© Fernando Gregory / 123rf.com
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Kino – schon gesehen?

DAS MEER IN MIR

Der Spanier Ramón Sampedro litt 30 Jahre unter Tetraplegie. Auf seinen Wunsch hin stellte eine Freundin ihm ein Glas Wasser mit Cyankali bereit, das er selbstständig trinken konnte: Er starb.

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Das Melodram des spanischen Regisseurs Alejandro Amenábar aus dem Jahr 2004 thematisiert nicht nur die Erkrankung CADASIL und das Gebiet der Tetraplegie (vollständige Lähmung), sondern befasst sich darüber hinaus auch mit der Problematik der Sterbehilfe.

Die Geschichte beruht auf dem authentischen Fall des galizischen Seemanns Ramón Sampedro (Javier Bardem). Der Spanier träumt vom Meer und spielt in seiner Fantasie mit den Wellen. Der Ozean ist sein Ein und Alles – er hat ihm sein Leben geschenkt, jedoch auch vor Jahren einen Teil seines Daseins genommen.

Bei einem Sprung ins Wasser erlitt Ramón einen Unfall und ist seitdem querschnittsgelähmt. Kopf, Augen und der Mund sind das einzige, was er noch bewegen kann. Er sieht seitdem in seinem Leben keinen Sinn mehr und möchte am liebsten in Würde sterben. Dafür benötigt er aktive Unterstützung, doch Sterbehilfe ist in Spanien gesetzlich verboten. Gepflegt wird er von seiner Schwägerin Manuela (Mabel Rivera) im Hause seines Bruders. Die beiden lehnen die Sterbehilfe kategorisch ab.

Überblick
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:
+ Wie ein einziger Tag (Tetraplegie)
+ Die Kameliendame (Lungen-TB)
+ Helen (Depression)
+ A Beautiful Mind (Schizophrenie)

Von der Todessehnsucht getrieben, tritt Ramón der Organisation „Würdevoll sterben“ bei, die sich für sein Anliegen einsetzt. Er lernt eine ganz besondere Frau kennen: die von der Erbkrankheit CADASIL betroffene Rechtsanwältin Julia (Belén Rueda). Sie ergreift ebenso Partei für seine Interessen. Zu ihr entwickelt Ramòn tiefe Gefühle, obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt davon ausging, nicht mehr lieben zu können. Doch Julia ist verheiratet.

Eine weitere Dame, die Fabrikarbeiterin Rosa (Lola Dueñas), gerät in sein Leben und möchte ihm zur Seite stehen. Sie ist durch eine Fernsehsendung auf sein Schicksal aufmerksam geworden, hat ihn daraufhin kontaktiert und erhofft sich nun, ihm neuen Mut zu geben. Auch sie hat Probleme, ist ledig und alleinerziehende Mutter zweier Söhne. Ihre Lebensfreude hat sie trotz allem beibehalten. Vergeblich versucht sie den Tetraplegiker davon zu überzeugen, dass seine Existenz trotz der Lähmung schön ist.

Bei dem Versuch Ramón umzustimmen, kommt es zunächst einmal zu einem Streit. Rosa gibt jedoch nicht auf und die beiden freunden sich an. Die junge Mutter verliebt sich schließlich in ihn. Sie sieht in Ramón ihren Mann fürs Leben. Als er sie dann bittet, ihm Sterbehilfe zu leisten, ist sie geschockt und lehnt dies ab. Sie scheint kein Verständnis für sein inständiges Bedürfnis zu haben. Trotz aller Zuneigung, die Ramón erfährt, sucht er nach wie vor nach einer Person, die seinem Wunsch nachkommt. Inzwischen hat Julia einen Schlaganfall erlitten. Sie entscheidet daraufhin ebenfalls, sich umzubringen. Als sie Ramóns mit dem Mund geschriebenen Gedichte erhält, beschließt sie, diese zu veröffentlichen und somit das Plädoyer für die Sterbehilfe zu stärken. Die beiden vereinbaren, am Tag der Publikation des Buches gemeinsam zu sterben.

Nach dem Erscheinen seiner Gedichtsammlung muss er jedoch schmerzlich feststellen, dass Julia sich nicht an die Abmachung hält. Sie kommt nie wieder zurück zu ihm. Letztlich ist es dann doch Rosa, die ihm seinen innigen Wunsch erfüllt. Sie stellt ihm eine tödliche Dosis an Zyankali bereit. Seinen Suizid filmt er. Vorher spricht er eine Erklärung an seine Kontrahenten aus und trinkt schließlich die tödliche Lösung.

CADASIL Es handelt sich hierbei um eine seltene, vererbliche Krankheit. Nur etwa 500 Menschen sind weltweit betroffen. Patienten haben eine hohe Neigung zu Schlaganfällen, insbesondere im mittleren Lebensalter. Klassische Apoplexien entstehen durch Arterienverkalkung. Hier liegt allerdings eine Genmutation vor, welche als Ursache für die typischen Veränderungen in den cerebralen Blutgefäßen gilt.

Im Anfangsstadium plagen sich die Patienten vorwiegend mit migräneartigen Kopfschmerzen. Später treten immer wieder kleine Schlaganfälle auf, bei denen die Gefäße kurzzeitig nicht ausreichend mit Blut versorgt werden. Als Folge zeigen sich nach und nach Abweichungen in der Hirnsubstanz, wodurch sich bei den Personen psychische Auffälligkeiten bemerkbar machen. Etwa zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr äußert sich das Leiden durch Demenz und Bewegungsstörungen. In der letzten Phase müssen die Erkrankten künstlich ernährt werden. In der Regel befinden sie sich nun im Zustand des Wachkomas. Bisher gibt es keine therapeutischen Optionen.

Tetraplegie Diese Form der Lähmung bezieht sich auf alle vier Extremitäten. Meist ist sie Folge eines traumatischen Ereignisses (z. B. ein Unfall). Infolgedessen kommt es zu Läsionen im Halsbereich des Rückenmarks, welche die spezifischen, irreversiblen Schädigungen hervorrufen. In seltenen Fällen sind entzündliche Prozesse (wie Polymyelitis) für die Problematik ausschlaggebend. Patienten ertragen stets einen extremen Verlust der Lebensqualität. Oft haben sie stechende Schmerzen in den Grenzbereichen der Lähmung. Sie sind auf Pflegepersonal und externe Hilfestellung im individuellen Umfang angewiesen.

Man differenziert zwischen einer kompletten und einer inkompletten Lähmung. Wurden die Nervenzellen vollständig zerstört, sind sowohl motorische als auch sensorische Funktionen lahmgelegt. Der Leistungsbereich der Medulla spinalis ist dann völlig unterbrochen. Bei der partiellen Form ist die Arbeit des Rückenmarks nur teilweise gestört. Unterhalb des Lähmungsniveaus sind die neurologischen Funktionen vorhanden. Die Diagnostik findet über Untersuchungen wie Röntgen und MRT statt. Um den Schweregrad der Einschränkung zu bestimmen, sind weitere, neurologische Verfahren notwendig.

Tabuthema Sterbehilfe Wie im Filmbeispiel gibt es auch in der Realität schwer kranke Menschen, die sich den Tod herbeiwünschen. Handlungen, welche die Betroffenen beim Suizid unterstützen, und die aktive Tötung sterbender Personen bezeichnet man als Sterbehilfe. In Deutschland existiert bisher kein Gesetz, das diesen Sachverhalt regelt.

Man unterscheidet verschiedene Arten: Bei der aktiven Sterbehilfe wird der Tod gezielt herbeigeführt. Oft wird in diesem Zusammenhang eine Überdosis von Schmerz-, Narkose- oder Beruhigungsmitteln verabreicht. Voraussetzung ist, dass es sich um den tatsächlichen Willen des Patienten handelt. Die passive Sterbehilfe hingegen besteht in dem Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen. Bei der indirekten Sterbehilfe wird der Zeitpunkt des Todes als Begleiterscheinung einer Medikamentengabe vorgezogen. Dies ist zum Beispiel mit der Morphingabe im Endstadium von Krebserkrankungen möglich.

Assistierter Suizid ist die so genannte Beihilfe zur Selbsttötung. Der erkrankten Person wird ein letales Mittel zur Verfügung gestellt, der Patient vollzieht den letzten Schritt jedoch selbstständig. In wenigen Ländern ist die Sterbehilfe bisher legal.

In den Niederlanden beispielsweise trat zum 1. April 2002 das „Gesetz zur Überprüfung bei Lebensbeendigung auf Verlangen und bei der Hilfe zur Selbsttötung“ in Kraft. Darin ist geregelt, dass die Tötung auf Verlangen und die Beihilfe zum Selbstmord nicht strafbar sind, vorausgesetzt sie werden von einem Arzt durchgeführt, der spezielle Sorgfaltskriterien bei dem Prozess beachtet. Auch in Belgien gibt es diesbezüglich Regelungen: Im „Gesetz zur Euthanasie“ ist festgehalten, dass die Tötung auf Verlangen durch einen Arzt unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 104.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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