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Krebserkrankungen

EIN NAME –VIELE ERKRANKUNGEN

Morbus Hodgkin, multiples Myelom, Burkitt-Lymphom, Haarzell- und chronisch- lymphatische Leukämie – all dies sind Formen von Lymphdrüsenkrebs. Die meisten davon haben eine schlechte Prognose.

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Unter der Bezeichnung Lymphdrüsenkrebs (malignes Lymphom) fasst man eine Vielzahl bösartiger Tumorerkrankungen zusammen, die von bestimmten weißen Blutkörperchen, den Lymphozyten, ausgehen. Diese Immunzellen werden aus Vorläuferzellen im Knochenmark gebildet und entwickeln sich dann weiter zu B- und T-Lymphozyten oder natürlichen Killerzellen. Außer im Blut findet man sie vor allem in den etwa bohnengroßen, fast überall im Körper verteilten Lymphknoten, die über die Lymphgefäße miteinander verbunden sind. Wenn sich entartete Lymphozyten ungehemmt zu vermehren beginnen, sammeln sich die Tumorzellen daher zunächst oft in den Lymphknoten, später aber auch in anderen Organen an und stören deren Funktion. Mediziner unterscheiden primär zwei Formen von Lymphdrüsenkrebs: das Hodgkin-Lymphom und die Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome.

Morbus Hodgkin: seltener, aber mit besserer Prognose Bei etwa 15 Prozent aller Fälle handelt es sich um ein Hodgkin-Lymphom, das aus B-Lymphozyten entsteht. In Deutschland erkranken daran jährlich etwa 2500 Menschen, die meisten davon im Alter zwischen 20 und 40 oder nach dem 70. Lebensjahr. Die Ursachen der Erkrankung sind weitgehend unklar. Vermutet wird ein Zusammenhang mit einer Infektion durch das Epstein-Barr-Virus, dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers. Da aber ab dem 30. Lebensjahr fast jeder Mensch mit diesem Virus infiziert ist, spielen offenbar noch andere Gründe eine Rolle, wie zum Beispiel eine Schwächung der Körperabwehr. So erkranken Patienten, deren Immunsystem aufgrund einer Organtransplantation unterdrückt werden muss, deutlich häufiger an einem Hodgkin-​Lymphom. Auch Lebensstilumstände wie Rauchen können Risikofaktoren sein.

Erste Symptome sind häufig geschwollene Lymphknoten am Hals, in der Achsel oder in der Leiste. Nicht selten treten auch Fieber, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß und starker Gewichtsverlust auf. Hat sich die Erkrankung in andere Organe oder ins Knochenmark ausgebreitet, kann es zu Vergrößerung von Leber und Milz sowie zur Blutarmut (Anämie) kommen. Auch Störungen des Nervensystems, des Hormonhaushalts oder der Skelettfunktion können auftreten. Da das Immunsystem geschwächt ist, sind die Patienten anfälliger für Infektionen. Weisen die ersten ärztlichen Untersuchungen auf Lymphdrüsenkrebs hin, wird aus einem vergrößerten Lymphknoten eine Gewebeprobe entnommen. Zeigen sich unter dem Mikroskop dann die für das Hodgkin-Lymphom typischen abnorm großen Lymphozyten (Sternberg-Reed-Zellen), gilt die Diagnose als gesichert.

Gute Heilungschancen Je nach Ausprägung der Erkrankung wird mit einer Strahlen- oder Chemotherapie oder mit einer Kombination aus beidem behandelt. Gelingt es so nicht, die Erkrankung zu stoppen, oder kehrt sie rasch wieder, kann man versuchen, sie durch eine sehr intensive Chemotherapie zu bekämpfen. Alternativ ist vielfach auch eine autologe Stammzelltransplantation möglich, bei der zunächst alle Krebszellen im Körper durch eine hochdosierte Chemotherapie zerstört werden. Danach werden dem Patienten wieder eigene, gesunde Blutstammzellen zugeführt, aus de- nen neue Lymphozyten entstehen. Die Heilungschancen beim Hodgkin-Lymphom sind heute sehr gut. Insgesamt überleben heute langfristig über 80 Prozent der Patienten.

Non-Hodgkin-Lymphome Die Gruppe der malignen Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) umfasst eine Vielzahl sehr verschiedener Erkrankungen, die in der Regel aus B- oder T-Lymphozyten in unterschiedlichen Reifestadien entstehen. Hierzu zählen das Mantelzelllymphom, das multiple Myelom, die chronisch lymphatische Leukämie oder die Haarzellleukämie. Jährlich erkranken bei steigender Tendenz etwa 18 000 Menschen an NHL, wobei das mittlere Erkrankungsalter bei 70 Jahren liegt.

Wie beim Hodgkin-Lymphom scheinen bei einigen Formen das Epstein-Barr-Virus sowie Strahlen- und Pestizidbelastung eine Rolle zu spielen. Bei vielen Erkrankungen, wie etwa dem Burkitt-Lymphom, kennt man heute zudem typische Veränderungen im Erbgut, die zur Entartung der Zellen führen oder dazu beitragen können. Anders als beim Hodgkin-Lymphom, bei dem zu Beginn immer nur die Lymphknoten befallen sind, können NHL fast überall im Körper auftreten. Die Symptome sind jedoch ähnlich, sodass nur eine Gewebeprobe aus einem vergrößerten Lymphknoten Diagnosesicherheit bietet.

Keine einheitliche Therapie Die Behandlung kann sich je nach Art des NHL stark unterscheiden. Meist bilden jedoch Chemo- und Strahlentherapie die Basis, die alleine oder in Kombination eingesetzt werden. Dies richtet sich jeweils danach, wie weit sich das Lymphom schon ausgebreitet hat, und wie rasch es wächst. Grundsätzlich gilt, dass langsam wachsende (indolente) Tumoren nicht so gut auf eine Chemo- oder Strahlentherapie ansprechen, da diese eher sich rasch teilende Zellen zerstören. Eine Behandlung mit diesen Methoden kann daher vor allem in späteren Stadien die Erkrankung meist nur immer wieder für eine gewisse Zeit zurückzudrängen. Sehr viel wirksamer sind sie hingegen bei rasch wachsenden, aggressiven Lymphomen, die selbst in fortgeschrittenem Zustand eher geheilt werden können. Seit einigen Jahren werden in der Therapie bestimmter NHL-Formen auch Antikörper wie Rituximab eingesetzt.

Sie binden gezielt an Oberflächenrezeptoren der Tumorzellen und regen so das Immunsystem an, sie zu zerstören. In Kombination mit einer Chemotherapie können sie den Therapieerfolg verbessern und auch helfen, ein Wiederauftreten des Tumors zu verhindern. Große Hoffnung liegt derzeit auf Medikamenten, die die Bruton-Tyrosinkinase hemmen, die eine zentrale Rolle bei der Signalübertragung in B-Lymphozyten spielt. Der Wirkstoff Ibrutinib blockiert diese Signale so, dass sich die Tumorzellen nicht mehr teilen können und sie den programmierten Zelltod (Apoptose) einleiten. Aufgrund guter Studienergebnisse wurde Ibrutinib 2014 in der EU als Erstlinienmedikament für Menschen mit chronisch-lymphatischer Leukämie und als Zweitlinienmedikament bei Patienten mit Mantelzell-Lymphom zugelassen.

Letzter Ausweg: Stammzelltransplantation Kommt es trotz vorangegangener Therapie zu einem Rückfall, kann auch bei einigen NHL-Formen eine autologe Stammzelltransplantation durchgeführt werden. Bisher wurde das empfohlen, wenn die Patienten jünger als 70 Jahre und in einem guten Gesundheitszustand sind. Neuere Studien zeigen jedoch, dass auch ältere Patienten noch davon profitieren können. Entscheidungskriterium ist mittlerweile weniger das Alter als ein guter allgemeiner Gesundheitszustand. In seltenen Fällen kann auch eine allogene Stammzelltransplantation notwendig sein.

Bei ihr schleust man fremde Stammzellen eines geeigneten Spenders in den Körper. Der Vorteil dieser Therapie ist, dass die fremden Stammzellen ein neues Immunsystem aufbauen, das noch vorhandene bösartige Lymphomzellen besser erkennen und zerstören kann. Andererseits werden aber auch gesunde Körperzellen als fremd erkannt und angegriffen. Diese Therapieform wird daher nur in seltenen Fällen eingesetzt und kommt auch nur für einen kleinen Teil der Betroffenen in Frage, meist jüngere Patienten, die diese starke Belastung besser vertragen können.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 130.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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