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Politik

DIE NEUEN AUSNAHMEN

Fünf Euro von der Krankenkasse für den Botendienst, Abgabe von Teilmengen, Missachtung des Aut-idem-Kreuzes, Entlassmanagement für 14 Tage, Methadon zur Substitutionstherapie auf Notfallrezept? Nichts ist mehr, wie es war.

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Die Corona-Pandemie hat unser Land fest im Griff! Um den neuen Anforderungen an die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln unter den sowieso schon schwierigen Bedingungen gerecht zu werden, hat Bundesminister Spahn eine Art „Notverordnung“ auf den Weg gebracht. Mit Wirkung vom 21. April 2020 ist die SARS-CoV-2 Arzneimittelversorgungsverordnung in Kraft getreten.

Vorübergehende Änderungen in vielen Gesetzen Diese Verordnung soll den Apotheken, die weit über das normale Maß hinaus die Menschen vor Ort versorgen, eine Vereinfachung in der Handhabung der sonst doch sehr sperrigen Vorschriften bringen. Die Änderungen betreffen das Betäubungsmittelrecht, das Apothekengesetz, die Apothekenbetriebsordnung, das Sozialgesetzbuch (SGB) und die Arzneimittelpreisverordnung. Die Arzneimittelpreisverordnung wurde dahingehend ergänzt, dass die Apotheken für den Corona-bedingten Mehraufwand im Botendienst eine Pauschale von fünf Euro zuzüglich Umsatzsteuer abrechnen dürfen.

Dies gilt pro Tag und Lieferort unabhängig von der Anzahl der gelieferten Packungen und ist befristet bis zum 30. September 2020. Eine Heimbelieferung, die durch einen Versorgungsvertrag gedeckt ist, ist davon ausgenommen. Sollte aber ein einzelner Heimbewohner seine freie Apothekenwahl wahrnehmen und sich von einer Apotheke beliefern lassen, ist das abrechnungsfähig. Um den Apotheken die zusätzlichen Kosten für Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln im Botendienst auszugleichen, wird eine einmalige Pauschale für den Botendienst von 250 Euro netto bezahlt.

Betrifft auch Rabattarzneimittel Eine weitere Neuerung in der Arzneimittelpreisverordnung ist die Abgabe von Teilmengen, die mit den Zuschlägen aus § 3 berechnet werden können. Werden weitere Teilmengen aus derselben Packung abgegeben, darf man nur noch eine Zuschlag von 5,80 Euro erheben. Man rechnet bei der ersten Teilabgabe den Gesamtpreis der Packung ab und kann dann natürlich bei einer weiteren Teilabgabe den Preis der Packung nicht mehr abrechnen, sondern nur noch den Zuschlag. Neben der Abgabe von Teilmengen sind noch weitere Abweichungen und Ausnahmen von den Regelungen des Sozialgesetzbuches V in die Verordnung aufgenommen worden. Ist ein verordnetes (Rabatt-) Arzneimittel nicht vorrätig, darf die Apotheke ein vorrätiges wirkstoffgleiches Präparat abgeben, um den Patienten eine erneute Gefährdung bei Abholung in der Apotheke zu ersparen.

Ist kein in Frage kommendes Arzneimittel in der Apotheke beziehungsweise bestellbar, darf die Apotheke in Rücksprache mit dem Arzt ein anderes Präparat, das pharmakologisch und therapeutisch vergleichbar ist, abgeben. Dies ist dann auf dem Verordnungsblatt zu dokumentieren. Diese Ausnahmen gelten sogar, wenn der Arzt das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat. Weitere Abweichungen von der ärztlichen Verordnung sind auch ohne Rücksprache in den folgenden Punkten möglich: Änderung der Packungsanzahl Änderung der Wirkstärke soweit keine pharmazeutischen Bedenken bestehen Änderung der Packungsgröße und Überschreitung der in der Packungsgrößenverordnung angegebenen Messzahl Entnahme von Teilmengen aus größeren Packungen

Und sogar das Betäubungsmittelrecht Im SGB V ist auch das Entlassmanagement geregelt. Nun sind die strengen Regeln gelockert worden und die Verschreibung ist für die Versorgung von ausnahmsweise 14 Tagen statt 7 Tagen möglich. Auch kann nun statt der N1 bis zur N3 verordnet werden. Die Ausnahmen im Betäubungsmittelrecht betreffen vor allem die Substitutionsversorgung, deren umfangreiche Vorschriften den Rahmen hier sprengen. Nur ein Beispiel: Ein Arzneimittel zur Substitutionstherapie kann nun auch auf einem Notfallrezept verordnet werden. Außerdem ist bei Lieferschwierigkeiten zur Versorgung schwerstkranker Menschen eine Abgabe von Betäubungsmitteln zwischen Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken möglich gemacht worden.

Eine weitere Regelung betrifft die Verhinderung von Hamsterkäufen. Haben wir noch die leeren Regale von Toilettenpapier in den Supermärkten belächelt, sind Versorgungsengpässe, die durch Hamsterkäufe bei Arzneimitteln entstehen, nicht mehr lustig. Daher sind sehr weitreichende Vorschriften im Bereich von Auskunft-, Verkaufs- und Verpflichtungsverboten für Händler und Hersteller von versorgungsrelevanten Produkten erlassen worden. Der Staat hat im Katastrophenfall die Verpflichtung zum Schutz der Bürger zu handeln, was er mit diesen Verordnungen auch tut. Die Vorschriften treten am 31. März 2021 außer Kraft, was die Vergütung des Botendienstes betrifft, gilt sie bis zum 30. September 2020, falls nicht noch eine Verlängerung beschlossen wird.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 96.

Mira Sellheim, Apothekerin, Delegierte der LAK Hessen

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