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Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

DAS TAUBE MUSIKGENIE

Seit Ludwig van Beethoven am 26. März 1827 während eines Frühlingsgewitters starb, zehren Generationen von Schriftstellern, Fach- und Laienmedizinern von der Tragödie des tauben Komponisten.

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Er gehört zu den weltweit bekanntesten Deutschen und gilt als einer der größten Komponisten aller Zeiten: Ludwig van Beethoven. Nicht nur über seine Musik, auch über seine Krankheiten sind dicke Wälzer geschrieben worden. In eine Bonner Musikerfamilie hineingeboren , wurde er von seinem Vater Johann streng musikalisch getrimmt, lernte Klavier, Orgel und Violine.

Und ähnlich wie bei Wolfgang Amadeus Mozart sorgte auch bei Beethoven der Vater dafür, dass der talentierte Sohn schon mit sieben Jahren 1778 in Köln sein erstes öffentliches Konzert gab. Erste eigene Kompositionen folgten; zweiter Hoforganist der Bonner Hofkapelle wurde er mit zwölf Jahren.

Mit sechzehn reiste er zum Studium nach Wien, musste sein Ansinnen aufgrund des Todes seiner Mutter aber begraben, da er zurück in Bonn sich als „Familienoberhaupt“ um seine beiden jüngeren Brüder und den alkoholkranken Vater kümmern musste. Von 1789 an studierte er an der Bonner Universität, verließ aber Bonn im Herbst 1793 ein zweites Mal Richtung Wien. Von dort kam er – bis auf gelegentliche Exkursionen und Badereisen – bis zu seinem Tod im März 1827 nicht mehr fort.

Früh einsetzende Schwerhörigkeit In seiner Kindheit hat Beethoven mit Sicherheit die Pocken durchgemacht, wie eine Lebendmaske aus dem Jahr 1812, die Pockennarben am Kinn aufweist, zeigt. Dass er kurzsichtig war, ist überliefert, wobei er ein Gegner von Brillen war und lieber eine Lorgnette benutzte. Dauerpatient wurde Beethoven jedoch mit einem anderen fortschreitenden Leiden: Er war bereits als 28-Jähriger schwerhörig. Völlig ertaubte er mit 48 Jahren – ein Dornenweg für einen so hoch begabten Musiker.

Die Probleme begannen 1797 auf dem linken Ohr. Hört man die 1798 zu Beginn seiner Schwerhörigkeit komponierte, schwer klingende Klaviersonate D-Dur (op. 10) „largo e mesto“, so glaubt man, etwas von der Ahnung dieses schweren Weges in der Musik wiederzufinden. 1801, im Alter von 31 Jahren, schildert Beethoven seine Symptome: Schwerhörigkeit mit Hochtonverlust und Sprachverständlichkeitsverlust, quälende Ohrgeräusche, Verzerrungen und Überempfindlichkeit für Schall.

In einem Brief an den Arzt und Bonner Jugendfreund Dr. Franz Gerhard Wegeler (1765 bis 1848) vom 29. Juni 1801 beschreibt Beethoven die dissonante Kognition von Menschen und eigener Musik: „Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden. … nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. … Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weil es mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub.

Hätte ich irgend ein anderes Fach so ging es noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand. … Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht, wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redenden, der leise spricht, kaum, ja, die Töne wohl, aber die Worte nicht, und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich.“

 VORSCHAU
In unserer Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Vincent van Gogh (Ohrensausen/Tinnitus, schizoaffektiv, bipolar)
+ Papst Johannes Paul II. (Parkinson)
+ Sven Hannavald (Burnout/psychologische Krankheiten)
+ Evita (Gebärmutterkrebs)
+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs)
+ Ludwig II (Hirnhautentzündung und Folgen)
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)

Beethoven war extrem unglücklich, resigniert, einsam („Wie ein Verbannter muss ich leben“) über seine chronisch-fortschreitende Schwerhörigkeit, versuchte sie vor der Öffentlichkeit jedoch möglichst geheimzuhalten – was verständlicherweise nur unzureichend gelang. Von etwa 1813 an verwendete Beethoven allerdings Hörrohre, um mit seiner Umgebung zu kommunizieren, ab 1818 ist der Gebrauch von „Konversationsheften“ nachzuweisen, worin die Gesprächspartner ihre Äußerungen notierten.

Weitere Erkrankungen Gegen den Gehörschwund ließ er sich zudem alle möglichen lindernden Flüssigkeiten in die Ohren träufeln. Doch die kaputten Ohren waren nicht Beethovens einziges Gesundheitsproblem. 1823 litt er über dreieinhalb Monate an „Augenweh“, wohl Folge einer lang dauernden Konjunktivitis. Rheumatische Beschwerden kamen hinzu – und außerdem litt er immer wieder unter Schnupfen, Asthma und Nasenbluten. Etwa dreißig Jahre lang und ungefähr gleichzeitig mit dem Gehörleiden traten bei Beethoven auch Koliken im Unterbauch sowie rezidivierende Diarrhöen auf. Seit 1825 wurden auch Blutungen aus der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) beschrieben.

»Vier Mal wurde Beethoven punktiert, wobei ihm die Ärzte nahezu 40 Liter Flüssigkeit abzapften.«

Sämtliche Diäten, Medikamente oder Badekuren in Karlsbad, Franzensbrunn, Teplitz, Heiligenstadt und Co. zeigten nur einen vorübergehenden Erfolg bei den beschriebenen Leiden. 1810 schrieb Beethoven sogar über seine Suizidgedanken, insbesondere hervorgerufen durch sein Ohrenleiden. Sein frühes Ableben mit 57 Jahren verdankte Ludwig van Beethoven aber in erster Linie seiner kaputten Leber – und seinen vielen Ärzten. Mindestens zehn Ärzte, oftmals sogar parallel, sowie einen heilkundlichen Geistlichen hatte er wegen seiner Erkrankungen konsultiert. Helfen konnte ihm keiner.

Tod durch ärztlichen Kunstfehler Beethovens letzte Krankheitsphase begann im Dezember 1826 mit einer Lungenentzündung. Brechdurchfälle, Gelbsucht und nächtliche Erstickungsanfälle folgten. Der Leib trieb unförmig auf. Vier Mal wurde Beethoven punktiert, wobei ihm die Ärzte nahezu 40 Liter Flüssigkeit abzapften. Seine Sektion, die Beethoven selbst angeordnet hatte in seinem „Heiligenstädter Testament“ 1802, mit dem Ziel, die Nachwelt möge die Ursache seiner Taubheit erforschen, bewies, dass Ludwig van Beethoven letztlich an den Folgen einer Schrumpfleber (Leberzirrhose) im Leberkoma starb, nachdem mehrere Bauchpunktionen zur Behebung der starken Wassersucht (Aszites) vorausgegangen waren.

ZUSATZINFORMATIONEN

Syphilis und Vergiftungen
Keine Beweise, sondern nur wilde Gerüchte, gibt es hingegen für die Diagnose Syphilis – durchaus eine Mode-Diagnose des 19. und frühen 20. Jahrhunderts–, die Beethoven immer wieder angedichtet wurde. Hingegen weisen Bleirückstände in Haaren und Schädel auf eine Vergiftung Beethovens hin.
Nicht bleihaltige Wasserrohre, bleihaltige Trinkbecher oder mit Bleizucker versetzter Wein – und Beethoven trank gern – soll letztlich zu einem Organversagen bei Beethoven geführt haben, sondern die Behandlung seines Hausarztes Dr. Andreas Wawruch, der die Lungenentzündung – wie damals üblich – mit hohen Mengen Bleisalz behandelte. Ob die Taubheit und die per Sektion festgestellten verkümmerten Hörnerven durch eine Otosklerose (Versteifung der Gehörknöchel im Mittelohr) oder eine Labyrinthitis (Innenohrentzündung) ausgelöst wurden – darüber streiten sich Gelehrte und Nichtgelehrte gerne heute noch.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 82.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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