Zwei Kühe stehen auf einer Bergalm und schauen in die Kamera, im Hintergrund sieht man das Wohnhaus des Bauernhofs.
Bitte einmal alle Umweltfaktoren aufnehmen: Die Einflüsse eines Bauernhofs schulen das Mikrobiom und schützen vor Asthma. © by-studio / iStock / Getty Images Plus

Immunsystem | Mikrobiom

ASTHMA ABGEWEHRT: DER BAUERNHOF MACHT´S MÖGLICH

Die chronisch entzündliche Lungenerkrankung wird weltweit immer häufiger. Schon lange beobachten Wissenschaftler, dass Kinder, die auf Farmen leben, seltener an Asthma erkranken als Stadtkinder. Forscher konnten nun einen Zusammenhang zum Darmmikrobiom herstellen.

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Schon lange vermutet man, dass die heutigen Hygienestandards zu den steigenden Allergiker- und Asthmatikerzahlen beitragen – das Immunsystem ist weniger durch Keime gefordert und reagiert überempfindlich auf andere Reize. In Deutschland erkranken etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder an Asthma sowie rund sechs Prozent der Erwachsenen, der Anteil unter Bauernhof-Bewohnern ist geringer. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben dafür nun die die Ursache gefunden: Roseburia und Coprococcus heißen die schützenden Bazillen.

Das Darmmikrobiom schult das Immunsystem?
Mikrobiota beginnen ab der Sekunde der Geburt, unser Immunsystem herauszufordern und dadurch zu schulen. Besonders im ersten Lebensjahr reift unser Immunsystem. Je vielfältiger die Keime sind, die wir bis dahin kennenlernen (das Umweltmikrobiom), umso unwahrscheinlicher ist es, an Asthma zu erkranken. Bauernkinder, die schon früh mit mehr Bakterien in Berührung kommen als andere Babys, entwickeln deshalb seltener Asthma. Die Münchner Forscher untersuchten, inwiefern das Mikrobiom, das unseren Darm besiedelt, dazu beiträgt. Dazu griffen sie auf über 700 Stuhlproben von Zwei- bis Zwölfmonatigen zurück.

„Wir stellen fest, dass ein vergleichsweise großer Teil der Schutzwirkung des Bauernhofs vor Asthma im Kindheitsalter auf die Reifung des Darmmikrobioms im ersten Lebensjahr zurückzuführen ist“, berichtet Dr. Martin Depner vom Helmholtz Zentrum München. „Dies deutet darauf hin, dass Bauernhofkinder mit Umweltfaktoren, wahrscheinlich Mikrobiota, in Berührung kommen, die mit ihrem Darmmikrobiom interagieren und diesen Schutzeffekt herbeiführen.“

Die Umwelt, in der man aufwächst, spielt eine Rolle für die Schutzwirkung vor Asthma im Kindesalter.

Dabei fanden die Wissenschaftler ihre Annahmen nur teilweise bestätigt. Ursprünglich waren sie davon ausgegangen, dass besonders die Ernährung zur Bildung des Mikrobioms beitrage. Doch auch der Aufenthalt in Tierställen, eine vaginale Geburt und Stillen des Kindes trugen zur Schutzfunktion vor Asthma bei – die Umwelt der Kinder spielte eine wichtige Rolle.

Wie funktioniert der Schutz im Detail?
Eine inverse Assoziation wiesen die Forscher für Butyrat nach: Je höher die Konzentration der Fettsäure im Stuhl war, umso seltener kam es zu Asthma. Diese Schutzfunktion konnte bereits früher an Mäusen nachgewiesen werden. Sie wird von den Darmbakterien Roseburia und Coprococcus produziert. Je ausgereifter das Darmmikrobiom bei Kindern ist, umso mehr Vertreter dieser Bakteriengattungen finden sich dort. „Unsere Studie liefert weitere Hinweise darauf, dass der Darm einen Einfluss auf die Gesundheit der Lunge haben kann. Die Atemwege der untersuchten Kinder wurden durch ein ausgereiftes Darmmikrobiom mit einem hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren geschützt. Dies spricht für die Idee einer relevanten Darm-Lungen-Achse beim Menschen“, bestätigt Dr. Markus Ege, Professor für klinisch-respiratorische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU.

Dies spricht für die Idee einer relevanten Darm-Lungen-Achse.

Sind Probiotika also die Lösung?
Die Studie zeigte auch, dass nicht ein einziges Bakterium vor Asthma schützt, sondern die Gesamtheit des Mikrobioms reifen muss. Für die Empfehlung von Probiotika sprechen die Forscher sich daher gegen die Gabe einzelner Stämme aus. Vielmehr müsse man prüfen, ob Präparate die Zusammensetzung des Mikrobioms und seine Reifung dauerhaft fördern.

Stattdessen könnte die gute alte Kuhmilch helfen: Zwar können Kinder unter einem Jahr keine Rohmilch trinken. Die Wissenschaftler des Dr. von Haunerschen Kinderspitals arbeiten derzeit aber an einer klinischen Studie mit minimal verarbeiteter, mikrobiologisch sicherer Milch. In dieser MARTHA-Studie soll die vorbeugende Wirkung vor Asthma und Allergien untersucht werden.

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Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quellen:

idw-online.de/de/news756926


www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/asthma-bronchiale/haeufigkeit/

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