gesüßte Tees oder Gemüsebrühe ersetzen die Flüssigkeit und führen Zucker und Salze zu. Die Hausmittelempfehlung zum Elektrolytausgleich „Cola und Salzstangen” ist wegen der hohen Konzentration an Glukose nicht die erste Wahl. Cola weist eine stark erhöhte osmolare Aktivität auf, durch die der Durchfall sogar noch verstärkt werden kann.

Die Basistherapie jeder akuten Durchfallerkrankung ist der Ausgleich der verlorenen Flüssigkeit und Elektrolyte, um eine Austrocknung und Entgleisung der Stoffwechselfunktionen zu verhindern. Die Gabe von oralen Rehydratationslösungen ist bei Säuglingen, Kleinkindern und alten Menschen zunächst die Therapie der ersten Wahl. Die gleichzeitige Gabe von Glukose und Natrium aktiviert deren Resorption über ein mukosagebundenes Transportsystem in die Darmzellen und die Blutbahn. In der Folge verschiebt sich der osmotische Gradient und Wasser diffundiert aus dem Darmlumen ebenfalls in den Körper zurück.

In den Industrieländern werden fertige Granulate zur Herstellung von Elektrolytlösungen mit einer Natriumkonzentration von 60 Millimol pro Liter eingesetzt. In Entwicklungsländern wird aus Kostengründen die WHO-Trinklösung (13,5 Gramm Glukose, 2,9 Gramm Natriumcitrat, 2,6 Gramm Natriumchlorid und 1,5 Gramm Kaliumchlorid auf einen Liter Wasser) verwendet. Sie wurde ursprünglich zur Therapie der Cholera entwickelt. Reicht die Flüssigkeitszufuhr auf oralem Wege nicht aus, kann der Arzt die parenterale Substitution empfehlen.

»Kinder unter zwölf Jahren benötigen eine ärztliche Verordnung.«

Antidiarrhoika Eines der häufigsten Durchfallmittel ist Loperamid. Es stammt chemisch gesehen aus der Gruppe der Opioide, allerdings ohne die zentrale analgetische – aber mit opstipierender – Wirkung. Loperamid bindet an periphere Opioidrezeptoren und hemmt die Motilität des Darms. Die Darmpassage des Nahrungsbreis verlängert sich und die Resorption von Wasser und Elektrolyten aus dem Darmlumen zurück in die Zellen wird verstärkt. Vielen Patienten schätzen, dass seine Wirkung sehr rasch einsetzt, die Stühle eindickt und die Stuhlfrequenz verringert werden.

Loperamid beeinflusst die Darmflora nicht. Bei blutigen Durchfällen mit Fieber, chronischen Darmerkrankungen, Durchfall nach der Einnahme von Antibiotika, Leberfunktionsstörungen und im Alter unter zwei Jahren ist Loperamid kontraindiziert. In Schwangerschaft und Stillzeit wird die Gabe ebenfalls nicht empfohlen. Kinder unter zwölf Jahren benötigen eine ärztliche Verordnung. Die Anfangsdosis beträgt vier Milligramm. Nach jedem weiteren ungeformten Stuhlgang werden bis zur Maximaldosis von zwölf Milligramm weitere zwei Milligramm eingenommen.

BEI DURCHFALL ZUM ARZT!
+ Säuglinge, alte Menschen und Menschen mit einer Immunschwäche sollten bei Diarrhö einen Arzt aufsuchen.
+ Chronische Diarrhö – länger als drei Wochen Beschwerden
+ Drastischer Krankheitsverlauf mit Kreislaufbeeinträchtigungen
+ Blut, Schleim, Eiter auf dem Stuhl
+ Hohes Fieber und Erbrechen
+ Diarrhö im Zusammenhang mit einer Reise in Länder mit niedrigem Hygienestandard
+ Verdacht auf Allergien oder Intoleranzen

Prinzipiell ist Loperamid nicht zentral wirksam, da der Stoff die Blut-Hirn-Schranke beim Erwachsenen nicht überwindet. Zusammen mit einigen anderen Wirkstoffen, zum Beispiel Chinidin, Verapamil, Ritonavir, Clarithromycin oder Ketoconazol können jedoch zentralnervöse Effekte auftreten. Auf diese Wechselwirkung sollten Apotheker und PTA achten, wenn sie Loperamid in der Selbstmedikation abgeben. Die Substanz gibt es in vielen verschiedenen Darreichungsformen: Als Softkapseln, Schmelztabletten, Tabletten oder Tropfen – so ist für jeden Patienten etwas dabei. Patienten, die zusätzlich unter Blähungen leiden, sollten das Kombinationsmittel mit dem Entschäumer Simeticon einnehmen.

Probiotika Bei leichten Durchfallerkrankungen und zur Prophylaxe einer Reisediarrhö sind Hefekulturen mit Saccharomyces boulardii eine geeignete therapeutische Option. Die vermehrungsfähigen Hefen besiedeln die Darmflora und sollen pathogene Mikroorganismen verdrängen. Außerdem binden sie Durchfallerreger und beschleunigen den Abtransport aus dem Darm.

Auf die Darmmotilität haben die Hefen keinen Einfluss, sie steigern aber im Nachgang einer Durchfallerkrankung die Aktivität verschiedener Verdauungsenzyme und unterstützen die Regenerationsprozesse im Darmtrakt. Prophylaktische Wirkung haben die Hefezellen, indem sie die Darmschleimhaut wie mit einem Schutzfilm überziehen und es so pathogenen Erreger schwer machen, an ihre Rezeptoren in der Darmschleimhaut zu binden.

Saccharomyces boulardii ist ab einem Alter von zwei Jahren bei Durchfall indiziert, kann aber nach ärztlicher Rücksprache auch bei jüngeren Kindern eingesetzt werden. Andere Probiotika enthalten apathogene Varianten von Escherichia coli oder Laktobazillen. Einige Laktobazillen haben eine direkte antibakterielle Wirkung auf die pathogenen Durchfallerreger und hemmen deren Vermehrung.

Wichtig für den Therapieerfolg sind gemäß der aktuellen Leitlinie der Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung ein frühzeitiger Behandlungsbeginn und eine hohe Dosierung. Einige Probiotika werden kühl gelagert, darauf sind die Kunden von Apotheker und PTA aufmerksam zu machen.

Kohle & Co. Medizinische Kohle, Kaolin, Heilerde oder pflanzliche Gerbstoffe zählen zur Gruppe der Adsorbenzien und galten lange Zeit als klassische Mittel zur Behandlung des unkomplizierten Durchfalls. Auch heute noch schwören ältere Menschen auf die guten „Kohletabletten”. Mit ihrer großen Oberfläche binden Adsorbenzien Erreger und Toxine aus dem Darmlumen. Aber auch andere Arzneistoffe können bei gleichzeitiger Einnahme gebunden und damit unwirksam werden. Darauf sollte in der Beratung hingewiesen werden.

ACHTUNG MEDIKAMENTE!
Wer mit der Pille verhütet, sollte unter einer Magen-Darm-Grippe noch anderweitig für Konzeptionschutz sorgen. Die Resorption im Darm ist herabgesetzt und kann zu mangelnder Wirksamkeit führen. Diabetiker sollten bei Durchfall-Erkrankungen frühzeitig den Arzt aufsuchen, denn gerade bei insulinpflichtigen Diabetikern treten leicht Entgleisungen des Blutzuckers auf. Falsch ist es übrigens, kein Insulin zu spritzen, „weil man ja sowieso fast nichts isst“. Zur Überwachung sollen häufiger als sonst die Blutzuckerspiegel gemessen werden und Traubenzucker substituiert werden, wenn eine Hypoglykämie droht.

Synthetische oder pflanzliche Gerbstoffe (z. B. Tanninalbuminat oder Inhaltstoffe der Eichenrinde) wirken adstringierend und haben einen leichten antimikrobiellen und antientzündlichen Effekt. Eine rasche durchfallstoppende Wirkung haben diese Substanzen allerdings nicht. Heute sind Adsorbenzien und Gerbstoffe nur die zweite Wahl in der Behandlung.

Die Uzarawurzel stammt aus der afrikanischen Volksmedizin. Die Cardenolidglykoside Uzarin und Xysmalorin sollen motilitätshemmend und entkrampfend auf die Darmmuskulatur wirken. Das Phytopharmakon ist gut verträglich und kann schon Kindern ab einem Alter von zwei Jahren bei unkomplizierten Durchfällen gegeben werden.

Durchfall bei Kindern Im Kleinkindalter ist die akute Diarrhö nach der Erkältung die zweihäufigste Erkrankung. Der Großteil der Fälle ist viral bedingt, wobei in den ersten Lebensjahren besonders Rotavirus- vor Adenovirus- und Norovirusinfektionen Erkrankungen dominieren. Je jünger ein Kind ist, das Durchfall hat, desto größer ist die Gefahr für eine Austrocknung des Körpers.

In den Entwicklungsländern verläuft ein Großteil der Erkrankungen im Kindesalter tödlich. Frühe Anzeichen für eine Dehydratation sind trockene Lippen und Schleimhäute, konzentrierter Urin, verminderte Urinabgabe und beginnende Schlappheit. Oberstes Ziel der Therapie ist, durch Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten die Stoffwechsellage zu stabilisieren. Orale Rehydratationslösungen (ORL) gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr ist nur in kritischen Situationen (Frühgeborene, dramatische Verluste, die nicht über orale Gabe ausgeglichen werden können oder Nierenversagen) angezeigt.

Die meisten infektiösen Durchfallerkrankungen sind selbstlimitierend und erfordern deshalb keine spezifische Therapie. Bei Salmonellen-, Cholera-, Amöbenruhr- oder Shigelleninfektionen sind jedoch Antibiotika angezeigt. Häufige Frage von Eltern ist, ob sie die Kinder weiterhin füttern sollen. Kinder mit leichter bis mittelschwerer Dehydratation sollten vier bis sechs Stunden nach Flüssigkeitszufuhr wieder gewohnte Nahrung als Schonkost erhalten, weil die Enterozyten in der Darmschleimhaut Nährstoffe zur Regeneration benötigen. Gestillte Säuglinge werden weiterhin gestillt, auch die Säuglingsnahrung aus der Flasche kann in kleinen Portionen zwischen den Gaben der oralen Rehydratationslösung gefüttert werden.

Mütter von an Durchfall erkrankten Säuglingen sind in der Regel selbst mit dem Erreger infiziert, müssen aber wegen ihres stabileren Immunsystems nicht zwangsläufig erkranken. Sie bilden allerdings Antikörper, die sie über die Muttermilch auch an ihr Kind weitergeben. Selbst wenn die Mutter ebenfalls erkrankt ist, sollte sie, wenn möglich weiter stillen, um ihr Baby mit Antikörpern zu versorgen, die es selbst noch nicht ausreichend bilden kann.

Wann Antibiotika? Ist eine bakterielle Diarrhö nachgewiesen, zum Beispiel im Rahmen einer Reise, kann eine Antibiotikagabe angezeigt sein. Klar muss aber sein, Antibiotika werden nicht zur Prophylaxe einer Reisediarrhö empfohlen. Häufig gibt es unterwegs gar nicht die Möglichkeit, eine Stuhluntersuchung zur Abklärung des Durchfallerregers vorzunehmen – und gegen viral oder parasitär bedingte Durchfälle wirken Antibiotika nicht! Wenn also wirklich nötig, sind Chinolone oder Makrolide die Mittel der Wahl.

Zur Therapie der unkomplizierten Reisediarrhö ist das Antibiotikum Rifaximin zugelassen. Es wird so gut wie gar nicht resorbiert und entfaltet seine Wirkung lokal an der Darmschleimhaut. Außerdem gilt es als besser verträglich als das Fluorchinolon Ciprofloxacin. Gegen invasive Keime (Shigellen, Campylobacter und invasive E. coli), die zu blutigen Durchfällen eventuell mit Fieber führen, ist Azithromycin das Standardantibiotikum.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×