Körperwaage© spukkato / iStock / Getty Images Plus
In der ersten Phase des Abnehmens purzeln die Pfunde meist wie von alleine.

Magenverkleinerung

GEWICHTSENTWICKLUNG NACH DER MAGENOPERATION

Die bariatrische Adipositaschirurgie erreicht in der Medizin immer größere Bedeutung und die Zahl der Adipositas-Patienten mit Magenoperation steigt stetig an. Wie entwickelt sich das Gewicht nach der Magenverkleinerung tatsächlich?

Seite 1/1 7 Minuten

Seite 1/1 7 Minuten

Durch die Operation werden eine Gewichtsabnahme, die Reduzierung von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II sowie Bluthochdruck und ganz allgemein die Steigerung einer höheren Lebensqualität angestrebt.

Hierzu untersucht die sogenannte Swedish Obese Subjects (SOS)-Studie die Auswirkungen der bariatrischen Chirurgie auf die Fettleibigkeit und die damit verbundenen Begleiterkrankungen über den bisher längsten gemessenen Zeitraum.

Die Ergebnisse zum Thema Gesundheit und Lebensqualität sind derzeit sehr positiv.

Doch die Erwartungen lassen nicht nach

Für viele Adipositaspatienten bedeutet eine Operation viel mehr als nur eine Verbesserung der Gesundheit. Es werden alle Hoffnung in diese Operation gesetzt, endlich normalgewichtig zu werden. Das Fokussieren auf die Zahl auf der Waage setzt viele massiv unter Druck und stresst die Betroffenen enorm. Denn in unserer Gesellschaft gilt nur der als erfolgreich, der es schafft viel Körpergewicht und eine starke Verringerung des BMI in kürzester Zeit zu erreichen.

Dieses Gefühl wird zumindest jedem Menschen vermittelt, der Probleme mit seiner Gesundheit und mit Fettleibigkeit hat - ob in den Medien, beim Arzt oder im sozialen Umfeld. Dabei wird aber nie berücksichtigt, was sich im Körper verändert und was da überhaupt abgenommen wird. Ist es wirklich der Fett- oder eher der Muskelanteil, wie entwickelt sich der Wasserhaushalt bei schneller Gewichtsabnahme und wie die Zellgesundheit? 

„Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Gesundheit liegt bei vielen Betroffenen in einer Magenverkleinerung“

Verschiedene Gewichtsverläufe möglich

Viele Patienten befinden sich zunächst in der „Honeymoon-Phase“. In dieser Phase verläuft die Gewichtsabnahme wie von alleine und alte Verhaltensweisen, die vorher zur Gewichtszunahme führten, spielen erstmal keine Rolle mehr. Nach einer gewissen Zeit stabilisiert sich dann das Körpergewicht. Das kann schon nach einigen Wochen eintreten.

Besonders Menschen, die sehr stark auf die Gewichtszahl fokussiert sind und rigide Denkmuster aufweisen, lassen sich in dieser Phase schnell verunsichern. Einige Menschen können nämlich in kürzester Zeit extrem viel Gewicht abnehmen, andere nehmen prozentual deutlich weniger ab, obwohl sie versuchen, ihr Sportprogramm und ihre Ernährung zu perfektionieren. Anhand der Bioelektrischen Impedanzmessung werden im Folgenden drei Patientenbeispiele nach Operation vorgestellt, die sehr unterschiedliche Gewichtsverläufe und Gefühlserlebnisse beschreiben. 

Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA)

Die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) ist eine Methode zur Bestimmung der Körperzusammensetzung von Menschen. Die unterschiedlichen Gewebe des menschlichen Körpers weisen unterschiedliche elektrische Leitfähigkeiten auf. So kann man anhand der BIA-Messung Magermasse (Muskelmasse) und Fettmasse ermitteln und Aussagen zum Wasserhaushalt treffen.

Über die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) erhält man sehr detailliert Informationen über das viszerale Bauchfett und den sogenannten Phasenwinkel. Das viszerale Bauchfett ist das Fett, welches sich um die inneren Organe ansammelt. Je größer die Menge des viszeralen Bauchfettes im Körper ist, desto mehr steigt das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

Der Phasenwinkel dient zur Einschätzung des Ernährungszustandes der Zellen. Je größer der Phasenwinkel, umso widerstandsfähiger und gesünder sind die Zellmembranen. Dies wird unter anderem durch eine hohe Muskelmasse, bedarfsgerechte Nährstoffversorgung, geringe Wasseransammlung im Körper und ausreichende Erholung beeinflusst. Führt eine Gewichtsabnahme aber immer automatisch dazu, dass sich alle Werte verbessern und der Patient oder die Patientin automatisch nur durch das Abnehmen gesund und fit werden?

Einige Fallbeispiele

Frau Müller* (61 Jahre) bekam im Januar 2019 einen Omega-Loop-Bypass. Sie startete mit einem Ausgangsgewicht von 115 Kilogramm (BMI=39). Schon vor der Operation wurde eine BIA-Messung durchgeführt. Es zeigte sich, dass der Fettanteil und das viszerale Fett hoch waren, aber dass auch der Muskelanteil im eher überdurchschnittlichen Bereich lag. Die Zellgesundheit war gut und der Wasserhaushalt ausgeglichen.

Die Patientin konnte ihren belastenden Job im Supermarkt gut bewältigen. Im März 2023 wurde eine weitere BIA-Messung durchgeführt. Frau Müller wog inzwischen nur noch 60 kg und muss nun drauf achten, dass sie nicht weiter abnimmt. Ihr BMI ist mit 20 an der unteren Grenze des Normalbereichs. Viele adipöse Menschen würden sie gewiss für diesen Gewichtsverlauf beneiden. Frau Müller fühlt sich jedoch deutlich energieloser als vor der Operation und ist weniger stressbelastbar. 

Die Messergebnisse im März 2023 zeigen, dass ihr Fettanteil mittlerweile ebenfalls im Normalbereich liegt (31 %) und sie das viszerale Bauchfett sehr gut reduzieren konnte. Jedoch liegen ihre Muskelwerte deutlich unterhalb des Durchschnitts. Im gesamten Körperbereich hat sie stark an Muskulatur verloren, wodurch auch ihr Wasserhaushalt ins Ungleichgewicht geraten ist.

Ihre Phasenwinkel ist deutlich reduziert, ein Zeichen dafür, dass ihre Zellgesundheit mittlerweile sehr schlecht ist. Einen stressigen Alltag konnte Frau Müller vor drei Jahren als adipöse Person viel besser durchhalten als jetzt. Sie hat zwar ihr Risiko für metabolische Folgeerkrankungen reduziert, dafür ist aber auch ihre Knochen- und Muskelqualität deutlich gesunken. Sie hat inzwischen ein hohes Osteoporose-Risiko. Man sieht: Das Körpergewicht sagt nicht alles über Gesundheit aus. 

Im nächsten Beispiel geht es um Frau Albers* (41 Jahre), deren größter Wunsch ein Normalgewicht ist. Frau Albers wurde im September 2022 operiert (Omega Loop) und der Fragebogen „Essverhalten“ zeigte bereits vor der Operation rigide Essmuster und Störfaktoren im Essverhalten. Frau Albers ist sehr fokussiert auf die Zahl auf der Waage. Sie wiegt sich mehrmals täglich seit der Operation, ihr Ziel ist es, langfristig 60 Kilogramm zu erreichen, denn sie wünscht sich einen für sie idealen Body Mass Index.

Dadurch setzt sie sich sehr unter Druck, obwohl sich ihre Werte objektiv verbessern und sie zufrieden sein könnte. Ihr genügt der Gewichtsverlauf aber noch nicht und sie zählt wieder Kalorien, möchte am liebsten keine Fette und Kohlenhydrate essen. Ihr Fettanteil ist nach wie vor zu hoch, aber bei ihrer extremen Form des Abnehmens wird sie langfristig immer mehr an Muskulatur verlieren. Beim Hungern werden natürlich auch Fette mobilisiert und abgebaut, aber da unser Stoffwechsel seit Jahrtausenden eher auf Mangel als auf Überfluss eingestellt ist, wird beim Fehlen von Fett und Kohlenhydrate zunächst einmal die Muskulatur stark verringert.

Frau Albers treibt exzessiv Sport und verzehrt überwiegend Eiweißzusatzprodukte, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken. Zu beachten ist hier allerdings, dass sich ihr extremer Umgang mit dem Gewicht ungünstig auf den Säure-Basen-Haushalt auswirken kann. Die Niere kann dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, es kann zur Steinbildung (Nierensteine) kommen. Extremformen des Abnehmens, Druck und Stress werden ihrer Gesundheit langfristig nicht guttun. Vielmehr sind das Umsetzen einer gesunden Mischkost und das Reduzieren von Störfaktoren im Essverhalten entscheidend.

Frau Lattmann* kann zeigen, mit welchem Verhältnis zur Waage man eine gesunde Entwicklung nach einer bariatrischen Operation (Omega Loop im September 2022) gestalten kann. Für sie zählt in erster Linie die Reduzierung ihrer Begleiterkrankungen und die Erhöhung der Lebensqualität. Vor der Operation litt sie unter Bluthochdruck und Insulinresistenz. Sie hat verstanden, dass nicht allein die Zahl auf der Waage entscheidend für ihre Gesundheit ist, sondern dass sie mit ihrer Ernährungs- und Verhaltensumstellung viel zu einem gesunden Leben beitragen kann.

Bereits vor der Operation beschäftigte sich Frau Lattmann mit Verhaltensstrategien und einer langfristig angelegten Ernährungsumstellung. Zwar reduzierte sich auch ihre Muskelmasse, aber in allen Körpergeweben (Gliedmaße, Rumpfbereich) besitzt sie weiterhin überdurchschnittlich viel Muskulatur. Auch ihr Wasserhaushalt liegt im gesunden Bereich, der Phasenwinkel im mittleren Bereich. Ihre Blutwerte haben sich deutlich verbessert, der Blutzucker ist normalisiert.

Frau Lattmann fühlt sich gesund und sehr aktiv. Sie führt dreimal die Woche einen speziellen Reha-Sport mit Muskeltraining durch. Am Freitagmorgen hat sie Wiegetag. Bezüglich der Waage hat sie zwar nicht die höchsten Abnahmeerfolge erreicht, jedoch kann sie stark von gesundheitlichen Vorteilen und deutlich erhöhter Lebensqualität profitieren – und zwar ohne Stress!

Erfolgskriterien gemeinsam abstimmen

Statt Erfolg nur über schnelles Verlieren an Körpergewicht zu definieren, ist es wichtig auch weitere Erfolgskriterien gemeinsam mit dem Patienten, dem Arzt und dem Ernährungstherapeuten abzustimmen. Dies könnte eine verbesserte körperliche Aktivität sein. In einem Erfolgstagebuch lässt sich das festhalten. Was kann ich körperlich wieder alles schaffen? Zum Beispiel mit meinen Kindern auf dem Spielplatz spielen, im Karussell fahren, im Flugzeug sitzen.

Es können auch verbesserte Blutwerte sein. Wenn zum Beispiel der Diabetes weg ist, darf man sich dies jeden Tag vor Augen halten. Es lohnt sich auch ein Bewegungstagebuch zu führen. Wie viele Schritte erreiche ich jeden Tag. Manchen hilft auch ein Bewertungstagebuch mit Erfolgsgeschichten, zum Beispiel, wenn man wieder in Kleidergeschäften mit „normalen“ Größen einkaufen gehen kann.

Die SOS-Studie untersucht die Auswirkungen der bariatrischen Chirurgie auf Fettleibigkeit und die damit verbundenen Begleiterkrankungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Magenoperation mit signifikanten und anhaltenden Verbesserungen bei der Gewichtsabnahme, bei Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II und Bluthochdruck sowie bei der allgemeinen Lebensqualität verbunden ist.

Die Studie betont jedoch auch, wie wichtig eine sorgfältige Auswahl der Patienten (z.B. nach psychischer Gesundheit) und eine langfristige Nachsorge sind. Es geht nicht einfach nur um schnelles Abnehmen. Adipositas ist eine Krankheit und dies muss immer im Vordergrund stehen! Darüber hinaus sind wir als Gesellschaft zu gewichtsfokussiert, hier braucht es ein Umdenken!

*Name geändert

Autorin Sabrina Thaden ist Ernährungstherapeutin. Mehr zu ihrer Person und ihrem fachlichen Hintergrund finden Sie unter www.nutrition-master.de

×