Aus offenem Buch funkelt es in der Mitte© Thomas-Soellner / iStock / Getty Images Plus
Beim Vorlesen einer spannenden Geschichte, wird auch der Herzschlag schneller. Der Herzschlag

Bewusstsein

SPANNENDE GESCHICHTEN LASSEN DAS HERZ HÖHER SCHLAGEN – AUCH IM KOMA?

Wenn wir einer Geschichte, die uns vorgelesen wird, aufmerksam lauschen, passt sich der Herzschlag deren Gehalt an: Bei aufregenden Stellen wird er schneller. Dass man damit Rückschüsse auf den Bewusstseinszustand von Patienten im Koma ziehen kann, interessierte die Forscher vom Paris Brain Institute.

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Eigentlich eine einfache Sache: das Vorlesen. Mütter tun es bei ihren Kindern, Erwachsene ziehen sich Hörbücher rein. Doch wenn’s aufregend wird, hat das Auswirkungen auf den vegetativen Zustand: Unser Herz beschleunigt sich – und das sowohl beim Vorleser als auch beim Zuhörenden. 

All das geschieht unbewusst. Man kennt dieses Phänomen ja auch von Kinofilmen: Bei einer actionreichen Verfolgungsjagd, während der wir mitfiebern, halten alle, ohne es zu merken, kurz den Atem an.
 

Wenn Geschichten Herzfrequenzen verändern

Wissenschaftler erklären das so: „Es gibt eine Menge Literatur, die zeigt, dass Menschen ihre Physiologie miteinander synchronisieren. Das setzt aber voraus, dass man irgendwie miteinander interagiert und physisch am selben Ort anwesend ist“ Das sagt Co-Autor Lucas Parra vom City College of New York, und weiter: „Wir haben herausgefunden, dass das Phänomen viel breiter angelegt ist und dass schon das bloße Verfolgen einer Geschichte und das Verarbeiten von Reizen ähnliche Schwankungen in der Herzfrequenz der Menschen auslösen. Es ist die kognitive Funktion, die die Herzfrequenz nach oben oder unten treibt. 

Die Forscher testeten das während des Experimentes mit Auszügen von Jules Vernes „20 000 Meilen unter dem Meer“. Sie probierten hin und her, mal an Stellen mit mehr, mal mit solchen mit weniger emotionalem Gehalt. Zudem lenkten sie die Teilnehmer manchmal bewusst ab, sodass sie sich nicht mehr richtig auf die Erzählung konzentrieren konnten (natürlich mit dem Resultat, dass sich der Herzschlag nicht mehr so anschmiegsam synchronisierte). Übrigens bewirkt eine höhere Synchronität auch eine bessere Gedächtnisleistung. 
 

Experiment mit Komapatienten

Die Herzfrequenz belegt also, wie sehr sich eine Person mit der Erzählung auseinandersetzt. Die Atemfrequenz der Probanden dagegen synchronisierte sich nicht. Daraufhin probierte man das Experiment – jetzt wird’s interessant – auch mit 19 Patienten im Koma oder im Wachkoma. Sie alle hörten eine zehnminütige Kindergeschichte, „Anders als erwartet stellten wir bei den Patienten mit Bewusstseinsstörungen eine höhere Variabilität der Herzfrequenz fest als bei den gesunden Kontrollpersonen“, berichteten die Forscher. Die Synchronisation der Herzfrequenz fiel aber (erwartungsgemäß) geringer aus – nur zwei der Patienten zeigten überhaupt eine statistisch signifikante Reaktion.

Doch von diesen beiden hatte einer danach das Bewusstsein wiedererlangt. Von den anderen war einer wieder zurückgekommen, jedoch ohne sprechen zu können. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Synchronisation der Herzfrequenz prognostische Informationen enthalten könnte, wobei der Schwerpunkt auf der bewussten verbalen Verarbeitung liegt“, bilanzierten die Forscher. Größere Studien über dieses interessante Thema sollen nun folgen.

Quelle: www.wissenschaft.de

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