© DIE PTA IN DER APOTHEKE
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Fleischallergie

GEFAHR IM STEAK

Fleischallergien sind in den letzten Jahren häufiger geworden, doch nicht immer sind die Auslöser dafür bekannt. Informieren Sie Ihre Kunden darüber, dass ein Zeckenbiss für die Reaktion verantwortlich sein kann.

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Allergien sind ein häufiges Beratungsthema im Apothekenalltag, meist geht es dabei allerdings um Pollen-, Nahrungsmittel-, Kontaktallergien & Co. Sie sollten am besten auch von neueren Allergien wie der Fleischallergie gehört haben. Es handelt sich um ein selteneres Krankheitsbild, das erst seit einigen Jahren bekannt ist. Fleischallergiker vertragen bestimmte Fleischsorten nicht. Welche dies sind, hängt von dem entsprechenden Allergen ab, gegen das Betroffene sensibilisiert sind. Grundsätzlich ist eine Allergie gegen jede Sorte von Fleisch möglich, egal ob Säugetier- oder Geflügelfleisch. Bei den unterschiedlichen Fleischsorten sind verschiedene Allergene identifiziert worden, generell handelt es sich um eine klassische IgE-vermittelte Typ-1-Reaktion.

Als Allergene fungieren glykolisierte Proteine mit einer Kohlenhydratseitenkette wie etwa α-Galaktose. Die Symptome sind unspezifisch, sodass Ärzte oder Kunden die Beschwerden nicht sofort mit einer Fleischallergie assoziieren. Betroffene klagen über Tachykardie, gastrointestinale Probleme, Ödeme oder Urtikaria. Auch grippeähnliche Beschwerden, Schocksymptome wie Blutdruckabfall oder Atemnot kommen bei Fleischallergikern nach dem Verzehr entsprechender Lebensmittel vor. Allerdings treten die Anzeichen erst drei bis sechs Stunden nach dem Verzehr von Fleisch auf. Zum Vergleich: Andere Nahrungsmittelallergien äußern sich hingegen nach 5 bis 30 Minuten. Die zeitliche Verzögerung stellt ebenfalls einen Grund dafür dar, dass die Diagnostik der Fleischallergie schwierig sein kann.

Zwangs-Vegetarismus Es existieren verschiedene Formen der Fleischallergie: Die Sensibilisierung auf die sogenannte α-Galaktose-assoziierte Allergie kann durch einen Zeckenbiss induziert werden. Da alpha-Galaktose immunogen wirkt, bildet der menschliche Organismus Antikörper gegen den Zucker. Allergien, die auf dem spezifischen IgE gegen alpha-​Galaktose basieren, bezeichnet man als α-Gal-Syndrom. Die Allergie wurde im Jahr 2011 von dem Allergologen Thomas Platts-Mills von der University of Virginia entdeckt.

Lästiger Parasit In Amerika konnten die Stiche der amerikanischen Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum) mit dem α-Gal-Syndrom assoziiert werden, andere Wege der Exposition sind jedoch keineswegs ausgeschlossen. Bei einer Untersuchung zeigte sich, dass die Probanden Antikörper gegen alpha-Galaktose im Blut aufwiesen. Das Kohlenhydrat ist im Speichel der Zecken enthalten und gelangt über einen Zeckenbiss in den Organismus. In Deutschland können Zeckenstiche des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus) eine Sensibilisierung hervorrufen und zur Entwicklung des alpha-Gal-​Syndroms führen. In Australien ist Ixodes holocyclus für die Fleischallergie verantwortlich.

Bei dem Verzehr von rotem Fleisch entwickeln sich nach der Sensibilisierung allergische Beschwerden, da alpha-Galaktose in einigen Fleischsorten enthalten ist. Wer eine besonders ausgeprägte Fleischallergie hat, reagiert auch auf Milchprodukte und Gelatine in Lebensmitteln sowie auf Medikamente, die auf Tierbasis hergestellt wurden. Weisen Sie Ihre Kunden auch daraufhin, dass Innereien, Bries oder Leber besonders viel alpha-Galaktose enthalten und daher für Betroffene gefährlich sind.

Meist reagieren Allergiker auf Rindfleisch, gefolgt von Schweinefleisch, Lamm und Rotwild, während sie Fisch und Geflügel in der Regel problemlos vertragen. Das Zuckermolekül α-Galaktose ist in Fisch und Geflügel nicht enthalten, sodass bei deren Verzehr die allergischen Reaktionen ausbleiben. Weisen Sie Ihre Kunden auch darauf hin, dass die Möglichkeit besteht, auf Rindfleisch zu reagieren, aber Lamm zu vertragen. Wer von einer Zecke gebissen wurde, sollte bei ungeklärten allergischen Reaktionen mit dem Arzt unbedingt über eine mögliche Fleischallergie sprechen.

Vorsicht mit Ei und Hühnchen Sehr selten werden Ihnen in der Apotheke Kunden mit einer Geflügelfleischallergie begegnen. Bei der genuinen (primären) Geflügelfleischallergie vermutet man, dass die Sensibilisierung über den Fleischgenuss und somit über den Gastrointestinaltrakt erfolgt. Die Datenlage zu dem Allergietyp reicht allerdings noch nicht aus, um sichere Aussagen darüber zu treffen. Sekundäre Geflügelfleischallergien treten im Zusammenhang mit dem Vogel-Ei-Syndrom auf. Dabei entwickeln Vogelhalter eine Allergie durch die inhalative Exposition mit Kot und Federn, die mit Atemwegssymptomen einhergeht, später reagieren sie auch auf Hühnerei. Verantwortliche Allergene der Geflügelfleischallergie sind Serumalbumine, sie kommen sowohl im Fleisch als auch im Eigelb vor. Da sie sehr hitzelabil sind, sind die Beschwerden nach dem Fleischkonsum eher mild, häufiger sind Hautreaktionen nach dem Kontakt mit rohem Fleisch.

Antiallergische Behandlung Die Therapie einer Fleischallergie erfolgt genauso wie bei anderen Allergien. Ist die Fleischallergie diagnostiziert, sollten Betroffene die allergieauslösenden Sorten meiden. Häufig sollten sie auf den Verzehr von Säugetierfleisch verzichten und sorgsam darauf achten, keine Speisen mit „versteckten Fleisch- anteilen“ zu essen. Für eine potenzielle Notfallsituation erhalten Allergiker Epinephrin-Autoinjektoren.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2020 ab Seite 100.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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