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Kino - Schon gesehen?

ALLES STEHT KOPF

Der Animationsfilm spielt in der Gefühlswelt einer Elfjährigen und behandelt Fragen wie „Wie ticken wir Menschen?“, „Welche Funktion haben Emotionen?“ oder „Was passiert in unserem Inneren?“.

Seite 1/1 4 Minuten

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Fünf Emotionen, dargestellt als bunt animierte Weiblein und Männlein, leisten im Hauptquartier, dem Kontrollzentrum der elfjährigen Riley, Schwerstarbeit. Sie heißen Freude, Angst, Wut, Ekel und Kummer und streiten sich stets um den Steuerknüppel der Gefühle: Freude führt dem Mädchen das Positive vor Augen. Wut ist ein roter Hitzkopf, dem immer wieder die Hutschnur platzt, und der einschreitet, wenn Ungerechtigkeit droht.

Ekel mäkelt andauernd und meldet sich, wenn Gefahren wie Spinat drohen, während Kummer von einer Brille-tragenden Heulsuse dargestellt wird. Angst, ein dünnes Männchen mit Pullunder, macht sich ebenfalls bemerkbar, wenn Gefahren wie beispielsweise Stromkabel im Anmarsch sind – und Riley ist die Anführerin dieser fünfköpfigen Truppe. Das Mädchen führt mit ihrer Familie in der ländlichen Gegend von Minnesota ein beschauliches Leben, bis ihr Vater ankündigt, dass aufgrund seines neuen Jobs ein Umzug ansteht.

Als es dann soweit ist und die Familie nach San Francisco fährt, beginnen Rileys Emotionen verrückt zu spielen. Im neuen Zuhause angekommen muss sich die Familie zunächst provisorisch einrichten, weil der Umzugswagen nicht rechtzeitig eintrifft. Das Gefühl Freude versucht, die Situation ins Positive zu retten, doch es will einfach nicht gelingen: Riley muss sich plötzlich in einer Großstadt zurecht finden, fühlt sich sehr unwohl und es beginnt die bisher schwerste Zeit im Leben des Mädchens.

Nun sind die Emotionen gefragt, Riley wieder ins Gleichgewicht zu bringen, doch das scheint nicht so einfach. Innerhalb weniger Tage ist aus dem einst glücklichen Kind ein frustrierter Teenager geworden: Schöne Erinnerungen kommen plötzlich mit Kummer in Berührung und stimmen Riley nun eher traurig. Und als der unglückliche Kummer und die optimistische Freude sich auch noch streiten, geht wirklich alles schief, denn beide Gefühle werden dabei tief ins Langzeitgedächtnis befördert und sind erst einmal nicht mehr erreichbar. Versehentlich haben sie wichtige Kernerinnerungen von Riley mitgenommen und müssen diese nun unbedingt wieder ins Hauptquartier zurückbringen, damit sie nicht für immer verloren gehen.

ÜBERBLICK
In unserer Serie „Kino – Schon gesehen?“ stellen wir Ihnen demnächst folgende verfilmte Krankheitsthemen vor:

+ Elephant Man
+ Sucker Punch
+ Voll verzuckert
+ Moon

Die beiden verirrten Emotionen treffen auf ihrer Reise durch unbekannte Hirnregionen, durch Areale des abstrakten Denkens und durch Bereiche der Traumproduktion auf Rileys imaginären Freund Bing Bong, der über eine Ladung guter Laune verfügt und vorschlägt, einfach den Gedankenzug zurück zu nehmen. Eigentlich eine gute Idee, doch auch das geht schief, denn als Riley am Abend einschläft, bleibt der Zug auf halber Strecke stehen.

Während beide Emotionen versuchen, wieder in Rileys Kommandozentrale zu gelangen, dominieren Wut, Angst und Ekel die Gefühlslage des Teenagers und überlegen, wie es ohne Freude und Kummer weitergehen soll. Riley wird in der Zwischenzeit ein richtiger Miesmuffel und legt sich ständig mit ihren Eltern an. Im Gehirn des Teenagers geht es drunter und drüber: Freude versucht schließlich, über die Rohrpost zurückzukehren, allerdings wird diese zerstört, als Teile der Familieninsel abstürzen, sodass sie mit Bing Bong zusammen in den Abgrund fällt, in dem Erinnerungen entsorgt werden. Mit einem Raketenwagen gelingt es Freude dann endlich zu entkommen, Bing Bong bleibt allerdings und wird für immer aus den Erinnerungen verbannt.

Freude sucht Kummer und zusammen können sie mithilfe eines Trampolins wieder in die Schaltzentrale zurückkehren. Riley ist inzwischen von zuhause weggelaufen und sitzt in einem Bus nach Minnesota. Aufgrund der wiederkehrenden Gefühle kommt sie zur Vernunft, fährt zu ihren Eltern zurück und erzählt ihnen von ihrem Heimweh. Als sie von ihnen getröstet wird, entsteht eine neue Kernerinnerung, die erstmals zwei Emotionen, und zwar Kummer und Freude, verbindet.

Grundlegende Gefühle Dem Film liegt die Theorie der sogenannten Basisemotionen zugrunde, welche besagt, dass jeder Mensch elementare, angeborene und kulturunabhängige Grundgefühle besitzt. Entwickelt wurde sie von Paul Ekman, der mit seinem Unternehmen weltweit Kurse im Emotionserkennen anbietet und einer der einflussreichsten Psychologen der Gegenwart ist. Als Basisemotionen werden jene Affekte bezeichnet, die als wesentlicher Bestandteil jeder menschlichen Existenz angesehen werden. Beispiele hierfür sind Freude, Traurigkeit, Angst oder Überraschung, häufig werden auch Liebe oder Hass dazu gezählt.

Gesichter lesen Ekman führte umfangreiche Studien durch, um die Existenz angeborener Gefühle zu beweisen. Dafür legte er Studenten aus Japan, Brasilien, Chile, USA und Argentinien Fotos emotionaler Gesichter vor und bat die Studienteilnehmer, den Bildern treffende Emotionsbegriffe zuzuordnen. Es stellte sich heraus, dass es sechs Emotionen waren, welche die meisten Studenten der unterschiedlichen Kulturen identifizieren konnten: Trauer, Freude, Überraschung, Angst und Ekel.

Bereits in den 1970er Jahren konnte der Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt nachweisen, dass Basisemotionen angeboren sind. Er untersuchte blinde und taube Kinder, die die Mimik anderer nie beobachtet hatten und stellte fest, dass auch sie primäre Emotionen zeigten. Sie lächelten, wenn sie sich freuten und weinten, wenn sie traurig waren. Der Ausdruck war allerdings weniger graduiert und die Mimik nahm mit zunehmendem Lebensalter ab, weil keine kulturellen Vorbilder zur Verfügung standen.

Kulturbedingte Unterschiede Zwischen Angehörigen der abendländischen Kultur und Asiaten gibt es immer wieder Differenzen beim Interpretieren von Emotionen, vor allem bei negativen Gefühlen. Oft bereitet es Asiaten Schwierigkeiten, die bewegten Gesichter von Europäern oder Amerikanern richtig auszulegen, umgekehrt erscheinen uns die Gesichter von Asiaten oft emotionslos und starr. Der Grund dafür: Asiaten scheinen sich beim Dekodieren von Gesichtsausdrücken eher auf die Augen zu konzentrieren, während Menschen der abendländischen Kulturen den Fokus auf die Mundregionen legen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 158.

Martina Görz, PTA, B. Sc. und Fachjournalistin

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