Seuchen der Welt
„DER AUSSATZ”
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Die zerstört Haut und Schleimhäute und befällt außerdem Nervenzellen: Lepra, eine chronische bakterielle Infektion, ausgelöst durch den Bazillus Mycobacterium leprae.
Krankheitszeichen Im Frühstadium, der indetiminierten Lepra, sind sich taub anfühlende, unscharf abgegrenzte Flecken auf der Haut typisch. Neben Krankheitsstagnation, spontaner Abheilung kann dieses Stadium sich zur tuberkuloiden, lepromatösen oder Borderline- Lepra weiterentwickeln. Bei der lepromatösen oder multibakteriellen Lepra, der schwersten Form, verbreiten sich die Bakterien über Blutbahnen, Nervengewebe, Schleimhäute und Lymphysystem im ganzen Körper. Es treten Knötchen auf, die das Gesicht zerstören, auch Haut, Nerven, Gliedmaßen und Augen werden dauerhaft geschädigt.
Die vergleichsweise leichtere Form der tuberkuloiden oder paucibakteriellen Lepra entwickelt sich bei guter Immunabwehr und befällt vor allem Haut und Nerven, selten Lymphknoten. Ungleichmäßige, aber scharf abgegrenzte gefühllose Flecken auf der Haut sind charakteristisch. Infolge des Taubheitsgefühls eingeschränktemTastsinn kommt es häufig zu Verbrennungen, schwereren Verletzungen bis hin zu Verstümmelungen.
Als Borderline-Lepra werden alle zwischen den beiden Extremen liegenden Lepraformen bezeichnet. Der Tod selbst tritt meist nicht durch den Erreger direkt verursacht ein, sondern durch Sekundärerkrankungen.
Geschichte im Zeitraffer Lepra gilt als eine sehr alte Krankheit, die es wohl bereits in den frühen Hochkulturen Chinas, Indiens und Ägyptens gab. Ein ägyptischer Papyrus, circa von 1550 v. Chr., enthält einen der frühesten Berichte daüber. Auch in Griechenland und Italien zu Ciceros Zeiten (106 bis 43 v. Chr.) scheint Lepra häufig vorgekommen zu sein. In Europa wurde sie im Mittelalter ein Problem. Im 9. Jahrhundert wurde das erste Leprakrankenhaus auf deutschem Boden in Bremen gegründet, im 12. Jahrhundert gab es in ganz Europa etwa 19 000 Leprosenhäuser, eine eigene Hospizform samt Kapelle und Friedhof, hinter dem die Kranken vielfach lebten.
Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert erreichte die Lepra ihren Höhepunkt, verschwand aus noch ungeklärten Gründen aber mit dem Ende des 16. Jahrhunderts weitgehend. Insbesondere in Skandinavien, vor allem in Norwegen, kam die Krankheit Mitte des 19. Jahrhunderts immer noch vor. Dort begannen auch die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen, angeführt vom norwegischen Hautarzt Daniel Danielssen (1815 bis 1894) und seinem Freund Carl Boeck (1805 bis 1875), die 1847 ein Buch „Über Lepra” veröffentlichten.
1873 entdeckte Danielssens Schwiegersohn, der Norweger Gerhard Armauer Hansen (1841 bis 1912), den stäbchenförmigen Lepra-Erreger Mycobacterium leprae unter dem Mikroskop. Ihm zu Ehren wurde Lepra 1948 offiziell in Hansen-Krankheit umbenannt. So gab es schon in den verschiedenen Teilen der mittelalterlichen Welt große Unterschiede in der Behandlung von Leprakranken.
Sehr verbreitet ist das Bild des von der Gesellschaft verstoßenen „Aussätzigen“, der gewaltsam von seiner Umwelt abgeschottet wurde und mit einer Klapper oder Glocke vor sich selbst warnen musste. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Bild jedoch erst im 19. Jahrhundert bewusst in Darstellungen der mittelalterlichen Geschichte eingefügt wurde und zwar von Menschen, die sich damals für die Zwangsisolierung von Kranken einsetzten.
Überall auf der Welt entstanden aus Angst Leprakolonien, meist auf der Küste vorgelagerten Inseln. Isolation wurde als geeignete Maßnahme offiziell 1897 empfohlen und erst 1960 ist diese Empfehlung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgehoben worden.
»Weltweit treten jedes Jahr immer noch etwa 250 000 neue Fälle von Lepra auf.«
In Japan wurden noch bis 1996 sämtliche Infizierte lebenslang in geschlossenen Anstalten – mit Arbeitszwang – inhaftiert. Dabei war längst bekannt: Lepra ist nicht hochgradig ansteckend, selbst bei Infizierten tritt die Erkrankung häufig nicht ein, die Inkubationszeit kann Monate bis Jahre dauern und mangelnde Hygiene, Unterernährung und ein geschwächtes Immunsystem begünstigen die Erkrankung.
Aktuell Dennoch gibt die Krankheit Lepra bis heute viele Rätsel auf. 1999 hat die WHO eine weltweite Allianz zur Ausrottung ins Leben gerufen, aber noch immer ist ein Großteil der Immunologie sowie die genaue Art ihrer Übertragung nicht bekannt. Dank einer Erhöhung des Lebensstandards und moderner Medikamente ist es in vielen Ländern bereits gelungen, die Lepra zu eliminieren: Durch eine monatelange Kombinationstherapie mit mehreren Antibiotika (Multi-drug Therapie, MDT; insbesondere Rifampicin, Dapson, Clofazimin) ist – anders als früher – eine erfolgreiche Behandlung möglich. In Deutschland spielt Lepra keine Rolle mehr. Weltweit treten jährlich allerdings immer noch etwa 250 000 neue Fälle auf, hauptsächlich in Afrika, Lateinamerika und Süd-Ost-Asien.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 96.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin