© julien Tromeur / iStockphoto.com

PTA-Fortbildung 09/12

DEMENZ

Demenzielle Erkrankungen sind in einer alternden Gesellschaft ein wachsendes Problem. Der zunehmende Verlust von kognitiven Fähigkeiten bedeutet eine dramatische Belastung bei der Bewältigung des Alltags.

Seite 1/1 15 Minuten

Seite 1/1 15 Minuten

Die Deutschen werden immer älter! Die Pyramide der Demografie wird mehr und mehr auf die Spitze gestellt. Märkte und Medien haben deshalb die Zielgruppe der vitalen Senioren in den Fokus genommen. Doch die Medaille des Alters hat noch eine andere Seite. Nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit geht zurück, auch die intellektuellen Abläufe verlangsamen sich. Bei normalen Alterungsprozessen lässt das Erinnerungsvermögen irgendwann nach, typisch ist zum Beispiel, wenn ein Termin vergessen oder die Geldbörse verlegt wird.

Eine Demenz führt jedoch im Gegensatz dazu zu massiven Funktionsverlusten des Gehirns, die sich auch sehr deutlich bemerkbar machen: Nahestehende Personen werden nicht mehr erkannt und Gegenstände können nicht mehr in ihren Kontext eingeordnet werden. Die Menschen verlieren nicht nur die Fähigkeit, neue Informationen zu speichern, sondern machen durch die „Entgeistlichung” eine massiver Veränderung der Persönlichkeit durch. Damit ist ein Mensch mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium auf Hilfe angewiesen. Angehörige und Pflegekräfte stehen dann vor großen Herausforderungen.

Demenz kommt von dem lateinischen Wort dementia. Es wurde von dem französischen Psychiater Pinel für die Beschreibung von Patienten mit einer „angeeigneten Idiotie” gebraucht. Heute beschreibt der Begriff ein klinisches Syndrom als Folge einer chronischen Krankheit des Gehirns, bei der Funktionsverluste das Denken, die Lernfähigkeit, die Sprache, die Orientierung und das Urteilsvermögen betreffen. Vorraussetzung für die Diagnosestellung ist, dass die Symptome mindestens sechs Monate bestehen. In der Folge führen diese Veränderungen zum Verlust der sozialen Kompetenz.

Nicht eingeschränkt sind bei dementen Menschen die Sinneswahrnehmung und das Bewusstsein. Laien setzen Demenz und eine besondere Form der Demenz – nämlich Alzheimer – häufig gleich. In der Medizin werden die primären und die sekundären (nicht-hirnorganischen) Formen unterschieden. Letztere entstehen als Folge anderer Krankheiten, beispielsweise eines Gehirntumors, Depressionen, Morbus Parkinson sowie Gefäß- oder Stoffwechselerkrankungen. Außerdem können toxische Stoffe, Arzneimittel oder Drogen eine sekundäre Demenz hervorrufen. Folgende hirnorganische Formen machen 90 Prozent dieser Erkrankungen im Alter über 65 Jahre aus:

  • Die Alzheimer-Demenz ist mit 60 Prozent die häufigste Form. Charakteristisch sind die Schwierigkeiten im Lernprozess, bei der Aufnahme neuer Informationen, verbunden mit zunehmenden Problemen mit der Sprache und dem räumlichen Sehen. Sie ist eine degenerative, zerebrale Erkrankung, deren Ursachen bisher nicht erforscht sind. Typisch sind die neuropathologischen und neurochemischen Merkmale (Amyloidplaques und Neurofibrillenbündel).
  • Die Form mit Lewy-Körperchen umfasst etwa 15 Prozent aller Demenzerkrankungen. Die Patienten zeigen Symptome einer gestörten Kognition, Halluzinationen und parkinsonoiden Auffälligkeiten. Charakteristisch sind die neuropathologischen Veränderungen, so genannte Lewy-Körperchen in den Nervenzellen.
  • Frontotemporale Demenzen sind neuropathologisch auf eine Atrophie im Frontal- und Temporallappen des Gehirns zurückzuführen. Die Betroffenen zeigen schon sehr früh Verhaltensänderungen bei intakten räumlichen und visuellen Fähigkeiten. Typisch sind ein reduziertes Hygienebewusstsein, völliger Verlust sozialer Kontakte und keinerlei sexuelle Hemmungen.
  • Vaskuläre Demenzen entstehen in der Folge einer verminderten Blutversorgung des Gehirns, zum Beispiel nach einem Schlaganfall. Die Symptome sind nicht einheitlich, weil sie davon abhängen, welche Regionen des Gehirns besonders geschädigt wurden.

THERAPIE DER VASKULÄREN DEMENZ
Für die optimale Behandlung von Demenzpatienten muss die Form bekannt sein und bei der Auswahl der Therapeutika berücksichtigt werden. Der Nutzen von Acetylcholinesterasehemmer ist im Wesentlichen für die Behandlung der Alzheimer-Demenz nachgewiesen. Bei der vaskulären Demenz sind diese Wirkstoffe bisher nicht zugelassen, es gibt aber Hinweise auf Wirksamkeit. Memantin ist nur wenig untersucht. Werden diese Antidementiva verordnet, ist es „off lable“. Nootropika wie Nicergolin gelten als zweite Wahl bei der vaskulären Demenz. Wichtig bei Patienten mit einer vaskulären Demenz ist die Behandlung der Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörung. Insbesondere der Blutdrucksenkung und der -verdünnung kommt eine wichtige Bedeutung zu. Eine bessere Durchblutung des Gehirns wirkt einer weiteren Verschlechterung der Hirnleistung entgegen.

Im Unterschied zur Alzheimer-Demenz sind hier häufiger Störungen der Aufmerksamkeit, eine generelle Verlangsamung der Psychomotorik und depressive Symptome festzustellen. Vaskuläre Demenzen umfassen etwa 10 bis 15 Prozent der Demenzerkrankungen. Ein großer Teil der vaskulären Demenzen ließe sich durch eine gesunde Lebensweise wie Alkohol- und Rauchverzicht, Blutdrucksenkung und Gewichtsabnahme vermeiden.

Risiken Die Erkrankung ist nach ihrem Entdecker, dem Neuropathologen Alois Alzheimer, der die klinischen Merkmale bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb, benannt. Auch über 100 Jahre später ist die genaue Ursache noch nicht erklärt. Damit verbunden gibt es bisher keine nachhaltige erfolgreiche medikamentöse Therapie. Die vielfältigen Behandlungsstrategien zielen zwar auf die neuropathologischen Veränderungen, können aber das Fortschreiten der Krankheit nicht aufhalten.

Auch ist eine umfassende Primärprävention nicht möglich. Allerdings gibt es Risiko- und Schutzfaktoren. Es ist bekannt, dass hohes Lebensalter und bestimmte Risikofaktoren für Durchblutungsstörungen im Gehirn, zum Beispiel Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, übermäßiger Alkoholkonsum und Fettstoffwechselstörungen dementielle Erkrankungen begünstigen. 25 Prozent der Alzheimerpatienten gelten als familiär vorbelastet.

Dennoch ist Alzheimer keine Erkrankung, die klassischerweise mit einer hohen genetischen Prädisposition entsteht. Schließlich treten drei Viertel der Fälle sporadisch auf. Untersuchungen konnten nachweisen, dass ein hoher Bildungsstand, geistige Aktivität im Alter und soziale Kontakte sich positiv auf die Gehirnstrukturen auswirken und die kognitiven Funktionen stärken.

Pathologische Veränderungen Wissenschaftler gehen davon aus, dass die neurodegenerativen Veränderungen unter Alzheimer bereits Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen. Wenn Verhaltensauffälligkeiten sichtbar werden, sind bereits Millionen Neuronen zerstört. Neuropathologisch ist zunächst eine Vergröberung der Gehirnstrukturen zu erkennen. Später ist insbesondere die Hippocampusregion von den Abbauprozessen betroffen – das ist eine spezifische Veränderung unter Morbus Alzheimer.

Im Verlauf der Erkrankung nimmt die Gehirnmasse bis zu 20 Prozent ab. Im mittleren oder späten Krankheitsstadium lässt sich ein Alzheimerbefund über bildgebende Verfahren (Magnetresonanzspektroskopie und Computertomografie) nachweisen. Typisch für die biochemischen pathologischen Prozesse sind neben dem Verlust von Nervenzellen die Ablagerung von Amyloidplaques und die Bildung von Neurofibrillenbündel.

Diese Amyloidplaques sind Eiweißablagerungen in Gefäßwänden und an Nervenzellen. Sie reduzieren die neuronale Kommunikation und die Sauerstoffund Energieversorgung der Hirnareale. Amyloid-β-Protein ist ein Spaltprodukt eines größeren Transmembranproteins (APP – Amyloid-Prä-Protein), das bei jedem Menschen vorkommt. Die Neigung zu vermehrten Amyloidablagerungen kann – wenn auch selten – vererbt werden. Zum Beispiel bei Trisomie 21 oder der multiplen Systematrophie sind sie zu finden.

Zehn Prozent der Patienten weisen die genetische Disposition dafür auf und erkranken dann schon im frühen Lebensalter zwischen 30 und 50 Jahren. Die Neurofibrillenbündel entstehen aus Tauproteinen innerhalb der Zelle. Dieser Baustein der Zelle stabilisiert Mikrotubuli, indem es diese zu gleichmäßigen Bündeln zusammenfasst. Die Tauaktivität wird durch Einbau von Phosphatgruppen kontrolliert.

Bei Alzheimer kommt es zu einer übermäßigen Phosphorylierung und damit zur Bildung eines fehlerhaften Tauproteins, das seine Funktion nicht mehr erfüllen kann. Innerhalb der Zelle werden Transportprozesse gestört und die Stabilität beeinträchtigt. Als Folge sterben die Zellen ab. Für die pharmakologische Therapie ist bedeutsam, dass insbesondere cholinerge Neuronen an dem Zelluntergang beteiligt sind. In den Regionen des Gehirns, in denen besonders viel Acetylcholin produziert wird, dem Nucleus basalis Meynert, sind die Ablagerungen und der Zellverlust besonders massiv.

Acetylcholin ist ein wichtiger Botenstoff für die Vermittlung vieler kognitiver Prozesse (Lernen, Orientieren, Aufmerksamkeit). Im fortgeschrittenen Stadium der Alzheimerkrankheit entsteht ein Mangel an Acetylcholin, und die Kommunikation unter den Nervenzellen im Gehirn ist gestört. Demenz wird deshalb oft auch als Acetylcholinmangelsyndrom bezeichnet, weil die gesamte cholinerge Transmission bei den Betroffenen vermindert ist.

Klinisch äußert sich diese Störung zunächst in Form von Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis und verstärkt sich mit zunehmender Krankheitsdauer. Die meisten Antidementiva zielen auf eine Stabilisierung der Konzentration an Acetylcholin. Jedoch wissen Forscher, dass die Symptome aufgrund eines Acetylcholinmangels erst relativ spät im Krankheitsverlauf auftreten, nachdem schon serotonerge und noradrenerge Nervenzellen abgestorben sind und die ersten psychiatrischen Veränderungen der Patienten ausgelöst haben.

Der Verlauf ist schleichend: Auffällig wird zunächst der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, während lange zurückliegende Ereignisse noch gut erinnert werden. Ein frühes Symptom einer Alzheimer-Demenz ist außerdem eine Störung des Geruchssinns. Diese Beeinträchtigung geht einher mit der Ablagerung von Neurofibrillen im Hippokampus und entorhinalen Kortex. Weiterhin stellen sich Wortfindungsstörungen, Schwächung der Entscheidungsfähigkeit, Gedächtnis- und Lernstörungen ein.

ZIELE DER MEDIKAMENTÖSEN DEMENZTHERAPIE
+ Verlangsamung oder Stillstand des Krankheitsfortschritts
+ Verbesserung der klinischen Gesamtsymptomatik (kognitiv und nicht-kognitiv)
+ Möglichst langer Erhalt der vorhandenen Fähigkeiten
+ Möglichst langer Erhalt des sozialen Umfelds und der Alltagsfähigkeiten
+ Erleichterung der Pflege

Mit der Zeit lässt die Orientierung nach und eigentlich bekannte Orte werden nicht wiedererkannt. Im Alltag werden tägliche Aufgaben, wie Einkaufen, Kochen, Essen und Anziehen zum Problem. Häufig vollziehen sich dann auch Persönlichkeitsveränderungen. Patienten werden aggressiv, fühlen sich verfolgt und leiden häufig unter Depressionen. Diese Begleiterkrankungen sind mit Antidepressiva oder Neuroleptika zu behandeln.

Im schweren Stadium kann sich der Betroffene nicht mehr alleine zurechtfinden. Selbst in der eigenen Wohnung ist keine Orientierung mehr möglich und Personen werden nicht mehr erkannt. Auch die Motorik ist sehr eingeschränkt und bereitet beim Essen und Laufen Schwierigkeiten. In diesem Stadium sind die meisten Patienten bettlägerig und pflegebedürftig.

Diagnosestellung Mediziner sind sich einig, dass es ein wichtiges Ziel ist, eine Demenzerkrankung so früh wie möglich zu diagnostizieren. Doch welche Anzeichen geben Aufschluss? Die wichtigste Vorgehensweise ist zunächst die Ausschlussdiagnostik. Sekundär bedingte Demenzen sind heilbar, wenn die Ursache bekannt ist und behandelt werden kann. Häufig spielen andere Grunderkrankungen oder Medikamente dabei eine Rolle.

Aber auch für die primären Erkrankungen ist es wichtig, sie frühzeitig zu erkennen, um die Entwicklung von Begleiterscheinungen besonders im frühen Stadium noch herauszuzögern. Mit verschiedenen Verfahren ist es heute möglich, mit 90- prozentiger Sicherheit die Diagnose Alzheimer zu stellen. Diese kann aber erst nach dem Tode durch Autopsie zu 100 Prozent bestätigt werden.

»Antidementiva können den Krankheitsverlauf nur verlangsamen und die psychischen Symptome mildern.«

Der Arzt befragt nicht nur den Patienten selber, sondern auch Angehörige, die viel besser die pathologischen Veränderungen des Patienten beschreiben können. Mithilfe von Demenztests kann der kognitive Zustand von Patienten alle paar Monate überprüft werden. Der Mini-Mental-Status-Test ist einer dieser kognitiven Tests. Hierbei muss der Patient zum Beispiel das aktuelle Datum, den Monat oder die Jahreszeit nennen. Der Test überprüft die Fähigkeiten zur Orientierung, Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und zur Sprache. Beim so genannten Uhrentest soll eine vorgegebene Zeit in eine Blankouhr eingezeichnet werden.

Für die Differentialdiagnose einer Alzheimererkrankung werden außerdem Untersuchungen des Bluts, des Liquors und des Gehirns (mit einer Computertomografie oder einer Magnetresonanztomografie) vorgenommen. Obwohl die Wissenschaft mögliche Biomarker für die Labordiagnostik erforscht, gibt es über das Blutbild bisher keinen spezifischen Wert für Morbus Alzheimer. Die Untersuchung des Nervenwassers kann jedoch mit relativ hoher Sicherheit eine mögliche Demenz vorhersagen beziehungsweise deren Diagnose festigen.

Bildgebende Verfahren können besonders im fortgeschrittenen Stadium die Abnahme an Gehirnmasse nachweisen. Alle Untersuchungsergebnisse sollten aber immer eng mit den typischen Veränderungen der kognitiven Leistungen korrelieren, um eine Diagnose sicher zu stellen.

Therapie Alzheimer ist nicht heilbar – bis heute können Arzneimittel den Verlauf nur verlangsamen und Begleitsymptome lindern. Die Behandlung von Patienten erfolgt mit einer Kombination aus medikamentöser Therapie und nicht-medikamentöser Maßnahmen. Ziel sollte sein, die Betroffenen solange wie möglich körperlich und geistig aktiv zu halten integriert in ihrem sozialen Umfeld.

IMMER MEHR MENSCHEN BETROFFEN
Hier zu Lande leiden zurzeit etwa 1,1 Millionen Menschen unter Demenz. Statistiken der Deutschen Alzheimer Gesellschaft rechnen mit einer Zunahme dieser Zahlen auf etwa 2,6 Millionen bis zum Jahr 2050, sofern weiterhin kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt. Etwa zwei Drittel der Demenzkranken leidet unter Morbus Alzheimer – der häufigsten Form. Da die Demenz eine typische Alterserkrankung ist, steigt die Prävalenzrate mit zunehmendem Alter steil an. Weniger als drei Prozent der Erkrankten sind jünger als 65 Jahre. Dramatisch nimmt jedoch dann diese Zahl zu: Im Abstand von fünf Altersjahren verdoppelt sich die Krankenziffer. Von den 90-Jährigen leidet etwa jeder Dritte unter einer Demenz.

Antidementiva sollen die Hirnfunktionen verbessern und die Folgeerscheinungen aus dem Untergang der Nervenzellen unterdrücken. So lassen sich die Krankheitssymptome eine Zeitlang mildern und das Fortschreiten wird verzögert. Typische Vertreter der Antidementiva sind die Acetylcholinesterasehemmer (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) und Memantin.

Erste werden vorrangig zur Therapie der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz empfohlen. In den Leitlinien der führenden Gesellschaften werden sie genannt und führen zu einer Verbesserung des Gesamteindrucks. Die Alltagskompetenz bleibt länger erhalten und Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Halluzinationen, Aggressionen und Depressionen) werden zunächst gemildert.

Actylcholinesterasehemmer Da sich die Erkrankung ausgehend vom Untergang der Nervenzellen und einem damit verbundenen Actylcholinmangel entwickelt, zielen die Hemmstoffe der Acetylcholinesterase darauf, die Konzentration des Transmitters Acetylcholin im synaptischen Spalt zu erhöhen und die Aktivierung der Acetylcholinrezeptoren zu verstärken.

Die zugelassenen Wirkstoffe unterscheiden sich lediglich in der Pharmakokinetik, werden aber in ihrer Wirksamkeit gleich bewertet. Für diese Substanzen konnte ein moderater klinischer Nutzen gezeigt werden. In den ersten Monaten der Therapie lässt sich die kognitive Leistungsfähigkeit geringfügig steigern, danach nimmt sie allmählich ab und erreicht nach neun bis zwölf Monaten das Ursprungsniveau.

Dennoch gilt die Empfehlung, die Therapie weiter fortzuführen, auch wenn die anfänglichen Verbesserungen irgendwann wieder verschwinden. Die Substanzen verlieren auch nach dem ersten Jahr nicht ihre Wirksamkeit. Für alle Acetylcholinesterasehemmer gilt, sie langsam bei Therapiebeginn aufzutitrieren, um die Nebenwirkungsrate zu reduzieren. Auch nach einer Therapiepause von mehr als drei Tagen sollte wieder mit einer niedrigen Dosis begonnen werden.

Typische Nebenwirkungen dieser Gruppe sind gastrointestinale Beschwerden. Deshalb sollte die Einnahme der oralen Darreichungsformen möglichst mit der Mahlzeit erfolgen. Für Patienten mit Schluckstörungen eignen sich besonders die Tropflösung oder Schmelztablette. Weiter gibt es Kapseln oder Tabletten. Rivastigmin steht den Patienten auch in Form eines Transdermalen Therapeutischen Systems zur Verfügung.

Bei einem Vergleich der Pflasteranwendung mit der oralen Einnahme traten unter der Pflastertherapie weniger gastrointestinale Nebenwirkungen auf – dafür aber leichte Hautirritationen. Sind die Nebenwirkungen zu belastend, können diese mit Antiemetika kurzfristig behandelt werden. Eine weitere mögliche unerwünschte Wirkung von allen Substanzen dieser Familie ist die Bradykardie. Patienten, die einen Betablocker bekommen oder bereits eine Herzerkrankung haben, sollten engmaschig überprüft werden. Donepezil und Galantamin werden im Gegensatz zu Rivastigmin über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt und können daher mit anderen Arzneistoffen in Wechselwirkung treten.

Bei der Therapie mit Donepezil ist deshalb besonders die Komedikation mit Hemmstoffen oder Induktoren von CYP2D6 zu beachten. Selektive Serotonin Rezeptorantagonisten (SSRI) wie Paroxetin oder Fluoxetin, aber auch Metoprolol verstärken die Wirkung, CYP-Induktoren wie Carbamazepin oder Johanniskraut senken die Plasmaspiegel und schwächen die Wirkung. Alle drei Acetylcholinesterasehemmer interagieren mit Anticholinergika und Cholinomimetika. Die Ausscheidung von Donepezil erfolgt über die Leber, während Rivastigmin und Galantamin renal eliminiert werden.

Glutamatwirkung bremsen Lernprozesse und Gedächtnisbildung laufen unter der Wirkung des Stoffes Glutamat ab. Bei Alzheimer ist eine kontrollierte physiologische Glutamatfreisetzung jedoch nicht mehr möglich. Aufgrund einer dauerhaft übermäßigen Ausschüttung reichert sich immer mehr Glutamat im synaptischen Spalt an. Diese Überflutung führt letztendlich zu abbauenden Prozessen und zum Untergang von Nervenzellen. Diese pathologischen Vorgänge werden über den NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor vermittelt.

Memantin ist ein NMDA-Antagonist mit einer neuroprotektiven Wirkung. Er konkurriert mit Glutamat um die Bindungsstelle am Rezeptor und unterbricht so die Kommunikation. Erst höhere Konzentrationen an Glutamat verdrängen Memantin und ermöglichen die Reizweiterleitung. Die Substanz ist nur für die Therapie der mittelschweren bis schweren Alzheimererkrankung zugelassen.

NICHT-MEDIKAMENTÖSE MASSNAHMEN
Der Beginn einer Demenzerkrankung erzeugt bei den Betroffenen häufig Unsicherheit, Verstörtheit und Unruhe. Der Erkrankte merkt die ersten Anzeichen der kognitiven Leistungsminderung. Typisch sind dann Verdrängung und auch aggressives ungeduldiges Verhalten. Vor dem Start der Pharmakotherapie und später auch begleitend sind soziale Maßnahmen ein wichtiger Baustein der Therapie. Angehörige sollten versuchen, dem Dementen Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Das ist über bestimmte Strategien möglich: Strukturgebung, Akzeptanz der Person und Anregung der Sinne.

Ein fester Tagesablauf, Essensrituale, feste Schlafenszeiten und wiederholende Alltagsabläufe geben den Patienten eine Orientierung, sodass sie sich in ihrem bekannten Umfeld so lange wie möglich alleine zurecht finden. Wenn der Erkrankte erlebt, dass er für erreichte Leistungen gelobt und im Umgang mit anderen Menschen unterstützt wird, spürt er das Gefühl der Akzeptanz trotz der Krankheit. Eine weitere wirksame nicht-medikamentöse Maßnahme ist, die Sinne über Geschmack, Gerüche, Farben oder Musik anzuregen und zu stärken. Studien konnten zeigen, dass insbesondere die Musiktherapie positive Wirkung auf die Stimmungslagen von dementen Menschen hat.

Memantin darf alleine oder in Kombination mit einem Acetylcholinesterasehemmer zur Therapie gegeben werden. Allerdings kann auch dieser Wirkstoff die Krankheit nicht aufhalten. Doch verbessern sich die Alltagskompetenz und der klinische Gesamteindruck gerade im fortgeschrittenen Stadium der Alzheimer-Demenz. Insgesamt ist Memantin gut verträglich. Bei bestehender Niereninsuffizienz sollte die Dosis angepasst werden.

Nebenwirkungen, die selten vorkommen, sind Halluzinationen, Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerz, gesteigerte Libido und Müdigkeit. Dabei ist es nicht immer leicht zu unterscheiden, ob die unerwünschten Wirkungen eher auf das Medikament oder die Demenzerkrankung zurückzuführen sind. Bei schweren Nierenfunktionsstörungen, Einnahme anderer NMDA-Hemmstoffe oder Epilepsie sollte der Wirkstoff nicht zum Einsatz kommen. Ähnlich wie bei den Acetylcholinesterasehemmern wird auch Memantin langsam aufdosiert. Bisher gibt es ihn in Tropfen- und Tablettenform.

Nootropika Eine Vielzahl von Wirkstoffen wird zur Förderung der geistigen Leistungsfähigkeit eingesetzt. Bisher fehlen für den Einsatz gegen Demenz jedoch evidenzbasierte Daten. Ginkgoextrakte, Piracetam, Nicergolin und Vitamine werden neben anderen Substanzen als Nootropika verwendet. Eine nachhaltige Prophylaxe oder deutliche Beeinflussung einer fortschreitenden Demenz konnte bisher für diese Gruppe nicht nachgewiesen werden.

In den 1980er-Jahren wurden standardisierte Ginkgo-biloba-Extrakte für die Indikation „hirnorganisch bedingte Leistungsstörungen” zugelassen. Ginkgoextrakte fördern die Durchblutung. Außerdem sollen antioxidative und neuroprotektive Effekte sich günstig auf die Hirnleistung auswirken. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht ausreichend erforscht. Für die enthaltenen Flavonoide und Terpenoide (Ginkgolide, Bilobalid) sind in zahlreichen Tier- und Zellkulturversuchen die antioxidativen und anti-apoptotischen Effekte nachgewiesen worden.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt in seinem Vorbericht zu der Einschätzung, dass Ginkgo auf „Aktivitäten des täglichen Lebens” einen positiven Einfluss hat. Die Erkenntnisse zur Beurteilung der Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit erlauben noch keine abschließende Beurteilung. Ginkgo ist zur symptomatischen Behandlung des dementiellen Syndroms bei primär degenerativer oder vaskulärer Demenz, sowie Mischformen angezeigt.

Nicergolin stammt von der Gruppe der Mutterkornalkaloide ab und verbessert die Fließeigenschaften des Blutes. Der Wirkmechanismus ist nicht genau bekannt. Nicergolin soll über eine bessere Durchblutung des Gehirns das Gewebe besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.

Piracetam wirkt sich ebenfalls günstig auf die Fließeigenschaften des Blutes aus. Es wird zur Behandlung von leichten bis mittelschweren altersbedingten Hirnleistungsstörungen und anderen hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen eingesetzt. Außerdem hat Piracetam eine günstige Wirkung auf Hirnschäden infolge einer mangelnden Sauerstoff- und Glukosezufuhr zum Beispiel nach einem Schlaganfall.

Hilfe aus der ApothekeApotheker und PTA können Betroffene und Angehörige intensiv unterstützen. Vielfach sind Apothekenmitarbeiter eine erste Anlaufstelle, wenn Anzeichen von Vergesslichkeit oder Konzentrationslosigkeit auftreten. Dann heißt es: „Haben Sie nicht etwas zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit? Ich bin so vergesslich geworden.” An dieser Stelle sollte immer nachgefragt werden, für welchen Zweck das Mittel gedacht sein soll.

ZUSATZINFORMATIONEN

Konzentrationsprobleme können auch Symptom einer Depression, anderer psychischer Erkrankungen oder besonderer Belastungen sein. Deshalb ist es wichtig, sonstige Begleitsymptome ebenfalls zu ermitteln. Stellt sich dabei heraus, dass die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind, sollte der Patient ermuntert werden, den Arzt für eine genaue Diagnostik aufzusuchen. Dabei sollte der Betroffenen möglichst nicht verunsichert oder verängstigt werden, indem PTA oder Apotheker vorschnell Diagnosen, die sie nicht stellen dürfen, ins Gespräch bringen.

Ermutigung kann sein, dass der Leidensdruck durch eine klare Diagnosestellung und zielgerichtete Behandlung reduziert werden kann. Um Kunden zu unterstützen, die sich um ihre Angehörigen kümmern, können Broschüren zur Förderung der kognitiven Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit mitgegeben werden. Besteht ein deutlicher Verdacht auf eine beginnende Demenz, helfen auch spezielle Ratgeber für Angehörige, die bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft angefordert werden können.

Eine wichtige Funktion können PTA und Apotheker auch bei der Betreuung von Alzheimer-Patienten einnehmen, indem sie helfen, Nebenwirkungen zu reduzieren, die richtige Einnahme der Medikamente unterstützen und die Angehörigen informieren. 

Eine Tabelle mit Einnahmehinweisen zu Antidementiva finden Sie hier als PDF zum Download.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×