Katze schaut auf Maus vor einem Loch in der Wand© fergregory / iStock / Getty Images Plus
Die Toxoplasmose bewirkt bei Mäusen eine tödliche Verhaltensänderung: Sie verloren nach einer Infektion ihre Angst vor Katzen.

Toxoplasmose

PARASIT BESETZT UNSER HIRN – UND MACHT MUTIG

Es klingt gruselig: ein Parasit im Gehirn, der Mäusen die Angst vor Katzen nimmt und Wölfe zu Alpha-Tieren macht. Das funktioniert tatsächlich so, und nicht nur in der Tierwelt: Daten zeigen, dass Toxoplasma gondii uns Menschen wagemutiger werden lässt. Warum macht der Parasit das?

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Nein, die Szenen stammen nicht aus einem Science Fiction- oder Horrorfilm. Toxoplasma gondii gibt es wirklich. Frauen, die einmal schwanger waren, kennen die Untersuchung auf Toxoplasmose, denn eine frische Ansteckung mit dem Keim kann den Fötus schlimm schädigen. Ansonsten verläuft eine Infektion eher unbemerkt oder mit leichten grippeartigen Symptomen.

Nach der Infektion bleibt der Mikroorganismus uns jedoch erhalten, und zwar im Gehirn. Sein einziges Sinnen und Trachten ist auf Vermehrung gerichtet, und dazu muss er wieder in seinen Endwirt gelangen – also ein Exemplar der Katzenartigen. Wissenschaftler beobachten seit Jahren genau, wie ihm das gelingt. Beispielsweise an Mäusen: Die verloren nach einer Infektion ihre Angst vor Katzen. Und warum? Wurden sie dann gefressen, war es dem Parasiten gelungen, in den Endwirt zurückzukehren.

Verlieren Mäuse ihre Furcht vor Katzen, werden sie leichter gefressen. So gelingt es dem Parasiten, in seinen Endwirt zurückzukehren.

Was hat es mit dem Toxoplasmose-Erreger auf sich?

Der Erreger der Toxoplasmose heißt Toxoplasma gondii. In seinem Lebenszyklus wechselt er zwischen Endwirten, in denen er sich sexuell vermehrt, und Zwischenwirten, in denen er sich asexuell vermehrt. Endwirte sind ausschließlich Mitglieder der Katzenfamilie (Felidae), von der Hauskatze bis zum Löwen. Zwischenwirte hingegen sind Nagetiere, Hundeartige, Vögel und Menschen.

Toxoplasma gondii gehört zu den Apicomplexa und hat als solcher einen komplexen Lebenszyklus: Diese einzelligen Parasiten infizieren nämlich unterschiedliche Wirte (Malaria ist übrigens ein naher Verwandter). Toxoplasma gondii ist weltweit verbreitet und kann eine Vielzahl von Säugetieren und Vögeln befallen.

Im Darm der Katzenartigen bildet der Parasit sogenannte Oozysten, die dann über den Kot ausgeschieden werden und in die Umwelt gelangen. Dort können sie von den Zwischenwirten aufgenommen werden. Beim Menschen passiert das sowohl durch die Aufnahme von Zysten in halb rohem Fleisch als auch über eine Schmierinfektion durch Katzenkot, zum Beispiel wenn das Katzenklo gereinigt wird. Der Parasit ist dabei äußerst erfolgreich: Inzwischen ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Toxoplasmose-Erreger infiziert.

Mäuse ohne Angst

In Laborversuchen mit Mäusen nennt man ihr Verhalten „fatale Anziehung“ gegenüber Katzen – die aber nicht nur Katzen gegenüber besteht. „Wir bemerkten bald, dass es keine spezifischen Veränderungen gegenüber Katzenartigen gab. Die infizierten Mäuse hatten vielmehr ihre Angst vor allen Raubtieren verloren“, berichtet Madlaina Boillat, Expertin für Neurogenetik an der Universität Genf.

Weitere Tests zeigten, dass infizierte Mäuse generell weniger ängstlich waren und mehr Interesse hatten, ihre Umwelt zu erkunden. Man bemerkte außerdem, dass diese Mäuse Anzeichen einer anhaltenden Entzündung in ihrem zentralen Nervensystem zeigten.

„Die infizierten Mäuse hatten ihre Angst vor allen Raubtieren verloren.“

Dies lege nahe, dass die Verhaltensveränderungen mit der Neuroinflammation zusammenhingen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass der ganz umfassende Verlust der Angst und ein verstärktes Erkundungsverhalten Mäuse nicht nur zur einfacheren Beute für Katzen machen, sondern generell die Übertragung auf Zwischenwirte erhöhen“, so Boillat.

Alpha-Wölfe haben Toxoplasmose

Nun konnten die Forscher den Toxoplasma-Keim auch im lebenden Wolf beobachten (der ja normalerweise nicht von Katzenartigen gefressen wird). Nur im Yellowstone-Nationalpark ist das anders: Dort leben auch Pumas. Das sind Katzenartige.

Ihr Jagdrevier überschneidet sich mit dem der Wölfe, und das gibt manchmal Krieg. Wölfe stecken sich an – und schon beginnt der Kreislauf der Oozysten wieder.

Da die Population beider Raubtiere groß ist, hatte man das Glück, jede Menge Proben analysieren zu können. Innerhalb von 20 Jahren wies man nach, dass 27 Prozent der Wölfe positiv waren – und bei denen gab es eine 46-mal so hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie schließlich Anführer des Rudels würden.

Infizierte Wölfe haben eine 46-mal höhere Wahrscheinlichkeit, Anführer des Rudels zu werden.

Die Forscher sind sich also im Klaren, dass der kleine Manipulator im Gehirn dieser Säugetiere dann massive Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem hat. Auch bei Tüpfelhyänen hatte man das in einer Langzeitstudie bereits belegt.

Parasit macht Frauen zu Risiko-Investorinnen

Und nun zum Menschen: Auch bei ihnen hinterlassen die Infektionen mit Toxoplasma gondii Spuren in Form von Neuroinflammationen. Untersuchungen stellen Verbindungen her zwischen Infektionen mit dem Keim beim Menschen und spezifischen Verhaltensänderungen, inklusive höherer Risikobereitschaft und neuropsychiatrischer Störungen.

Ein Forscherteam um Markus Fitza von der Frankfurt School of Finance and Management und US-Wirtschaftspsychologin Stefanie Johnson fand heraus: Statistisch gesehen neigen Menschen mit Toxoplasmosa gondii eher dazu, Unternehmer zu werden, starten eine größere Zahl von Wirtschaftsprojekten, agieren dabei häufiger allein und gehen höhere finanzielle Risiken ein.

In Zahlen bezogen auf diesen Versuch heißt das: Seropositiv getestete Frauen wurden mit einer 29 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit zu Unternehmerinnen als Nicht-Infizierte. „Diese Frauen waren auch häufiger mehrfach selbständig, gründeten öfter Solo-Projekte und hatten stärkere Schwankungen in ihren Finanzen, was auf eine höhere Risikobereitschaft hindeutet“, berichtet Fitza, der auch Molekularbiologe ist. Zu Frauen lagen wegen der Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchung besonders viele Daten vor.

„Diese Frauen waren häufiger mehrfach selbständig, gründeten öfter Solo-Projekte und hatten stärkere Schwankungen in ihren Finanzen, was auf eine höhere Risikobereitschaft hindeutet.“

Und in Bezug auf die Wolfsstudie im Yellowstone ergänzt der Wissenschaftler: „Das gleicht durchaus dem, was wir erzählen, nur geht es da um Wölfe. Unsere Unternehmer agierten auch allein, wurden zu Anführern und gingen Risiken ein. Das klingt nach ähnlichen Mechanismen im Kopf.“ Er ist überzeugt, dass der Einfluss des Keims stärker ist, „als man sich das bislang vorgestellt hat.“

Quelle: wissenschaft.de

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