geteiltes Bild links blau und rechts rot darauf ist ein Herz zu sehen mit Vorhofflimmern© wildpixel / iStock / Getty Images Plus
Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind mit 35 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland.

Aufnahme in Produktinformationen

NEBENWIRKUNG VORHOFFLIMMERN BEI BESTIMMTEN OMEGA-3-PRÄPARATEN

Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind mit 35 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland. Fachgesellschaften empfehlen unterstützend die Einnahme von Omega 3-Fettsäuren. Eine Anordnung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA lässt jetzt aufhorchen. 

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Die EMA empfiehlt die Aufnahme von Vorhofflimmern als häufige Nebenwirkung in die Packungsbeilage von Produkten, die Ethylester von Omega 3-Fettsäuren enthalten. Hintergrund ist eine neue Auswertung der Daten zu diesen Präparaten.

In Deutschland wurde das einzige betroffene Arzneimittel Vazkepa® bereits letztes Jahr aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen. Aber gilt die Warnung auch für andere Produkte?
 

Neue Empfehlungen

Vazkepa®, welches in anderen europäischen Ländern weiter im Handel ist, enthält eine Vorstufe der Eicosapentaensäure (EPA) namens Icosapent-Ethyl. Es überzeugte in seiner Zulassungsstudie namens REDUCE-IT mit deutlichen Ergebnissen. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und weitere kardiovaskuläre Erkrankungen konnte das Auftreten solcher Ereignisse um bis zu 25 Prozent gesenkt werden.

Nun hat der Pharmakovigilanz-Ausschuss der EMA alle Daten zu dem Wirkstoff neu bewertet. Das Ergebnis: Vorhofflimmern soll zukünftig in die Liste der häufigen Nebenwirkungen aller Omega 3-Fettsäure-Ethylester aufgenommen werden. Bereits in REDUCE-IT trat der unerwünschte Effekt auf. Spätere Metaanalysen bestätigten, dass besonders bei Patienten mit Vorhofflimmern in der Vorgeschichte das Risiko unter Einnahme von Vazkepa® erheblich stieg. Die Häufigkeit ist dosisabhängig und bei der empfohlenen Tagesdosis von vier Gramm am größten. Die EMA empfiehlt bei Auftreten von Vorhofflimmern unter der Therapie mit Vazkepa®, das Präparat sofort abzusetzen.

Das weitere Vorgehen ist nun Formsache. Zunächst werden Fachkreise und Patienten durch eine Direct Healthcare Professional Communication (in Deutschland entspricht das einem Rote-Hand-Brief) informiert. Dieses wird weitergeleitet an die Koordinationsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentrale Verfahren. Stimmt diese zu, tritt die Anordnung zur Änderung der Produktinformationen in Kraft. 
 

Omega 3-Fettsäuren unterscheiden sich

In Deutschland gab Vazkepa® nur ein kurzes Gastspiel. Nach seiner Markteinführung 2021 stellte der Hersteller Amarin bereits im September 2022 den Vertrieb ein. Die Begründung: gescheiterte Verhandlungen mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) um den Erstattungspreis. In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Schweden und Frankreich ist Vazkepa® nach wie vor erhältlich. 

Der Wirkstoff in Vazkepa® ist ein Prodrug. Bereits bei der Resorption wird der Ester zu seinem aktiven Metaboliten Eicosapentaensäure (EPA) umgebaut. Neben Docosahexaensäure (DHA) und α-Linolensäure zählt EPA zu den Omega-3-Fetttsäuren. Diese sind vor allem in Seefisch enthalten. Sie tragen zur Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes bei und besitzen entzündungshemmende Eigenschaften. Außerdem können sie zu einer Senkung des Triglyceridspiegels im Blut führen. 

Der Wirkmechanismus von Icosapent-Ethyl beruht nicht allein auf einer Senkung erhöhter Triglyceridwerte bei den behandelten Patienten, sondern auf weiteren positiven Wirkungen besonders von EPA. Sie wirkt antioxidativ, hemmt die Thrombozytenaggregation, senkt leicht den Blutdruck und schützt die Gefäßwände. EPA stabilisiert oder verkleinert die Plaques, also die Ablagerungen in den Blutgefäßen. Löst sich eine solche Plaque, die vor allem durch erhöhte Triglycerid- und Cholesterinspiegel entsteht, kann sie Gefäße verstopfen und zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Thrombosen führen. 
 

Achtung am HV

Die anfängliche Euphorie, die Vazkepa® durch seine Studienergebnisse ausgelöst hat, dürfte durch die neuen Erkenntnisse einen Dämpfer bekommen. Generell zeichnet sich ab, dass Omega 3-Fettsäuren bei Patienten, bei denen bereits Vorhofflimmern aufgetreten ist, nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Bewertung zum Einsatz kommen sollten. Sie haben zwar bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen positive Effekte. Metaanalysen empfehlen jedoch, die Dosis bei Vorbelastung des Patienten möglichst niedrig zu wählen, denn alle Omega-3-Fettsäuren scheinen das Risiko für Vorhofflimmern zu erhöhen. Für die Beratung in der Apotheke ist eine enge Abstimmung mit dem behandelnden Arzt also sehr wichtig. 

Quellen:
​​​​​​​https://www.pharmazeutische-zeitung.de/vorhofflimmern-als-haeufige-nebenwirkung-142830/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/vazkepa-nicht-mehr-im-handel-135382/
https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8269/2022-02-17_AM-RL-XII_Icosapent-Ethyl_D-726_TrG.pdf
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/comeback-der-fischoel-kapsel-128339/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-35-2022/vazkepa-zulassungsstudie-saeht-zweifel
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2021/daz-48-2021/omega-3-fettsaeuren-die-zweifel-bleiben
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34505026/
https://www.ahajournals.org/doi/pdf/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.055654
 

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