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Repetitorium

DER MUSKELAPPARAT DES MENSCHEN – TEIL 3

Sommer, Sonne, Bewegung! Jetzt regt sich das sportliche Gewissen. Für manche kann es in der Bikini- oder Badehosen-Saison nicht schnell genug gehen. Sie wollen gezielt Muskeln aufbauen, nehmen dafür auch Eiweißpulver ein – doch funktioniert das wirklich?

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Noch in den 1980er Jahren war es lediglich der Traum der Bodybuilder, ihre Muskelmasse zu steigern – mit sogenanntem Hypertrophietraining. Heute ist es das Ziel vieler Menschen, wenn sie sich sportlich betätigen. Krafttraining boomt regelrecht, für viele junge Menschen ist das tägliche Hantelnstemmen fester Bestandteil der Wochenroutine. Sei dies aus ästhetischen oder gesundheitlichen Gründen oder um einfach seine Leistungsfähigkeit zu steigern und fit zu sein. Und das betrifft nicht nur Männer. Dabei ist es nicht mit ein paar Pillen getan, auch wenn es keiner – vor allem zu Anfang – gerne hört, es steckt einiges an körperlicher Arbeit hinter dem Muskelaufbau.

Und auch mit seiner Ernährung kann man viel beeinflussen. Doch gerade Anfänger überschätzen sich, muten sich zu viel zu und – zack – ist ein kleiner Unfall passiert: eine Muskelzerrung, ein heftiger Muskelkater oder gar ein behandlungsbedürftiger Muskelfaserriss. Was während des Trainings in unseren Muskeln abläuft, ob Muskeln wirklich wachsen und was die „Nebenwirkungen“ eines übertriebenen Sportprogramms sein können, ist Inhalt dieses letzten Repetitoriumteils.

Wie der Hulk – nur nicht so grün Kennen Sie den Hulk? Dieses grüne Monster, in das sich Bruce Banner nach einem missglückten Experiment im gleichnamigen Comic verwandelt? Auf einmal fühlt er sich besser denn je, kraftvoller, energetischer und unglaublich stark. Ja, ein strahlungsbasiertes schiefgelaufenes Experiment ist auch der einzige Weg, mit dem man so schnell Muskelmasse aufbauen kann. Ansonsten heißt es: Geduld und Arbeit, Arbeit, Arbeit. Was passiert physiologisch? Wir erinnern uns: Ein Muskel besteht aus mehreren Muskelfasern, deren kleinste funktionelle Einheit die Sarkomere sind, sie beinhalten Aktin und Myosin, die die Kontraktion des Muskels erlauben.

Sollen die Armmuskeln schön trainiert aussehen, wird dies durch eine Querschnittszunahme des Muskelfaserbündels erreicht. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: mehr Sarkomere oder mehr Flüssigkeit in oder zwischen den Muskelzellen. Eine Zunahme der Muskelfaserzahl ist reine Theorie, bislang konnte dies in keinem praktischen Experiment am Menschen gezeigt werden. Sarkomere Hypertrophie, also die Zunahme der Sarkomer-Anzahl, wird durch Muskelstress erreicht. Die starke Zugkraft, die während eines Trainings, vor allem mit Gewichten, auf einen Muskel einwirkt, führt zu einem Alarmsignal. Denn durch die ungewohnte Belastung finden minimale Zellschädigungen statt, in Ruhephasen wappnet sich der Körper also neuen Angriffen und bildet mehr Sarkomere.

Da diese sich parallel zu den bereits vorhandenen entwickeln, nimmt der Muskelfaserquerschnitt und damit der gesamte Querschnitt des Muskels zu. Das dauert aber natürlich ein Weilchen. Verspüren Freizeitsportler rasche Trainingserfolge in den ersten sechs Wochen nach Beginn, liegt das nicht an einem schnellen Muskelwachstum. Die Muskeln reden einfach besser miteinander, funktionieren besser als Einheit, erhalten besser gefilterte Anweisungen vom Gehirn – ein Trainingswissenschaftler würde sagen: Es hat eine neuronale Adaption stattgefunden. Zwei Monate sollte man seinem Körper schon Zeit geben. Und viele ahnten es bereits: Muskelabbau wiederum geht leider häufig schneller vonstatten. Das Sarkoplasma ist ein spezifischer Begriff für das Zytoplasma einer Muskelzelle. Es enthält alle zellulären Bestandteile der Muskelzelle sowie Flüssigkeit und darin gelöste Substanzen.

Bei der sarkoplasmatischen Hypertrophie wird durch eine Änderung der Zusammensetzung des Sarkoplasmas eine Volumenzunahme des Muskels erreicht. Das geschieht bei wiederholter, erhöhter Beanspruchung der Muskeln. Denn der Körper braucht eine Strategie, um kurz- bis mittelfristig rasch Energie bereitzustellen. Er lagert also unter anderem mehr Glycogen in die Muskelzellen ein, sodass rascher Glucose und somit auch rascher ATP zur Verfügung stehen, sollte wieder ein erhöhter Muskelanspruch anstehen. Der Mehrfachzucker bindet gerne und viel Wasser – circa ein Gramm Glycogen zieht etwa drei Gramm Wasser in die Zelle, wodurch die Volumenzunahme eintritt. Aber auch andere Stoffwechselproteine werden aufgrund der veränderten Stoffwechsellage in den Muskelzellen gebildet beziehungsweise abgelegt. Inwieweit die sarkoplasmatische Hypertrophie Einfluss auf das tatsächlich messbare Muskelwachstum hat, gilt als umstritten und ist bislang nicht evident geklärt.

Wer verletzt sich am häufigsten?

Mit Abstand am häufigsten verletzen sich Fußballer (37 Prozent aller Verletzungen), gefolgt von Skifahrern (knapp 12 Prozent) und den Ballsportlern bei Handball, Tennis und Volleyball (insgesamt knapp 8 Prozent).

Hypertrophietraining Um Muskelaufbau zu betreiben sind Mikrotraumata der Muskelfasern nötig, der Muskel muss also in geringem Umfang überlastet werden. Andernfalls findet kein Dickenwachstum statt, auch wenn dank neuronaler Adaption Kraft und Leistung steigen. Diese Belastungsintensität wird bereits bei 60 bis 70 Prozent der maximalen Kraft erreicht. Wer sich für dieses Hypertrophietraining entscheidet, sollte laut Literatur acht bis zwölf Wiederholungen der jeweiligen Muskelübung (Kniebeugen, Liegestütz, Hantelheben und so weiter) durchführen bis eine spürbare Ermüdung der Muskulatur eintritt.

Das individuelle Trainingsprogramm sollte dann in drei bis vier Sets hintereinander stattfinden – das Ziel ist eine vollständige Erschöpfung der trainierten Muskulatur. Wobei die Intensität der Übung bei bestenfalls 80 Prozent des Einwiederholungsmaximums liegen sollte – sprich nicht mit steigender Wiederholungszahl abnehmen sollte. Soweit die Theorie. Wer sich in der Praxis für ein solches Training entscheidet, wendet sich am besten an einen qualifizierten Trainer oder Sportmediziner zur Erarbeitung eines individuellen Trainingsplans.

Ernährung für Sportler Mehr Protein, mehr Muskeln? Nicht unbedingt. Die ideale Ernährungszusammensetzung für einen gesunden Dreimal-die-Woche-Sportler lautet in etwa: 55 Prozent Kohlenhydrate, maximal 30 Prozent Fett und 15 Protein Eiweiß – und das entspricht der empfohlenen Zusammensetzung einer ausgewogenen Mischkost für einen gesunden Erwachsenen. Denn wer Freizeitsport betreibt, muss seine Ernährung nicht zwangsläufig umstellen, außer er hat sich zuvor nur von Fastfood und Cola ernährt. Abwechslungsreich und vollwertig essen lautet die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Profi- oder Leistungssportlern empfiehlt man wiederum eine Anpassung an ihr gesteigertes Aktivitätslevel, um alle Stoffwechselprozesse aufrecht zu erhalten.

Das bringt nicht nur eine Adaption der Gesamtkalorienzahl, sondern auch eine leichte Abwandlung der Nährstoffzusammensetzung mit sich. Wichtig für jeden Sportler ist die zugeführte Trinkmenge: Je nach Sportart sollte es ein halber Liter kalorienfreie Flüssigkeit pro Tag mehr sein – Nieren- und Herzerkrankungen müssen dabei berücksichtigt werden. Aber wie ist das nun mit dem Protein? Der Muskel unterliegt ständigen Auf- und Abbaumaßnahmen – Ziel beim Hypertrophietraining ist es, dieses Gleichgewicht zugunsten der aufbauenden (anabolen) Prozesse und weg von den abbauenden (katabolen) Prozesse zu verschieben. Durch Mikrotraumata während des Trainings werden Aminosäuren frei, die nach ungefähr ein bis zwei Wochen neu im Muskel verbaut werden können. Exogen zugeführte Proteine können den Aufbau etwas beschleunigen.

Im Rahmen eines Hypertrophietrainings kann die Aufnahme von den empfohlenen 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht (g/kg KG) auf 1,4 bis 1,6 g/kg KG gesteigert werden – das sollte im Vorfeld allerdings mit einem Arzt abgeklärt werden. Der Effekt wird gerade von Freizeitsportlern häufig überschätzt, denn bei einem anhaltenden Training wird nach einiger Zeit ein Plateau erreicht, in dem sich der Muskelaufbau nicht mehr durch zusätzliche Proteinaufnahme steigern lässt. Zudem sollte man beachten, dass ein Konsum oberhalb des tatsächlichen Bedarfs nicht im Muskel landet, sondern im generellen Energiehaushalt: Der Körper baut das Zuviel an Protein also in Körperfett um. Und viel zu viel ist sowieso alles andere als förderlich, denn irgendwo muss das überschüssige Protein hin: Der Körper baut den Überschuss zu Harnstoff ab, irgendwann schaffen es die Nieren nicht mehr, allen Harnstoff auszuscheiden und es kann sich eine Niereninsuffizienz einstellen.

Also: Protein ja, aber bitte in Maßen. Generell muss es deshalb auch kein Extra-Steak pro Tag oder ein High-Protein-Joghurt sein. Die deutsche Bevölkerung ist im Schnitt mehr als ausreichend mit Eiweiß versorgt und liegt häufig über der Empfehlung von 0,8 g/kg/KG. Besser wäre es, seine Eiweißaufnahme zu optimieren und dem Körper mehr Eiweiß hoher biologischer Wertigkeit zuzuführen. Also Proteine beziehungsweise Proteinkombinationen zu bevorzugen, die ein Aminosäuremuster aufweisen, das der Körper sehr gut verwerten kann. Eine Mahlzeit aus circa 100 Gramm Kartoffeln und einem Ei (Größe M) bringen dem Muskel mehr als die gleiche Menge Rindersteak. Wer sich ernsthaft für Muskelaufbau interessiert, sollte sich passend zum Trainingsplan einen Ernährungsplan erstellen lassen.

Eiweißpulver und Vitaminpillen Echte Vitaminmängel sind in Industrieländern selten. Seinen Bedarf sollte man daher über den Verzehr von Obst und Gemüse decken, auch Fleisch und Fisch helfen bei der Versorgung. Bei nachgewiesenem Mangel kann die Ergänzung durch ein Magnesiumsupplement sinnvoll sein. Proteinpulver fluten den Markt regelrecht – ihr Nutzen ist aber umstritten. Der Studienlage zufolge ergänzen Sportler mit erhöhtem Proteinbedarf ihre Ernährung am besten mit hochwertigem Eiweiß aus Milch-, Molke-, Casein-, Ei- oder Sojaproteinen, wobei die Molkeproteine bei Kraftsportlern (vor allem in Kombination mit Hypertrophietraining) bevorzugt werden, denn sie enthalten hohe Mengen an verzweigtkettigen Aminosäuren und Glutamin.

P.E.C.H. gehabtSport ist Mord – so lautet zumindest ein bekanntes Sprichwort. Wer allerdings seinem Leistungsniveau entsprechend trainiert, sich zuvor immer gut aufwärmt und Muskelpartien im Anschluss sanft dehnt, ist eigentlich auf der sicheren Seite. Trotzdem kommt es gerade im Freizeitsport immer wieder zu (kleineren) Verletzungen. Neben Prellungen, Stößen oder Schnittverletzungen zählen Muskelkater, Bänderrisse, Zerrungen, Gelenkverletzungen oder Muskelfaserrisse zu den häufigen Blessuren. Zwar benötigt jemand, der Muskelaufbau betreiben möchte, geringe Überbelastungen des Muskels. Doch übertreibt er es, steigt auch das Verletzungsrisiko.

Denn Muskeln und ihre Bänder, ebenso wie die angrenzenden Gelenke und Knochen, können sich dann verletzen, wenn sie Anstrengungen ausgesetzt sind, die ihre Kraft übersteigen. Merkt man während des Sports eine zu starke Anspannung der Muskeln, sollte lieber eine Pause eingelegt werden, bevor die jeweilige Übung nicht korrekt ausgeführt wird. Ein weiteres Risiko ist nämlich auch eine ungleichmäßige Körperbelastung, beispielsweise durch Fehlhaltungen. Aber auch anatomische Voraussetzungen, wie zwei unterschiedlich lange Beine, können zu Gelenk-, Muskel- oder Bänderüberbeanspruchung führen.

In einigen Fällen können orthopädische Hilfsmittel wie beispielsweise Schuheinlagen helfen, manchmal müssen Übungen oder Bewegungsabläufe dem Körper angepasst werden. Viele überschätzen sich auch schlicht und steigern ihr Leistungsniveau zu schnell und zu stark – das führt jedoch weniger zu schnellerem Muskelwachstum als vielmehr zu Überanstrengungen. Die Folge können schlimmstenfalls Ermüdungsbrüche vor allem in den Beinen oder Füßen sein: Kleine Knochenrisse, die entstehen, wenn Muskeln, Sehnen und Bänder das Skelett nicht ausreichend stützen und schützen. Man sollte beim Training immer bedenken: Der Muskel wächst in der Erholungsphase.

Doch Muskelkater hatte wohl schon jeder. Das Empfinden einer schwachen, schmerzenden und verhärteten Muskulatur tritt meist ein bis drei Tage nach der Belastung auf. Die kleinen Muskelfaserrisse treten nicht nur nach sportlicher Aktivität auf, sondern auch nach ungewohnten Bewegungsabläufen. Die früher geltende Hypothese, dass Muskelkater durch eine Übersäuerung der Muskulatur infolge von gesteigerter Laktatbildung zustande kommt, gilt heute als widerlegt. Auch wenn Muskelkater in der Regel ohne bleibende Schäden abheilt, sollte während der Beschwerden kein Sport ausgeführt werden. Zum einen, weil die Schmerzen eine saubere Ausführung der Übung verhindern, wodurch das Verletzungsrisiko steigt. Zum anderen brauchen die verletzen Fasern Zeit zum Heilen.

Leichte Dehnübungen, Spaziergänge, Aqua-Jogging oder Fahrradfahren ohne Steigung können die Regeneration jedoch unterstützen. Treten die Beschwerden schon während des Trainings auf, sollten die Warnsignale des Körpers sofort ernst genommen werden. Die Symptome setzen sich unabhängig von der Verletzung meist aus Schmerz, Schwellung, Wärme, Berührungsempfindlichkeit, eventuell Bluterguss oder Hautverfärbungen und Verlust des normalen Bewegungsablaufes zusammen. In diesem Fall sollte das Training sofort unterbrochen und die P.E.C.H.-Regel angewandt werden: Pause, Eis, Compression, Hochlagern. Die Akutphase einer Sportverletzung hält in der Regel maximal zwei Tage an, in denen absolute Schonung angesagt ist.

NSAR oder Paracetamol können begleitend eingenommen werden. Halten die Beschwerden an oder sind ungewohnt stark, sollte ein Arzt konsultiert werden. Häufig geschehen Muskelverletzungen bei plötzlichen Bewegungsänderungen, Stopp- oder Bremsbewegungen, wie sie bei Ballsportarten oder Leichtathletik zu finden sind. Trotz Aufwärmens sind die Muskeln manchmal nicht auf den abrupten Bewegungswechsel vorbereitet und schon schießt ein lähmendes Schmerzsignal durch die betroffene Region. Aber auch Outdoor-Training bei schlechten Wetterbedingungen, verschleppte Verletzungen oder eine ermüdete Muskulatur begünstigen Muskelschäden. Bei einer Muskelzerrung, der leichtesten dieser Verletzungsarten, dehnen sich die Sarkomere über ihre Kapazität hinaus und nehmen dadurch Schaden.

Nach vier bis sechs Tagen ist der Spuk meist wieder vorbei, der Muskel sollte allerdings zwei Wochen lang nicht voll belastet werden, unter Umständen sogar noch länger. Bei einem Muskelfaserriss reißen einzelne Fasern des Bündels ein oder komplett durch. Die Beschwerden sind so stark, dass eine Belastung praktisch unmöglich ist. Eine tastbare oder durch Hämatome sichtbare Gewebslücke (Delle) ist ein starkes Indiz, Aufschluss bringt ein Ultraschall oder MRT (Magnetresonanztomografie). Man sollte seinem Muskel nun mehrere Wochen bis Monate Zeit geben, bis man ihn wieder vollständig belastet. Zudem bleiben innerlich Narben zurück, wodurch die betroffene Stelle künftig deutlich anfälliger für erneute Verletzungen sein wird.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 92.

Farina Haase, Apothekerin/Online-Redaktion

Farina Haase, Apothekerin/Online-Redaktion

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