Politik

ARZNEIMITTELRECHT IM JAHRESRÜCKBLICK – TEIL 1

Es fällt neben dem Tagesgeschäft nicht leicht, bei der Vielzahl neuer Gesetze und Verordnungen im Arzneimittelbereich den Überblick zu bewahren. Ein Rückblick in zwei Teilen mit den wichtigsten Neuregelungen soll dabei helfen.

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Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz trat mit dem Jahreswechsel in Kraft und bescherte den Apotheken erhebliche finanzielle Belastungen. Das Gesetz brachte unter anderem die frühe Nutzenbewertung bei Arzneimittelinnovationen, die Mehrkostenregelung bei Rabattarzneimitteln und die Einbeziehung der privaten Krankenversicherung in die gesetzlichen Arzneirabatte. Zeitgleich trat die Arzneimittelnutzenverordnung in Kraft, die die Maßstäbe der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel bestimmt.

Eine erste Nutzenfrühbewertung liegt inzwischen vor. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen attestierte Ticagrelor einen Zusatznutzen für bestimmte Personen mit akuten Herzbeschwerden (ohne typische EKG-Veränderungen). Zum Jahreswechsel wurde darüber hinaus im Amtsblatt der Europäischen Union das EG-Pharmapaket zur Optimierung der Pharmakovigilanz veröffentlicht. Die Bestimmungen der Richtlinie müssen von den Mitgliedsstaaten national bis Mitte 2012 umgesetzt werden. Ferner trat das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) am 1. Januar in Kraft, das Defizite verhindern soll.

Januar bis MärzRoutinemäßig wurde im 1. Quartal zudem die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert. Die 10. Änderungsverordnung brachte unter anderem die Verschreibungspflicht für Pseudoephedrin-haltige Humanarzneimittel, die mehr als 720 Milligramm Pseudoephedrin pro Packung enthalten.

April bis Juni Auch im 2. Quartal war der Gesetzgeber aktiv. Im April legte das Bundesministerium für Gesundheit ein Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung der Apothekenbetriebsordnung vor, dem im Oktober ein zurzeit heiß diskutierter Referentenentwurf folgte. Streitpunkte sind insbesondere Erleichterungen für Filialapotheken und Ungleichbehandlung von Vor-Ort- und Versand-Apotheke. Unstrittig hingegen ist, dass die Qualität von Rezeptur- und Defekturarzneimittel verbessert und die Beratung weiter optimiert werden sollen. Fraglich scheint, ob bis zum Inkrafttreten der Verordnung Mitte 2012 eine Lösung für die Pick-up-Problematik gefunden wird.

Die „Dritte Verordnung zur Änderung der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel“ trat am 1. Mai in Kraft. Mit dieser Änderungsverordnung wurden bestehende Ausnahmeregelungen von der Apothekenpflicht und damit die Möglichkeiten zur Selbstmedikation ohne Beratung in der Apotheke erweitert. Dies trifft beispielsweise für ätherisches Eukalyptus- und Minzöl, Baldrianextrakt und Artischockenzubereitungen zu.

Ende Mai wurde zudem das Tierarzneimittelrecht geändert. Durch die Änderung ist nunmehr auch der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln zugelassen. Lediglich für Arzneimittel, die auch bei Tieren angewendet werden, die der Lebensmittelgewinnung dienen, verbleibt es bei einem Versandverbot. Apotheken, die eine entsprechende Erlaubnis besitzen, dürfen Tierarzneimittel versenden, sofern diese ausschließlich für Tiere zugelassen sind, die nicht in die Lebensmittelproduktion gelangen. Auch Tierärzten ist es im Rahmen des Betriebs einer tierärztlichen Hausapotheke für Einzeltiere erlaubt, Arzneimittel im Wege des Versandes abzugeben.

Was geschah noch Schließlich wurde in der ersten Jahreshälfte das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Es soll die Versorgungssituation von Patienten zum 01. 01.2012 spürbar verbessern. Auch der Arzneimittelbereich wird von diesem Gesetz berührt. Krankenkassen sollen freiverkäufliche Arzneimittel künftig im Rahmen einer Satzungsleistung erstatten dürfen; so sollen sie sich im Wettbewerb untereinander differenzieren können. Ob von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, bleibt abzuwarten.

Ferner ist geplant, das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände entwickelte Versorgungskonzept, das den Austausch von Arzneimitteln im Apothekenalltag erleichtern könnte, in Modellregionen zu testen. Ärzte sollen lediglich Wirkstoff, Stärke, Menge und Darreichungsform verordnen und die Apotheken ihrerseits das Präparat aussuchen. Eventuelle Einsparungen sollen teilweise an Ärzte und Apotheken zurückfließen. Bewährt sich das Modell, könnte der Apothekenalltag wieder einfacher werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/11 ab Seite 90.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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