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Medizinischer Dienst

BINDEGLIED IM GESUNDHEITSWESEN

Die Deutschen zahlen pro Jahr etwa 190 Milliarden Euro in die Kranken- und Pflegeversicherung ein. Damit dieses Geld mit größtem Nutzen verwendet werden kann, gibt es den MDK.

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Die gesetzlichen Krankenkassen sind für eine angemessene Versorgung ihrer Mitglieder verantwortlich. Dazu müssen sie mit Ärzten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Verträge aushandeln, wofür ein medizinisches Knowhow auf der Höhe der Zeit unabdingbar ist. Dieses Wissen bringt der Medizinische Dienst mit, dessen Mitarbeiter sich größtenteils aus Fachärzten, Sozialmedizinern und Pflegepersonal zusammensetzen.

Finanziert wird der MDK von den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, arbeitet jedoch in jedem Bundesland eigenständig. Er begutachtet und berät, damit die Mitgliedsbeiträge der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen gerecht, wirtschaftlich und zum Wohl aller verteilt werden können. In Hinsicht auf die Leistungserbringer prüft der MDK im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen zum Beispiel, ob neue Behandlungsmethoden sicher und wirtschaftlich sind, ob es flächendeckend genügend Krankenhäuser gibt und inwieweit die gesundheitliche Versorgung verbessert werden kann.

Pflegeheime und ambulante Pflegedienste werden bei unangemeldeten Besuchen überprüft, die Ergebnisse in Noten festgehalten und diese öffentlich gemacht. Dieser „Pflege-TÜV“ kann Patienten und ihren Angehörigen dann zum Beispiel dabei helfen, ein passendes Pflegeheim zu finden.

In Hinsicht auf die Versicherten schreibt der MDK Stellungnahmen, etwa zu Arbeitsunfähigkeit, Dauer und Umfang von Reha-Maßnahmen und Krankenhausaufenthalten sowie der Verordnung von Arznei- oder Hilfsmitteln. In die Behandlung selbst greift der MDK jedoch nicht ein, sondern spricht lediglich Empfehlungen aus. Über sechs Millionen Mal berät und begutachtet der MDK pro Jahr.

Zweischneidiges Schwert Angemessene Behandlung und Pflege bei möglichst geringen Kosten zu liefern, dazu haben sich die gesetzlichen Krankenkassen gegenüber der Solidargemeinschaft der Versicherten verpflichtet. Doch da beginnt das Problem: Was ist angemessen? Manche Angehörige eines Demenzkranken mögen es als angemessen empfinden, wenn sie eine 24-Stunden-Pflegekraft bezahlt bekommen, andere wären mit einem stundenweisen ambulanten Pflegedienst zufrieden.

NICHT UNFEHLBAR
Von den etwa zwei Millionen Pflegeanträgen pro Jahr, wird jeder dritte vom MDK abgelehnt. Doch dagegen kann man Widerspruch einlegen und die Chancen stehen nicht schlecht, denn 40 Prozent der Fälle werden danach anerkannt. Der Widerspruch muss innerhalb von vier Wochen eingelegt werden – die Begründung kann nachgereicht werden. Man sollte vorher von der Pflegekasse das Gutachten des MDK anfordern und genau prüfen, ob alle Angaben darin korrekt sind.

Mancher Patient hält Mehrbettzimmer im Krankenhaus für unzumutbar, andere wiederum sind für die Gesellschaft dankbar. Ist eine Behandlungsmethode wirtschaftlich, wenn sie nur wenigen Menschen helfen kann? Die Betroffenen würden diese Frage sicherlich mit „Ja“ beantworten. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen jedoch allen Versicherten gerecht werden. Die Beratung und Begutachtung durch den MDK ist daher immer ein zweischneidiges Schwert, denn zum Wohle aller ist nicht immer zum Wohle des Einzelnen.

Besonders deutlich wird das bei der Begutachtung von Anträgen, einem wesentlichen Aufgabenbereich des MDK. Ist ein Patient wirklich arbeitsunfähig? Benötigt der Pflegebedürftige tatsächlich eine umfassendere Betreuung? Ist es nötig, pflegenden Angehörigen Hilfsmittel wie zum Beispiel Windeln zu finanzieren oder kann man ihnen zumuten, mehrmals nachts aufzustehen und die Bettwäsche zu wechseln? All diese Fragen versucht der MDK in einem persönlichen Gespräch zu klären.

Mehr als zwei Millionen Pflegegutachten pro Jahr Einen großen Teil der Anträge nehmen solche auf Pflegegeld ein. Dieses wird in unterschiedlichen Höhen gewährt, je nachdem, in welche Pflegestufe man eingruppiert wird. Je stärker die Einschränkung, desto höher die Stufe und desto höher auch die finanzielle Unterstützung. Pflegebedürftige oder deren Angehörige beantragen bei den Pflegekassen eine bestimmte Pflegestufe und dieser Antrag wird vom MDK begutachtet. Dazu machen die Mitarbeiter angekündigte Hausbesuche. In einem Gespräch und bei einer Begehung der Räume wird überprüft, ob der Antrag berechtigt ist oder nicht.

Wer hat Angst vorm MDK? Viele Angehörige fürchten diesen Termin, denn die knappe Stunde, in der ein Mitarbeiter des MDK vor Ort ist, reicht für eine umfassende Beurteilung nicht aus. Es bleibt immer nur eine Momentaufnahme der Situation, was gerade bei dementen Menschen schwierig sein kann. Möglicherweise sind sie in der Besuchszeit klarer als sonst, was zu einer falschen Einstufung oder einer Abweisung des Antrags auf Pflegegeld führen kann.

Oder der Pflegebedürftige will keine Schwäche zeigen, weil er sein ganzes Leben lang unabhängig war, und reißt sich beim Besuch besonders zusammen. Daher ist es wichtig, auf den Besuch des MDK gut vorbereitet zu sein. Dazu gehört auch, sich alle Fragen vorher aufzuschreiben, damit man während des Gesprächs nichts Wichtiges vergisst.

ZUSATZINFORMATIONEN

Hilfe von verschiedenen Stellen
Kostenlose Hilfe zur Vorbereitung auf den Besuch des MDK bieten die Pflegestützpunkte der Krankenkassen, soziale Dienste und Wohlfahrtsverbände. Private Pflegeberater gibt es auch, sie sind allerdings kostenpflichtig. Pflegeberater empfehlen, beim Besuch weniger von „helfen“ oder „unterstützen“ zu sprechen, da diese Wortwahl nicht die Dringlichkeit der Situation zeigt.

Besser treffen es „Anleitung“ und „Beaufsichtigung“, denn nur so wird dem MDK klar, ob der Pflegebedürftige wirklich nicht in der Lage ist, diese Aufgaben alleine durchzuführen. Vor dem Gespräch sollte man sich außerdem aktuelle ärztliche Berichte zurechtlegen sowie eine Aufstellung über benötigte Medikamente und Hilfsmittel.
 
Hilfreich ist auch ein Pflegetagebuch, welches man eine Woche vor dem Termin beginnt. Darin müssen alle Hilfestellungen detailliert mit Zeitangaben aufgeführt sein, und unter der richtigen Rubrik. Der Gang zur Toilette fällt zum Beispiel unter die Rubrik Mobilität, der Rest unter Körperpflege – Details, die für die Einstufung wichtig sind. So bekommt der MKD jenseits der Momentaufnahme beim Besuch einen eingehenderen Überblick über den Alltag des Pflegebedürftigen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 126.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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