Illustration eines Tumors. Er hat viele Blutgefäße ausgebildet um sich zu versorgen. Um den Tumor ist ein Fadenkreuz angedeutet.© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
Tumoren stellen über eine Vielzahl von Blutgefäßen sicher, dass sie gut versorgt werden.

Tumor

DIAGNOSE KREBS – WAS BEDEUTET DAS?

Jedes Jahr bekommen rund 500 000 Menschen in Deutschland die Diagnose Krebs. Oft betrifft die Krankheit ältere Personen, aber auch Kinder können erkranken. Was ist überhaupt Krebs? Woher kommt er? Und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Ein Überblick.

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Bei jeder normalen Zellteilung erfolgt eine Vervielfältigung des Erbgutes. Unser Körper korrigiert dabei entstehende Fehler normalerweise durch Reparaturmechanismen oder sorgt für die Apoptose, die Selbstzerstörung, der fehlerhaften Zelle. Krebs entsteht, wenn Zellen sich unkontrolliert vermehren und gesunde Zellen verdrängen.

Mit zunehmendem Alter des Körpers lässt die Genauigkeit nach und Fehler können sich häufen. Außerdem tragen Zellschäden durch Rauchen, UV-Licht und schädigende Substanzen dazu bei, dass Zellen zu Krebszellen werden. Ihr Erbgut verliert durch Mutationen an Stabilität, der Zellstoffwechsel verändert sich. Die Alterung, die in gesunden Zellen nach einer bestimmten Anzahl an Teilungszyklen automatisch zur Apoptose führt, findet nicht mehr statt. Die veränderten Zellen weichen der Kontrolle durch das Immunsystem aus und entwickeln Mechanismen zur Selbsterhaltung, die gesunde Zellen nicht besitzen.

Wie Krebszellen sich von gesunden Zellen unterscheiden

Tumorzellen reagieren nicht mehr auf hemmende Signale und vermehren sich unkontrolliert. Sie umgehen die Apoptose, wachsen in gesundes Gewebe ein, bilden vermehrt Wachstumsfaktoren und sorgen so zum Beispiel dafür, dass die Gefäßneubildung im veränderten Bereich verstärkt wird. Einzelne Zellen können ihren Platz verlassen, durch die Blutbahn wandern und so an anderer Stelle Metastasen bilden. Die Krebszellen teilen sich schnell und verbrauchen dabei Energie und Zellbausteine in höherem Maß als umliegende Gewebe.

Die Unterschiede zwischen Tumorzellen und ihren gesunden Nachbarn bilden sich jedoch nicht auf einmal heraus, sondern schrittweise. Schließlich vereinen manche Zellen so alle Veränderungen in sich, die eine Tumorzelle ausmachen. Dieser Prozess dauert oft viele Jahre bis Jahrzehnte, weshalb oft ältere Menschen an Krebs erkranken.

Vererbbarer Krebs – warum Angelina Jolie sich die Brüste abnehmen ließ
Manche Menschen tragen die genetische Disposition für eine bestimmte Krebsart in sich. Dies gilt unter anderem für Brust-, Eierstock-, Prostata- und Darmkrebs. Bei einigen Krebsarten konnte man gezielt Gene nachweisen, die das Erkrankungsrisiko deutlich erhöhen. Die Schauspielerin Angelina Jolie ließ sich beide Brüste entfernen, nachdem bei ihr ein verändertes Gen nachgewiesen wurde. Das Gen BRCA2 erhöht das Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs zu erkranken, auf 80 Prozent. Die Mutter Jolies starb an der Erkrankung.

Generell gibt es Krebsarten, die auf Genfehler zurückzuführen sind. Das gilt zum Beispiel für bestimmte Arten von Blutkrebs.

Krebs heißt nicht Tumor

Die gesammelten Wettbewerbsvorteile gegenüber gesunden Zellen und sorgen dafür, dass Tumoren mit hoher Geschwindigkeit wachsen können. Allerdings verlangsamt sich bei soliden Tumoren die Wachstumsgeschwindigkeit bei zunehmender Größe, weil die Versorgung des Tumorinneren immer schwieriger wird. Aber nicht alle Tumorzellen sind gleich: Bei Gewebetumoren wandern weitere Zelltypen ein und bilden Teile des Tumors wie Blut- und Lymphgefäße, Stützzellen und Immunzellen.

Maligne Lymphome wie Morbus Hodgkin betreffen lymphatische Gewebe, die an verschiedenen Stellen des Körpers zu finden sind. Milz, Mandeln und Strukturen in Darm, Magen oder in der Haut zählen genauso zum lymphatischen System wie Lymphknoten, Lymphbahnen und die Lymphozyten, eine Untergruppe der Leukozyten. Lymphome sind bösartige Tumoren des lymphatischen Systems und können überall im Körper auftreten. Betreffen sie reife B-Lymphozyten, die sich dann fälschlicherweise im Knochenmark ansiedeln und es so schädigen, entsteht ein multiples Myelom.

Mit dem Begriff Leukämie bezeichnet man eine Gruppe von Erkrankungen, die sich durch eine unkontrollierte Vermehrung unreifer Leukozyten auszeichnet. Die Krankheit, auch Blutkrebs genannt, geht vom Knochenmark aus. Leukämien unterteilt man in verschiedene Typen, je nachdem, welcher Zelltyp und welches Entwicklungsstadium der Blutzellen betroffen ist. Allen gemeinsam ist eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen. Daher kommt der Name Leukämie, der übersetzt „weißes Blut“ bedeutet. Oftmals treten Leukämien wie die akute lymphatische Leukämie ALL plötzlich auf, schreiten schnell voran und kommen auch bei Kindern vor. Bei der Entstehung spielen unter anderem genetische Faktoren eine Rolle, zum Beispiel Chromosomenfehler.

Bewährte Wirkstoffe und neue Therapien

Die hohe Teilungsrate der Krebszellen macht man sich in der Chemotherapie zunutze. Dafür stehen zahlreiche, ganz unterschiedliche Wirkstoffe zur Verfügung. Hier ein kurzer Überblick:

  • Alkylanzien binden an die DNA sich teilender Zellen und sorgen dafür, dass die Zelle abstirbt. Zu diesen Substanzen zählt Cyclophosphamid.
  • Platinverbindungen wie Cisplatin und Carboplatin vernetzen die DNA und sorgen so für die Zerstörung der Zelle.
  • Antimetaboliten wie Methotrexat, Azathioprin oder 5-Fluorouracil ähneln den Bausteinen der DNA und werden in diese eingebaut.
  • Bestimmte Antibiotika wie Doxorubicin schieben sich zwischen DNA-Stränge und verhindern die Vervielfältigung.
  • Mikrotubulihemmstoffe wie Vincristin, Colchicin und Taxane hemmen die Zellteilung.
  • Hydroxycarbamid und Topomerase-Inhibitoren blockieren die DNA-Synthese
  • Thalidomid, besser bekannt unter seinem ehemaligen Handelsnamen Contergan®, hemmt die Produktion von Wachstumsfaktoren und stimuliert die Apoptose. In den sechziger Jahren als fruchtschädigendes Schlafmittel bekannt geworden, wird es heute eingesetzt gegen multiples Myelom.
  • Kinasehemmstoffe wie Imatinib (Glivec®) und Omertinib (Tagrisso®) hemmen unterschiedliche Tyrosinkinasen. Diese Enzyme leiten Wachstums- und Vermehrungssignale weiter und stimulieren so die Transkription und die DNA-Synthese.
  • Antikörper wirken ganz unterschiedlich. Ein Beispiel ist Bevaczizumab (Avastin®), das gegen einen Wachstumsfaktor für die Gefäßneubildung gerichtet ist und so dem Tumor die Blutversorgung erschwert. Rituximab (Mabthera®) richtet sich gegen B-Lymphozyten und ist so wirksam gegen Lymphome.
  • Beeinflussung des Sexualhormonspiegels ist eine Therapieoption für hormonsensitive Tumore wie Prostata- und Brustkrebs. Tamoxifen ist ein partieller Antagonist am Östrogenrezeptor. Exemestan und Letrozol hemmen die Östrogenbildung. Mit Agonisten des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) bewirkt man bei Prostatakrebs eine medikamentöse Kastration.
  • Zytokine wie Interleukin-2 (aktiviert T-Zellen, die Krebszellen abtöten) oder Interferon-α (hemmt Zellteilung, aktiviert T-Zell-Bildung) sind ebenfalls eine Therapiemöglichkeit.
  • Bei der T-Zell-Therapie werden patienteneigene T-Zellen genetisch verändert, so dass sie gezielt die veränderten Zellen angreifen, und dann reinfundiert.

Oftmals werden unterschiedliche Chemotherapien kombiniert, um die Wirkung zu verbessern und die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Da sich Zytostatika gegen alle sich schnell teilenden Zellen richten, sind auch Gewebe wie Schleimhäute und Haarwurzeln sowie Knochenmark und Keimdrüsen betroffen. Oft aktivieren Zytostatika das Brechzentrum. Die Nebenwirkungen können zu Therapieabbrüchen führen.

Bei Leukämien kann es nötig sein, mit einer Hochdosis-Chemotherapie das Knochenmark des Patienten zu zerstören. Danach benötigt der Erkrankte eine Knochenmarkspende einer gesunden Person.

Eine Heilung allein durch die Chemotherapie ist bei den meisten Tumorarten nicht möglich. Entweder erfolgt vorher oder nachher die operative Entfernung eines möglichst großen Anteils des veränderten Gewebes oder eine Strahlentherapie. Die Behandlung vor einer Operation bietet den Vorteil, die Tumorgröße zu reduzieren und die Wirksamkeit der gewählten Medikamente sichtbar zu machen. Liegt die Geschwulst in der Nähe lebenswichtiger Strukturen oder haben sich Metastasen gebildet, spricht man von einer palliativen Chemotherapie. Diese soll das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

Die Forschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Mittlerweile wird an personalisierten Therapien geforscht, immer wirksamere Arzneimittel kommen auf den Markt. Wir dürfen gespannt in die Zukunft schauen.

Quellen:
https://www.krebsinformationsdienst.de/
Aktories, Flockerzi, Förstermann, Hofmann: „Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 13. Auflage 2022

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