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Eichenprozessionsspinner

DER GEFÄHRLICHE SCHMETTERLING

Er sieht harmlos aus, doch seine Larven können die unangenehme Raupendermatitis auslösen. Erst seit 1995 stellen die mottenähnlichen Insekten ein Problem dar.

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Der Nachtfalter lebt in trockenen, warmen Gegenden in ganz Deutschland. Für seine Gelege nutzt er fast ausschließlich Eichen, in ganz seltenen Fällen auch Hainbuchen. Die Raupen leben gesellig und gehen im Verbund von bis zu 30 Tieren auf Nahrungssuche. Das sieht wie eine Prozession aus – daher der Name des Insekts.

Ende Juli bis Anfang September fliegen die Schmetterlinge aus. Bei einer Flügelspannweite von etwa zwei- bis dreieinhalb Zentimeter sind sie unscheinbar graubraun gefärbt und erinnern im Erscheinungsbild an Motten. Ausgewachsene Nachtfalter stellen keine direkte Bedrohung dar, sondern sorgen nur für den Fortbestand der Art. Die eigentliche Gefahr geht von den Raupen des Eichenprozessionsspinners aus. Sie verursachen den Kahlfraß der Bäume und die Raupenhaare können beim Menschen starke allergische Reaktionen auslösen.

Situation verschärft sich Der Nachtfalter stellt erst seit 1995 ein Problem dar. Vorher fand man ihn nur vereinzelt an Eichen in Garten- oder Parkanlagen. Die Bäume konnten sich bei geringem Befall durch einen zweiten, späten Austrieb vom Raupenfraß erholen. Doch die Population der Insekten wuchs. Zu klein war das Angebot an natürlichen Fressfeinden wie zum Beispiel der Schlupfwespe, der Raupenfliege oder dem Kuckuck, der die Raupen bevorzugt verspeist.

Die Eichenprozessionsspinner begannen, ganze Eichenwälder zu besiedeln. Durch den jährlichen wiederkehrenden starken Befall wurden die Bäume so stark geschädigt, dass viele eingingen. Betroffen waren vor allen Dingen noch bewirtschaftete Eichenwälder auf der Fränkischen Platte, wodurch ein erheblicher finanzieller Schaden entstand.

Die Insekten legen etwa 200 Eier plattenförmig an der Rinde oder im Kronenbereich der Eichen ab und verkleben das Gelege mit Sekret und Afterschuppen. So getarnt entwickeln sich die Embryonen in diesem Gespinst bereits im Herbst, die Jungraupe überwintert dann im Ei. Anfang Mai schlüpfen die Raupen, die fünf Verpuppungsstadien durchlaufen, bevor sie zum Schmetterling werden. Dabei entwickeln sie einen mächtigen Hunger, den sie stillen, indem sie den frischen Blattaustrieb der Eichen bis auf den Mitteltrieb auffressen.

Die Verpuppungsnester, in die sich die Raupen zum Häuten zurückziehen, bestehen aus Kot, alten Larvenhäuten, Puppenhülsen und Spinnfäden. Sie sind locker in die Astgabeln gewebt und können bis zu einem Meter lang sein. Diese Nester bleiben teilweise jahrelang bestehen.

Gesundheitsgefährdende Larven Im dritten Verpuppungsstadium werden die Larven für den Menschen gefährlich. Meist erreichen sie dieses Stadium im Mai oder Anfang Juni. Dann entwickeln die Raupen einen Bewuchs mit Brennhaaren, ähnlich denen einer Brennnessel. Diese fast unsichtbaren Haare dringen leicht in die Haut oder Schleimhäute von Menschen ein und halten sich dort mit ihren kleinen Widerhaken fest.

In ihrem Hohlraum enthalten sie das Nesselgift Thaumetopoein, ein Protein, das beim Kontakt mit menschlichem Gewebe zur Freisetzung von Histamin führt. Die hierdurch ausgelöste allergische Reaktion wird als Raupendermatitis bezeichnet. Sie zeigt sich durch Quaddelbildung und Rötung der Haut; die betroffenen Stellen schwellen an, jucken und brennen stark. Werden die Haare eingeatmet, kann es zu Schleimhautreizungen im Mund-und Nasenbereich kommen, aber auch zu Bronchitis, sehr schmerzhaftem Husten und sogar Asthma.

Je häufiger ein Organismus den Haaren ausgesetzt ist, umso empfindlicher reagiert er darauf. Mit ihren kleinen Widerhaken setzen sich die Brennhaare zudem überall fest, und stellen so bei jeder erneuten Berührung eine Gefahr dar. Außerdem brechen die Haare leicht und können dann mit dem Wind über weite Strecken fortgetragen werden. In den Verpuppungsnestern finden sich ebenfalls viele dieser Brennhaare. Da sie jahrelang haltbar sind, reichern sie sich mit der Zeit auch im Boden an und gelangen von dort wieder auf Kleidung oder Haut.

Raupendermatitis Beim Kontakt der Haut mit den Brennhaaren kann sich die allergische Reaktion auf verschiedene Weise zeigen:

  • Nesselsucht
  • Knötchen (Papeln)
  • Entzündung (Dermatitis).

Hautirritationen lassen sich mit kortisonhaltigen Präparaten sowie Antihistaminika meist gut behandeln und heilen. Der Juckreiz kann allerdings dazu führen, dass Betroffene die Papeln oder Quaddeln aufkratzen, sodass Narben zurückbleiben. Meist treten mit den allergischen Reaktionen auch grippeähnliche Begleitsymptome auf – die Betroffenen fühlen sich fiebrig, müde und abgeschlagen.

Allergische Reaktionen durch Einatmen müssen mit kortisonhaltigen Sprays und inhalativen beta-Mimetika behandelt werden. Bei Menschen, die durch Atemwegsallergien bereits vorbelastet sind, kann das Einatmen der Härchen besonders gefährlich sein. Hierbei wurden vereinzelt sogar Fälle von anaphylaktischem Schock beobachtet. Besondere Vorsicht ist beim Augenkontakt geboten, denn die feinen Härchen können zu Bindehautentzündungen und winzigen Augenverletzungen führen.

Wie kann ich vorbeugen? Wichtig ist, die Raupengespinste zu meiden. Selbst wenn sie verlassen sind, können sich in ihnen noch große Mengen der gefährlichen Haare befinden. Treten nach einem Spaziergang allergische Reaktionen auf, sollten sofort alle Kleidungsstücke, die dabei getragen wurden, gewaschen und die Schuhe gründlich geputzt werden (dabei unbedingt Handschuhe tragen!).

Die Raupen sollte man auf keinen Fall anfassen. Sie sind fünf Zentimeter lang und besitzen einen dunkel gestreiften Rücken mit braunroten Warzen. Findet man im Garten oder einem Wohngebiet einen Befall, muss dieser unbedingt fachmännisch entsorgt werden, denn die Vernichtung ist gesundheitlich ebenfalls nicht unbedenklich. Zuständig sind Forstämter und die Feuerwehr. Wer nützlichen Insekten wie Schlupfwespen im Garten genug Brutmöglichkeiten bietet, zum Beispiel durch ein Insektenhotel, oder einige in Totholz gebohrte Löcher, der sorgt für ein biologisches Gleichgewicht und muss sich um diese Gefahr keine Sorgen machen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 82.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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