Eine Hand liegt auf weißer Bettwäsche, vermutlich auf einem Krankenhausbett. Ein Infusionsschlauch ist mit weißem Pflaster an der Hand befestigt.© Ralf Blechschmidt / iStock / Getty Images
Das Wachkoma oder Apallische Durchgangssyndrom verlangt Betroffenen und Angehörigen viel Kraft und Ausdauer ab.

Apallisches Durchgangssyndrom

WAS PASSIERT IM WACHKOMA?

Ein Unfall, ein Schlaganfall oder eine starke Unterzuckerung: Es gibt viele Gründe, aus denen jemand ins Wachkoma fallen kann. Was passiert mit dem Gehirn und wie viel nehmen Betroffene von Ihrer Umgebung wahr? Hier finden Sie einen Überblick und interessante Quellen, falls Sie weiterlesen wollen.

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Schon allein das Wort Wachkoma flößt Angst ein. Der Begriff ist ein Widerspruch in sich, und genauso ist es der Zustand, den das Wort beschreibt – sind Betroffene nun wach oder im Koma? Für Angehörige ist das nur schwer zu ertragen. Da ist ein Mensch, der atmet, der eigentlich schläft, immer wieder wach wird, zwischendurch – vermeintlich –Reaktionen zeigt, wenn auch nur schwach. Aber bewusst ist er einfach nicht bei uns.

Ausgelöst durch eine schwere Hirnschädigung ist das Apallische Durchgangssyndrom, wie das Wachkoma auch heißt, „eine extreme Lebensform von Menschen …, die einer intensiven akutmedizinischen Behandlung und Pflege, einschließlich Frührehabilitation, mit anschließender qualifizierter Langzeitversorgung zu Hause oder in einer Einrichtung zur Schwerstpflege (Phase F) bedürfen“, wie SL01. beschreibt.

Wachkoma: Mehr als kurz bewusstlos

Es geht also nicht um einen Bewusstseinsausfall, der nach kurzer Zeit wieder vorüber ist, sondern um einen massiven Einschnitt, der für den Betroffenen und die Beteiligten ein hohes Maß an Kraft, Ausdauer, Zuversicht und Hoffnung abverlangt. Von der finanziellen Belastung ganz zu schweigen. Der Patient nimmt im Gegensatz zu den Angehörigen diesen Zustand jedoch gar nicht wahr. 

Übrigens ist der Begriff „apallisch“ dem Lateinischen entlehnt. „Pallium“, der „Übermantel“, bezieht sich auf die Funktionen der Großhirnrinde, deren Aufgabe es ist, alle anderen Hirnzentren wie die des Hirnstamms und des Rückenmarks zu steuern.

Wieso fällt man ins Wachkoma?

In den meisten Fällen entsteht ein Apallisches Durchgangssyndrom, nachdem der Körper aufgrund eines Sauerstoffmangels akut geschädigt wurde:

  • durch Herz-Kreislauf-Stillstand,
  • Narkose, Hirnentzündung,
  • hypoglykämischen Schock,
  • akute Massenblutung im Gehirn oder
  • Hirnvolumensteigerung durch ein Ödem etwa.

Solche Schäden können verschiedene Ursachen haben. So stehen Autounfälle, traumatische Ereignisse, Stürze, Schlaganfälle und Sport ganz oben auf der Ursachenskala. 

Der funktionelle Ausfall der gesamten Hirnfunktion stellt dabei das größte Problem dar und wird als eine der schwersten Schädigungen eingestuft. Zwar bleiben die Funktionen des Zwischenhirns, des Hirnstammes und des Rückenmarks bestehen, der Patient wirkt auch wach, aber er hat – soweit bis dato bekannt – kein Bewusstsein und fast keine Möglichkeit der Kommunikation mehr. SL02 beschreibt sowohl die Ursachen als auch die Symptome ausführlich. 

Hier erfahren Sie auch, dass jährlich fast 10 000 Menschen in Deutschland durch entsprechende Vorfälle dieses Krankheitsbild, das in der außerklinischen Intensivpflege mit am häufigsten vorkommt, entwickeln.

Was bekommen Patienten im Wachkoma mit?

Was bedeutet hierbei wach? Natürlich ist der Patient nicht wach im eigentlichen Sinne, denn „wer wach ist, ist aufmerksam, konzentriert, reagiert adäquat auf Reize der Umwelt, ist geistig rege, präsent und vor allem – er schläft nicht“, nachzulesen unter SL03.

Das Wachsein steht also als Synonym für Vigilanz (abgeleitet vom lateinischen vigilia = Wachen, woraus auch die Bezeichnung Coma vigile resultiert) oder andere Phänomene wie zum Beispiel Bewusstsein, Selbstwahrnehmung und Aufmerksamkeit.

Diagnose, Tagesablauf und Therapie

Professor Dr. h c. Franz Gerstenbrand, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Ruhestand, ist mit seinen Forschungsarbeiten weltweit als Experte für die Krankheit anerkannt,. Seine Erkenntnisse sind die Grundlagen für heutige Therapien. Der strukturelle Ablauf eines Betroffenentages sieht so aus, dass im Schnitt nach zwei Stunden Wachsein drei Stunden Schlaf folgen, wobei weder Umgebung noch der eigene Körper wahrgenommen werden können.

Die lebenserhaltenden Funktionen, wozu Atmung, Kreislauf und Stoffwechsel gehören, und eine primitive Motorik werden von Hirnstammzentren reguliert. 

Eine eindeutige Diagnose zu stellen ist nicht so einfach. Man geht heutzutage davon aus, dass es mindestens vier Wochen braucht, um die Diagnose Apallisches Durchgangssyndrom zu stellen. Dabei wird sich auf die klinischen Feststellungen, also die Beurteilungen mehrerer Spezialisten wie Intensivmediziner, Neurochirurgen und Neurologen, gestützt, die über diesen Zeitraum den Patienten genau beobachten und ihre Expertise mit einbringen.

Die Aussagen von Angehörigen, Pflegekräften und Therapeuten ergänzen die Faktoren, die schließlich zur Diagnosefindung herangezogen werden. 

Um zu einem möglichst sicheren Ergebnis zu gelangen, wird, wie Ihnen SL04 darstellt, neben apparativen Untersuchungen wie der Ableitung der Hirnströme (Elektroenzephalografie, EEG) und der Computer- oder Kernspintomografie (CT und MRT) die sogenannte Koma-Erholungs-Skala (Coma recovery scale) herangezogen. Sie gibt folgende Aspekte vor:

  • Hörfunktion
  • Sehfunktion
  • motorische Funktionen
  • Mundbewegungen und Sprechfunktionen
  • Kommunikation
  • Wachheit.

In dieser WDR-Dokumentation lernen Sie eine Familie kennen, die einen Angehörigen im Wachkoma pflegt.

Gibt es Heilung?

Ob ein Wachkomapatient sein Bewusstsein wiedererlangt und wenn, welche Dauerschäden er davonträgt, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Manche Betroffenen erholen sich spontan, bei anderen dauert es viele Jahre, wieder andere verbleiben in diesem Zustand, viele sterben sogar, was auch SL05 darstellt. Alter und Schädigungsausmaß spielen wesentliche Rollen bei einer möglichen Rehabilitation. 

Aber selbst wenn jemand aus einem langen Wachkoma erwacht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er schwerwiegende Hirnschädigungen zurückbehält. Es ist ein schreckliches Krankheitsbild und lässt nicht viel Raum für Hoffnung. Helfen Sie Angehörigen mit Informationen aus SL06 und SL07, damit sie nicht ganz allein diesen schweren Weg gehen zu müssen.

Weitere interessante Links
https://www.wirpflegen.de/pflegelexikon/c-como-vigile
https://www.gesundheit.de/krankheiten/gehirn-und-nerven/bewusstlosigkeit/wachkoma-apallisches-syndrom
https://www.gsmsp.de/informationen/wachkoma/
https://www.linimed.de/intensivpflege-beatmung/krankheitsbilder/wachkoma-apallisches_syndrom/
https://medlexi.de/Wachkoma_(apallisches_Syndrom)
https://www.netdoktor.de/symptome/koma/
https://www.dipat.de/aktuelles/wachkoma
https://zbi-gruppe.com/top/blog/eintrag/wachkoma-pflege-und-phasen

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