© djama / fotolia.com

Psychische Störungen

ADHS

Impulsiv, unkonzentriert, ablenkbar: Oft stören hyperaktive Kinder in der Schule und sind unbeliebt bei Mitschülern und Lehrern. Am meisten leiden sie selbst unter ihrer Störung.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Paradebeispiele von Sprösslingen mit gesteigerter Betriebsamkeit findet man im „Struwwelpeter”: Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieb der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann darin die Symptome, die heute der Krankheit ADHS zugeordnet werden. Mit dem neugierigen, selbstvergessenen Paulinchen oder dem gaukelnden und schaukelnden Zappel-Philipp charakterisierte der Mediziner die typische motorische Unruhe so treffend, dass man ADHS noch heute umgangssprachlich als Zappel-Philipp-Syndrom bezeichnet. Hans-Guck-in-die-Luft, stets abgelenkt und den Blick in den Himmel gerichtet, ist Hoffmanns geistesabwesende, aufmerksamkeitsgestörte Figur.

Unachtsamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist im ICD-10 unter F90 gelistet und gehört zu den hyperkinetischen Störungen. Sie treten in der frühen Entwicklung auf und kennzeichnen sich durch einen Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die einen kognitiven Einsatz verlangen. Betroffene wechseln häufig von einer Tätigkeit zur anderen, ohne etwas zu Ende zu bringen. Gleichzeitig manifestiert sich bei den kleinen Patienten eine überschießende Aktivität.

Kinder mit ADHS können sich schlecht auf Aufgaben konzentrieren, lassen sich leicht ablenken, sind vergesslich und hören anderen oft nicht zu. Sie zappeln, reden viel, laufen herum und sind nicht in der Lage, sich ruhig zu beschäftigen. Daneben ist der hyperkinetische Nachwuchs gelegentlich achtlos und impulsiv. Begleitend liegen meist schulische Probleme, beispielsweise Leseschwierigkeiten, vor. ADHS tritt häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Man vermutet, dass es mehrere Auslöser gibt. Mögliche Erklärungen für das Auftreten des Phänomens sind Stoffwechsel- und Funktionsstörungen des Gehirns, genetische Veranlagungen oder psychosoziale Einflüsse. Erzieher (Eltern, Lehrer) können sowohl positiv als auch negativ auf den Krankheitsverlauf einwirken.

Diagnostik Bei Verdacht auf ADHS findet zunächst eine körperliche Untersuchung statt. Dabei werden Krankheiten ausgeschlossen, die ursächlich für eine Verhaltensauffälligkeit sein könnten. In Gesprächen und durch Beobachtungen gewinnt der Arzt Erkenntnisse zur Problematik des Kindes. Durch Fragebögen und standardisierte Tests wird die Symptomatik erfasst. Problematisch bei der Differenzialdiagnostik kann die Abgrenzung zu Störungen des Sozialverhaltens sein. Zudem sind die Übergänge von einem normalen Verhalten des Kindes bis hin zu einer ADHS fließend. Wichtig ist daher, dass der behandelnde Therapeut über ausreichend viel Erfahrung mit der Erkrankung verfügt.

Hilfe für StörenfriedeDie Behandlung von ADHS geschieht multimodal, sie setzt sich also aus mehreren Bausteinen zusammen. Dazu gehören Elterntraining, Psychotherapie und entsprechende Medikamente. Ob sich eine Therapie mit Arzneimitteln empfiehlt, muss der Mediziner genau abwägen. Für Eltern stellt dieser Schritt oft eine schwere Entscheidung dar. Zur Behandlung der Kinder verordnet der behandelnde Arzt gegebenenfalls Substanzen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Methylphenidat Die Verordnung des Wirkstoffs erfolgt stets im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie und zwar dann, wenn weitere therapeutische Maßnahmen nicht ausreichen. Methylphenidat wirkt auf die Dopaminrezeptoren im Gehirn. Es blockiert den Dopamintransporter und erhöht auf diese Weise dessen Verfügbarkeit im synaptischen Spalt. Das Arzneimittel unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz. Der Mediziner legt die Dosierung nach strenger Indikationsstellung individuell fest. Mögliche Nebenwirkungen sind Schlafstörungen, Essstörungen, Bluthochdruck und vermindertes Wachstum.

Oft sorgen sich Eltern, ihr Kind könnte von dem Medikament süchtig werden. Das Abhängigkeitspotenzial gilt jedoch als gering. Auch die Gefahr des späteren Drogenkonsums scheint bei Kindern, die Methylphenidat erhalten, nicht erhöht zu sein. Die Anwendung der Arznei ist seit April 2011 auch für Erwachsene mit ADHS zugelassen. Bei ihnen äußert sich das Syndrom ebenfalls durch Konzentrationsschwierigkeiten. Häufig haben sie darüber hinaus ihre Gefühle nicht unter Kontrolle und neigen zu Reizbarkeit und Wutausbrüchen. Viele spüren zudem eine starke Nervosität und innere Unruhe. Kritisch wird betrachtet, dass bei so genannten „Kopfarbeitern” (wie Studenten) eine hohe Bereitschaft zu bestehen scheint, Methylphenidat zur Leistungssteigerung einzusetzen.

Atomoxetin ist ein Stimulans, das zu den selektiven Noradrenalinwiederaufnahmehemmer gehört. Im März 2005 wurde die Substanz in Deutschland für die Indikation ADHS zugelassen. Im Gegensatz zu Methylphenidat unterliegt Atomoxetin nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Ursprünglich sollte es zur Behandlung von Depressionen verwendet werden, hat sich dabei jedoch nicht als effektiv erwiesen. Der Wirkstoff wird einschleichend und körpergewichtsangepasst dosiert. In der Regel reicht die Einnahme von einer Tablette täglich.

Atomoxetin ist gut verträglich. Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen oder abdominale Beschwerden. Jedoch begünstigt die Anwendung des Wirkstoffs aggressives Verhalten, Suizidalität und Suizidhandlungen. Patienten müssen daher genau beobachtet werden. Treten Suizidgedanken auf, muss das Medikament sofort abgesetzt werden.

Verschreibungsfreie VariantenNeben den rezeptpflichtigen Substanzen sind weitere Präparate in der Apotheke erhältlich. Ein Komplexhomöopathikum soll die Symptome betroffener Kinder verbessern. Darin enthalten sind Chamomilla, Kalium phosphoricum und Staphisagria. Auch Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie Zink und Magnesium setzt man zur Behandlung von Konzentrationsproblemen und Lernstörungen ein.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 90.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

×