© Die PTA in der Apotheke
© Die PTA in der Apotheke

Schwindel

AUS DEM GLEICHGEWICHT

Ob im Gebirge oder beim Lesen im Auto: Situationsbedingte Schwindelattacken kennt wohl jeder. Doch muss bei solchen ohne offensichtlichen Grund nach den Ursachen geforscht werden.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Vertigo ist vielmehr ein weit verbreitetes Symptom und keine eigenständige Krankheit. Etwa jeder zehnte Patient in der allgemeinmedizinischen Praxis wird von Schwindelgefühlen und Gleichgewichtsstörungen geplagt. Neben Kopf- und Rückenschmerzen gehört Schwindel somit zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Vor allem älteren Menschen macht er zu schaffen: Im Rentenalter leiden schätzungsweise 30 Prozent der Bevölkerung darunter.

Auf unterschiedliche Weise kann das lästige Übel Menschen aus der Balance bringen: Die einen haben das Gefühl, die Welt würde um sie kreisen, andere glauben, sich selbst fortwährend wie auf einem Karussell zu drehen, dritte verspüren ein Schwanken, als ob sie sich auf hoher See befänden. Benommenheit, Unsicherheiten beim Gehen und Fallneigung sind ebenfalls charakteristisch. Oft geht Schwindel mit weiteren Beschwerden einher, beispielsweise mit Übelkeit, Erbrechen, Ohrgeräuschen, Druck im Ohr oder Kopfschmerzen.

Ein Symptom, viele Ursachen Mögliche Ursachen für Schwindelanfälle gibt es viele: So können sie Leit- oder Begleitsymptom zahlreicher Erkrankungen sein. Akut einsetzender Schwindel ist häufig auf eine neurologische Störung zurückzuführen, beispielsweise auf eine Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr. Häufig ist es auch ein psychisches Symptom, beispielsweise eine Angststörung. Auch viele chronische Krankheiten wie Alzheimer Demenz und Herz-Kreislauf-Leiden können damit einhergehen. Bekannt ist ebenfalls, dass zahlreiche Medikamente sowie Alkohol Schwindelgefühle erzeugen können.

Die Vielzahl möglicher Ursachen erfordert es bei Schwindel ohne situationsbedingten und offensichtlichen Grund auf jeden Fall, den Arzt aufzusuchen. Das ist auch der wichtigste Rat, den Sie von Schwindel geplagten Apothekenkunden mit auf den Weg geben können. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt, der seine Patienten dann an Fachärzte – wie den Neurologen, Orthopäden, HNO- oder Augenarzt – überweisen kann.

Schwindel hat viele Gesichter Häufige und wichtige Schwindelformen sind:

  • gutartiger Lagerungsschwindel Der beninge periphere paroxysmale Lagerungsschwindel ist die häufigste krankhafte Form überhaupt. Er kommt vor allem bei älteren Menschen vor, typischerweise nach schnellen Bewegungen des Kopfes, etwa beim nächtlichen Umdrehen. Normalerweise hält er nur Sekunden an. Meist entsteht die Erkrankung durch Steinchen, die sich in den Bogengängen des Gleichgewichtsorgans bilden. Durch Drehung des Patienten (Lagerungstraining) ist es möglich, die Ablagerungen zu lösen.
  • anhaltender Drehschwindel Er verursacht eine Neuritis vestibularis, eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Ihr liegt häufig eine Infektion mit Herpesviren zugrunde. Die Erkrankung tritt bevorzugt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr auf. Betroffene klagen über anhaltenden Drehschwindel, verbunden mit starker Übelkeit, Erbrechen und Fallneigung. Die Beschwerden lassen nach ein bis zwei Wochen wieder nach, der Heilungsprozess lässt sich durch eine zeitlich begrenzte Behandlung mit Kortisonpräparaten und gezieltes Gleichgewichtstraining beschleunigen.
  • phobischer Schwankschwindel Die auch als Angstschwindel bezeichnete Krankheit beginnt häufig im Zusammenhang mit psychischen Belastungen. Typischerweise kommt es dann in Situationen, die bei Betroffenen Angst auslösen (z. B. beim Überqueren einer Brücke), zu den Schwindelattacken. Bei der Behandlung kommt es vor allem darauf an, den psychischen Ursachen auf den Grund zu gehen. Der phobische Schwankschwindel ist dann gut behandelbar.
  • Menière-Krankheit Die Erkrankung, bei der die Produktion von Innenohrflüssigkeit gestört ist, tritt sehr häufig zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf. Charakteristisch sind neben heftigem, minutenlangem Drehschwindel auch Ohrgeräusche, Druckgefühl auf dem betroffenen Ohr, Übelkeit und Erbrechen. In der akuten Krankheitsphase ist die Gabe von Antivertiginosa sinnvoll, die den Schwindel dämpfen. Grundsätzlich verfolgt die Behandlung beim Morbus Menière das Ziel, Schwindelattacken zu reduzieren. Dazu werden unter Umständen Medikamente wie Betahistin eingesetzt.
  • Schwindelmigräne Hierbei handelt es sich um eine Sonderform der Migräne. Einige Patienten klagen ausschließlich über Schwindel, bei der Mehrzahl treten jedoch auch Kopfschmerzen und andere Symptome auf. Wichtiges therapeutisches Ziel ist die Vermeidung von Migräneattacken. Tritt die Schwindelmigräne regelmäßig auf, ist eventuell die prophylaktische Einnahme von Betablockern angezeigt.

DER GLEICHGEWICHTSSINN
Im Innenohr befindet sich unser Gleichgewichtsorgan, das aus drei Kanälen (Bogengängen) besteht,
die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Jeder Bogengang mündet in eine Ausbuchtung, in der sich feine
Härchen befinden. Bewegt der Mensch seinen Kopf, werden die Härchen durch die Flüssigkeit in einen oder mehrere Bogengänge gezogen. Die Härchen registrieren, wie sich der Kopf bewegt, und übermitteln die Information über Nervensignale ans Gehirn. Hier werden die Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan verarbeitet und von anderen Reizen, die von Augen, Gelenken und Muskeln geliefert werden, ergänzt. Schwindel entsteht, wenn von verschiedenen Organen – beispielsweise
Augen und Gleichgewichtsorgan – widersprüchliche Informationen ans Gehirn gesendet werden.

Rat aus der Apotheke Lediglich bei einigen wenigen Schwindelformen mit eindeutig diagnostizierter Ursache können Sie Apothekenkunden Präparate für die Selbstmedikation empfehlen. Kunden, die durch die Reisekrankheit (Kinetose) von Schwindel und Übelkeit geplagt werden, können von Reisetabletten oder -kaugummis mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat profitieren. Auch Ingwerpräparate sind hier eine Therapieoption. Steht fest, dass Schwindel durch niedrigen Blutdruck (Hypotonie) hervorgerufen wird, können Arzneimittel mit dem Wirkstoff Etilefrin die Herzleistung anregen und so den Kreislauf in Schwung bringen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 ab Seite 58.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

×