© M. Johannsen / fotolia.com
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Strahlung in der Medizin

BEHANDLUNG MIT ENERGIE

Viele Menschen assoziieren mit dem Wort (Be)Strahlung erst einmal Gefahr. Doch gezielt eingesetzt kann sie Krankheiten heilen und Beschwerden lindern – da schnell wachsende Krebszellen häufig empfindlicher auf Strahlen reagieren.

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Hauptanwendungsgebiet der Strahlentherapie sind Krebserkrankungen. Dort kommt sie als Monotherapie oder in Kombination mit einer Operation oder Chemotherapie zum Einsatz. Das Wirkprinzip besteht darin, den Tumor mit energiereicher Strahlung zu durchdringen. Dabei wird die Strahlung abgebremst und Energie freigesetzt. Dies führt zu Ionisierungsvorgängen in den getroffenen Zellen.

Die neu entstandenen positiven und negativen Teilchen sind sehr reaktiv und reagieren sofort mit weiteren Molekülen in ihrer Umgebung, sodass zusätzliche Schäden auftreten. Auf diese Weise werden die Erbsubstanz DNS geschädigt, die Zellteilung gehemmt oder die Zellen in den Selbstmord getrieben. Der Tumor kann somit kontrolliert oder sogar zerstört werden. Wenn keine Heilung ab einem gewissen Stadium mehr möglich ist, kann die Strahlentherapie auch palliativ, etwa zur Behandlung der Schmerzen bei Knochenmetastasen, eingesetzt werden.

Kurative Strahlentherapie Hier gilt das oberste Prinzip, den Tumor so zielgenau wie möglich zu bestrahlen und das umliegende Gewebe zu schonen. Dabei macht man sich zunutze, dass schnell wachsende Krebszellen häufig empfindlicher auf Strahlen reagieren als gesundes Gewebe – Letzteres ist eher in der Lage, entstandene Schäden zu reparieren. Dies ist der Hauptgrund, warum bei einer Strahlentherapie die Gesamtstrahlendosis meist in Einzeldosen aufgeteilt über mehrere Tage beziehungsweise Wochen verabreicht wird:

Da die Strahlen auf ihrem Weg zum Tumor die Haut sowie gesundes Gewebe durchlaufen müssen, ist eine vollständige Schonung des umliegenden Gewebes nicht möglich. Durch die Pausen zwischen den einzelnen Bestrahlungen, erhält das gesunde Gewebe die Gelegenheit entstandene Schäden zumindest teilweise zu reparieren.

Zudem werden Tumoren oftmals aus verschiedenen Richtungen bestrahlt – auch dies mit dem Ziel, den Tumor selbst mit einer möglichst hohen Dosis zu treffen und das Gewebe ringsum so wenig wie möglich zu belasten. Auf diese Weise lassen sich Nebenwirkungen minimieren.

Bestrahlung von außen In den meisten Fällen erfolgt sie durch die Haut. Dazu wird der Therapiestrahl, meist ein Photonen- und seltener ein Elektronenstrahl, mit einem Linearbeschleuniger erzeugt. Noch weitgehend in der Entwicklung befindet sich die Therapie mit Protonen- und Schwerionenstrahlen. Der Vorteil dieser neuen Verfahren ist, dass hier die Energie kaum bereits unterwegs im gesunden Gewebe, sondern fast ausschließlich in der Zielregion abgegeben wird.

»Bei der neuen Radioimmuntherapie werden Radioisotope an monoklonale Antikörper gekoppelt, die spezifisch an Krebszellen binden.«

Das bedeutet aber auch, dass die Behandler bei der Bestrahlung das Zielgebiet ganz genau treffen müssen. Um dies – auch bei derzeit gängigen Verfahren – zu gewährleisten, geht der eigentlichen Bestrahlung eine detaillierte Bestrahlungsplanung voraus: Anhand der Krankengeschichte und aller vorliegenden Befunde sowie computer-, magnetresonanztomografischer oder Röntgenaufnahmen legt der Strahlentherapeut das Zielvolumen sowie die zu verabreichende Strahlendosis fest. Vor der eigentlichen Behandlung wird zunächst eine Bestrahlung simuliert.

Abhängig von der Art der Erkrankung und des Zieles der Behandlung kommen unterschiedliche Bestrahlungstechniken zum Einsatz. So wird etwa nach einer Brustkrebsoperation die Region mit einem flachen Bestrahlungsfeld bestrahlt, um eventuell dort verbliebene Krebszellen abzutöten. Soll dagegen ein definierter dreidimensionaler Tumor zerstört werden, kommt eine so genannte Konformationsbestrahlung zum Einsatz, bei der die Zielregion der Bestrahlung mithilfe von Blenden und Filtern möglichst exakt an die Form des Tumors angepasst wird.

Technische Weiterentwicklungen wie die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) oder die bildgesteuerte Strahlentherapie erlauben eine immer präzisere Bestrahlung des Zielvolumens. Mithilfe der Radiochirurgie wird ein Tumor einmalig, aber dafür extrem genau und mit hoher Dosis bestrahlt, sodass er direkt zerstört wird. Dieses Verfahren wird hauptsächlich bei kleinen Hirntumoren eingesetzt.

Die Strahlung am Zielort platzieren Eine möglichst ausschließliche Bestrahlung des Zielvolumens ist auch das Prinzip der Brachytherapie (von brachys: kurz). Bei diesem Verfahren wird eine Strahlenquelle in der direkten Nähe des Tumors platziert beziehungsweise in diesen eingebracht.

Dies geschieht heute meist im Afterloading-Verfahren: Dazu werden Schläuche und Applikatoren an der entsprechenden Stelle im Körper positioniert und dann – zum Schutz des Personals – ferngesteuert mit radioaktiven Strahlenquellen beschickt. Dafür ist, besonders wenn ein Tumor direkt mit Strahlenquellen gespickt werden soll, meist ein chirurgischer Eingriff nötig. Außerdem kann die Brachytherapie beispielsweise intrakavitär angewendet werden, indem etwa bei gynäkologischen Tumoren die Strahlenquelle zur Bestrahlung intravaginal platziert wird.

Weitere bewährte sowie neue Verfahren zielen ebenfalls darauf ab, die Strahlung möglichst auf die Tumorzellen zu beschränken: Bei der klassischen Radiojodtherapie zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs nutzt man aus, dass möglicherweise nach der Operation im Körper verbliebene Tumorzellen oder Metastasen Jod speichern. Das radioaktive Jod zerstört somit gezielt die Tumorzellen, ohne dass gesundes Gewebe wesentlich beeinträchtigt wird.

Bei der neuen Radioimmuntherapie werden Radioisotope an monoklonale Antikörper gekoppelt, die spezifisch an Krebszellen binden. Dieses Prinzip wird zurzeit bei malignen B-Zell-Lymphomen und Non-Hodgkin-Lymphomen angewandt.

Nebenwirkungen der Strahlentherapie treten vor allem am Ort der Bestrahlung auf. Zudem kann es zu Müdigkeit oder Übelkeit kommen. Man unterscheidet Frühreaktionen wie Reizungen der Haut oder Entzündungen von Schleimhäuten im bestrahlten Gebiet und Spätreaktionen wie Verhärtungen und Vernarbungen im Gewebe, die zum Teil erst Jahre später entstehen können. Zudem besteht das Risiko, dass durch die Bestrahlung stochastische Strahlenschäden in gesundem Gewebe entstehen, die dann wiederum zu neuen Krebserkrankungen führen können. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung ist daher Standard.

Anwendungsgebiete außerhalb der Onkologie Hier wird die Strahlentherapie vor allem bei degenerativen Gelenkerkrankungen, dem Fersensporn oder bei Schulterschmerzen eingesetzt. Auch bei funktionellen Erkrankungen wird sie angewendet. Somit werden deutlich niedrigere Strahlendosen verwendet als in der Krebstherapie.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 100.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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