Frau bei Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse.© peakSTOCK / iStock / Getty Images

Hashimoto

ATTACKE AUF DIE SCHILDDRÜSE

Vor 110 Jahren war der japanische Arzt Haruko Hashimoto der Erste, der die lymphozytäre Thyreoiditis beschrieb. Daher wurde sie später nach ihm benannt und wird heutzutage als Hashimoto-Thyreoiditis oder einfach als Hashimoto bezeichnet.

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Bei der Hashimoto-Thyreoiditis handelt es sich um eine Autoimmunthyreopathie des Typs 1A und des Typs 2A, bei der es zu einer Hypertrophie, also einer Vergrößerung der Schilddrüse kommt. Es entsteht die landläufig als „Kropf“ bezeichnete Halsverdickung. Schon deutlich früher als Haruko Hashimoto, nämlich 1878, beschrieb der britische Chirurg am Londoner St. Thomas Hospital, William Miller Ord, die Autoimmunthyreopathie Typ 1B und Typ 2B, bei der genau das Gegenteil, nämlich eine Verkleinerung, also eine Atrophie der Schilddrüse, eintritt.

Diese Version nennt man erwartungsgemäß Ord-Thyreoiditis. Wir sehen, dass schon seit langer Zeit diese chronische Erkrankung die Wissenschaft und die Mediziner umtrieb. Sicherlich liegt es auch daran, dass früher relativ häufig verschiedenste Schilddrüsenentzündung auftraten. Sie können, wie man heute weiß, auch durch Krankheitserreger ausgelöst werden kann. An vorderster Front sind das neben Streptokokken und Staphylokokken vor allem Pneumokokken und das Darmbakterium Escherichia coli. Ihren Weg in die Schilddrüse finden diese Erreger nicht selten über die Lymphgefäße.

Haruko Hashimoto ging weiter Offensichtlich lag es Herrn Hashimoto sehr am Herzen, neben der akuten Schilddrüsenentzündung, die nach einer bestimmten Zeit wieder abklingt, die Ursache für eine deutlich belastendere Variante herauszufinden, nämlich für die chronische und mit weitaus dramatischeren Folgen einhergehende Version. Der menschliche Körper ist ohnehin ständig vielen Angriffen von außen ausgesetzt, und das Immunsystem hat ganze Arbeit bei der permanenten Abwehr unterschiedlichster Erreger zu leisten.

Wie verstörend ist es dann jedoch, wenn sich eben dieses Immunsystem als Urheber, als Verursacher von Erkrankungen und Schäden und somit als Feind entpuppt. Dies ist der Fall, wenn es zu Autoimmunreaktionen kommt, wenn also das Immunsystem gegen den eigenen Körper arbeitet. Die Ursachen für solcherlei Erscheinungen sind noch nicht eindeutig geklärt, jedoch vermuten Mediziner und die Wissenschaft, dass stets mehrere Auslöser verantwortlich sind. Vielfach spielt die genetische Veranlagung eine wichtige Rolle, wie es zum Beispiel bei Morbus Crohn, Multi- pler Sklerose und Rheumatoider Arthritis der Fall ist.

Der Kampf in der Drüse Haruko Hashimoto fand heraus, dass sich bei dieser Immunsystemstörung Antikörper im Blut bilden, die eine entzündliche Reaktion in der Schilddrüse und eine Störung der Schilddrüsenhormonproduktion hervorrufen. Diese Antikörper richten sich gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-AK), die bei der Oxidation von Jodid im Rahmen der Synthese des Schilddrüsenhormons Thyroxin beteiligt ist, und gegen Thyreoglobulin (Tg-AK) ein Protein der Schilddrüse, an dem die Schilddrüsenhormonsynthese von Thyroxin und Triiodthyronin abläuft.

Je länger der Angriff des Immunsystems auf die Schilddrüse dauert, umso stärker läuft der Patient in die Schilddrüsenunterfunktion. Verwirrend ist zu Beginn der Erkrankung, dass der Körper zunächst auf die Hormonspeicher der Schilddrüse zurückgreift, was nicht selten kurzfristig Symptome einer Überfunktion zur Folge hat. Schließlich kommt es jedoch zur Unterfunktion mit den damit verbundenen Beschwerden.

Die Unterfunktion und ihre Folgen Zu den häufigsten Symptomen zählen Müdigkeit, Muskelschwäche bis hin zu Muskelschmerzen, Flüssigkeitsansammlung in den Augenlidern, erhöhtes Schlafbedürfnis, Gedächtnisschwäche, chronische Obstipation, Kälteempfindlichkeit, aufgeschwemmtes Erscheinungsbild des Gesichts, der Beine und der Arme sowie zahlreiche weitere Beschwerden. So klagen Frauen häufig über unregelmäßige Montagsblutungen und eine verminderte Empfängnisfähigkeit, Männer leiden oft unter nachlassendem Lustempfinden und Potenzstörungen. Die Schilddrüsenunterfunktion kann sogar aufgrund der Verkalkung der Herzkranzgefäße zu Herzmuskelschwäche führen.

Zusammenhänge Zusätzlich belastend wird es für den Patienten, wenn die Hashimoto-Thyreoiditis mit einer oder mehreren anderen Autoimmun- erkrankungen zusammentrifft, was nicht selten der Fall ist. So können Patienten parallel an der Weißfleckenkrankheit Vitiligio, an Vitamin-B12-Mangel aufgrund einer autoimmunen Magenzellschädigung, an Zöliakie, Morbus Addison oder Diabetes mellitus Typ 1 erkranken, was gesonderte Therapien erfordert. Zum Glück kann einiges getan werden, damit Hashimoto-Betroffene ein normales Leben führen können.

Die erste Maßnahme ist eine Blutuntersuchung, um herauszufinden, wie es um den TSH-Wert bestellt ist. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon. Dieses in der Hirnanhangdrüse produzierte Hormon regt die Schilddrüse an, die Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) herzustellen. Wertabweichungen dieser Hormone sind im Blutserum feststellbar und lassen Rückschlüsse auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse zu. Bei einer Therapie ist wegen des Ausfalls der körpereigenen Schilddrüsenhormonproduktion die Einnahme von entsprechenden Hormonpräparaten zwingend vonnöten.

Leider sind die entstandenen Schäden irreversibel, aber das fehlende Hormon Thyroxin kann in Form von Levothyroxin (L-Thyroxin), medikamentös supplementiert werden – das allerdings ein Leben lang. Der Patient kann mit einer deutlichen Verbesserung seines Zustands bis hin zum kompletten Verschwinden der Beschwerden rechnen. Regelmäßige Kontrollen ab dem 30. Lebensjahr, erst recht bei genetischer Prädisposition, können schwere Verläufe der Hashimoto-Erkrankung vermeiden. Beraten Sie Ihre Kunden dementsprechend, 110 Jahre Forschung und Erfahrung sollen ihnen auch künftig zugutekommen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2022 ab Seite 100.

Wolfram Glatzel, freier Journalist

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