Holzfiguren im Kreis.© Andrii-Yalansky / iStock / Getty Images Plus
Viele stark übergewichtige Menschen kennen andere Menschen, die Erfahrungen mit einer bariatrischen Operation hatten.

Adipositas

DER WEG ZUR BARIATRISCHEN OPERATION

Was passiert bei einer Magenverkleinerung? Für wen ist die Operation geeignet und was passiert im Vorfeld? Es ist nämlich nicht mit dem Eingriff alleine getan. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen.

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Für die meisten stark übergewichtigen Menschen sind Gewicht und Ernährung zentrale Themen, und das schon seit der Kindheit. Immer wieder werden restriktive Diätmaßnahmen mit kurzfristigen Gewichtserfolgen versucht. Ärztliche Maßnahmen zum Gewichtsmanagement sowie Ernährungsberatungen sind ein ebenfalls wichtiger Lebensbestandteil.

Mit der allerdings nicht ganz unumstrittenen Set-Point-Theorie nach Nisbett, nach der das menschliche Körpergewicht genetisch programmiert ist und nicht willentlich geändert werden kann, lässt sich erklären, weshalb einige Menschen ein hohes Soll-Gewicht haben und warum der Körper versucht dieses hohe Gewicht zu halten. Selbst Erfolge durch Lebensstilveränderungen sind für sie von kurzer Dauer. 

Für adipöse Menschen ist diese Tatsache frustrierend. Dadurch werden seit einigen Jahren bariatrische Operationen immer mehr zur Option. In den Medien findet man beeindruckende Erfolge über Menschen, die durch die Adipositaschirurgie in kürzester Zeit einen Großteil ihres Übergewichtes verlieren konnten. Es scheint, als ob eine Operation alle Probleme der Adipositas lösen könnte. Ist dies tatsächlich so?

Schlauchmagen und Bypass

Als Bariatrie bezeichnet man ein fachübergreifendes Gebiet der Medizin, das sich mit der Behandlung, der Vorbeugung und den Ursachen für Übergewicht und insbesondere der Adipositas beschäftigt. Die bariatrische Chirurgie, auch als Adipositaschirurgie bekannt, kennt folgende Magenverkleinerungseingriffe:

  • Schlauchmagen
  • restriktiv-malabsorptive Verfahren wie den Roux-Y-Bypass und den Omega-Loop-Bypass („Mini“-Bypass).

Beim Schlauchmagen (Sleeve-Resektion) wird entlang der kleinen Magenkurvatur ein schlauchförmiges Magenreservoir gebildet, welches durch Klammernähte vom Restmagen abgetrennt wird. Der abgetrennte Teil wird anschließend entfernt. Der Pylorus bleibt erhalten. Nach der Operation sinkt das Hungergefühl vorübergehend und es kommt es zur deutlichen Nahrungsreduktion.

Der Roux-Y-Magenbypass ist im Unterschied zum Schlauchmagen prinzipiell reversibel. Vom Magen wird ein kleiner Beutel („Pouch“, ca. 20 - 40 ml) abgetrennt. Der Magen-Darm-Trakt wird durch zwei künstlich geschaffene Verbindungen (Anastomosen) so umgeleitet, dass große Teile des Dünndarms umgangen werden. Die Verkleinerung des Magens begrenzt die aufgenommene Nahrungsmenge und im Dünndarm wird weniger an Nährstoffen resorbiert. Entsprechen kommt es im Anschluss an die Operation zu einer starken und schnellen Gewichtsreduktion. 

Der Omega-Loop wird auch als „Mini“-Bypass bezeichnet und ist eine weitere Variante des Magenbypasses, bei dem der Magen stark verkleinert wird und große Teile des Dünndarms umgangen werden. Im Vergleich zum Roux-Y-Bypass besteht hier nur eine Anastomose, wodurch die Operationszeit verkürzt ist. 

„Der Omega-Loop-Bypass ist ein Verfahren, dass immer beliebter wird“.

Nie wieder übers Essen nachdenken?

Viele stark übergewichtige Menschen kennen andere Menschen, die Erfahrungen mit einer bariatrischen Operation hatten und sehen deren Erfolge, nicht aber deren Probleme. Deshalb überwiegt die Hoffnung durch eine Operation endlich ein gesundes und sorgenfreies Gewichtsmanagement erreichen zu können. Wer sich für eine solche Operation interessiert, muss allerdings wissen, dass es durch die veränderte Magen-Darm-Passage zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten und zum Vitamin-Mangel kommen kann, wenn nicht lebenslang Vitamine substituiert werden.

Der verkleinerte Magen lässt sich mit dem Magen eines Babys vergleichen. Zu Beginn sind die Menschen sehr empfindlich. Sie müssen unterstützt werden, damit eine gute Gewichtsabnahme erreicht werden kann und sich das Essverhalten dauerhaft verändert. 

So schnell wird nicht operiert

Die Voraussetzung für eine bariatrische Operation ist die Absolvierung einer Behandlung nach einem multimodalen Konzept (MMK). Sie kombiniert eine gezielte Ernährungstherapie mit mehr Bewegung und einer Verhaltenstherapie. Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, wird gemäß Leitlinie bei extremer Adipositas ein chirurgischer Eingriff erwogen.

Das MMK ist einerseits nötig, um eine entsprechende Kostenzusage der Krankenkasse zu erhalten. Andererseits hat es auch gesundheitliche Gründe. Das Durchlaufen des Programmes, das mindestens über sechs Monate durchgeführt werden soll, bereitet die Patienten auf den operativen Eingriff vor. 

Warum nehmen die Menschen nach einer bariatrischen Operation so gut ab?

Die Operation kann den Set-Point und den Appetit adipöser Menschen tatsächlich verändern. Gerade in den ersten Monaten nach dem Eingriff beschreiben viele eine veränderte Hunger-Appetits-Sättigungs-Wahrnehmung und oft auch eine Geschmacksveränderung. So berichten einige stark übergewichtige Menschen, die immer eine Präferenz zu Süßem hatten, direkt nach der Operation davon, gar kein Bedürfnis mehr nach Süßigkeiten zu haben.

Selbst die vorgeschriebenen Eiweißpräparate seien ihnen viel zu süß. Viele adipöse Menschen beschreiben auch eine veränderte Körperwahrnehmung. Im Durchschnitt haben normalgewichtige Menschen ein Magenvolumen von etwa einem Liter. Bei einigen schwer Übergewichtigen weitet sich der Magen vor der OP aufgrund großer Portionen auf über zwei Liter Volumen.

Nach einem Bypass ist der Magen nur noch etwa so groß wie das Gelbe vom Überraschungsei. Durch die veränderte Körperwahrnehmung spüren viele kurz nach der Operation auch sehr deutlich den Weg der Nahrung durch die Speiseröhre bis in den neuen Magen und wann sie die Mahlzeit beenden müssen, um keine Beschwerden zu riskieren. 

Mögliche Erfolge durch eine bariatrische Operation

• Überdurchschnittliche Gewichtsabnahme
• Verbesserte Gesundheitswerte: Diabetes Typ II, Schlafapnoe, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen verbessern sich oder lassen sich sogar beseitigen
• Körperwahrnehmung ändert sich, Menschen spüren wieder Sättigung
• Veränderte Geschmackswahrnehmung hin zu Lebensmitteln mit geringerer Energiedichte aber höheren Nährwerten
• Verbesserte Lebensqualität: Zum Beispiel bessere Beweglichkeit

Zwei Fallbeispiele

Frau Steiner* (49 Jahre) besuchte die erste Ernährungstherapiesitzung im März 2019 im Rahmen einer Vorbereitung um einen Revisionseingriff vorzunehmen. Eine Revision bezeichnet in der Medizin die Wiederholung oder Erweiterung eines zuvor durchgeführten Eingriffs. Bei Frau Steiner wurde 2015 schon eine Sleeve-Resektion durchgeführt.

Sie hatte damals einen BMI von 48 und führte eine standardisierte wissensorientierte Ernährungsberatung im Rahmen des MMK durch. Dabei lernte sie vieles über die verschiedenen Lebensmittelkomponenten, sie wurde mit der Lebensmittelpyramide vertraut gemacht und es wurde gemeinsam gekocht. Zum OP-Zeitraum war sie fachlich bestens vorbereitet und hatte sich selbst über Kostaufbau sowie Eiweiß- und Vitaminbedarf in der Zeit nach der Operation informiert.

Daher konnte sie durch die Magenverkleinerung im ersten Jahr fast vierzig Kilogramm Körpergewicht verlieren. Bei Frau Steiner lag es nie am Ernährungswissen, dass sie so stark übergewichtig wurde. Sie ist eine Stress- sowie Emotionsesserin. Vor der Magenverkleinerung war ihr Essverhalten unachtsam, es fehlte an Mahlzeitenstruktur sowie mangelnder Sättigungswahrnehmung. Direkt nach der ersten Operation konzentrierte sie sich sehr auf Körper und Essverhalten.

Sie nahm sich eine Auszeit von der Arbeit, reduzierte dadurch Stress und wenn sie zu viel aß, dann musste sie sich übergeben. Mit der Zeit kehrte sie in ihren Beruf und Alltag zurück und der Stresspegel erhöhte sich wieder. Ihr Alltag und auch ihr Essverhalten wurden wieder unachtsam. Bezüglich der Nahrungsmittelverträglichkeit wurde sie immer robuster und nach einer gewissen Zeit konnte sie sogar Süßigkeiten wieder gut vertragen.

Ganz langsam entwickelte sie wieder ein Essverhalten wie vor der Operation. Die Mengen an Essen waren zwar kleiner, aber die Energiedichte der Lebensmittel war viel zu hoch. Wegen des erhöhten Stresspegels naschte sie viel und das Gewicht stieg wieder. Für den Revisionseingriff war es daher von größter Bedeutung, langfristige Verhaltensstrategien zu entwickeln und das MMK mit diesen Inhalten zu füllen.

Es existieren aber auch Beispiele von Patienten, die durch die bariatrische Operation in ein komplett neues und positives Leben starten konnten. Frau Bade* ist sehr reflektiert, hatte alles gut im MMK-Programm bearbeitet, fand ihr Gleichgewicht im Essverhalten und irgendwann ein richtiges Maß an Kontrolle. Sie kam durch die Operation und den anschließenden Gewichtsverlust zu einem neuen Selbstwertgefühl und viel mehr Selbstvertrauen. Auch das sind Ziele in der Adipositastherapie.

Nur so klappt es!

Am Anfang regelt die Operation sehr viel. Das Gewicht sinkt durch den kleineren Magen und den je nach Operationsmethode verkürzten Dünndarm. Langfristig ist es aber entscheidend, dass sich die Patienten intensiv mit ihrem Verhalten auseinandersetzen und Verhaltensänderungen entwickeln, damit langfristige Gewichtsziele und eine bestmögliche Gesundheit erreicht werden. Denn, das darf man nicht vergessen: Es wird nur der Magen operiert, nicht der Kopf!

Unsere Autorin Sabrina Thaden ist Ernährungstherapeutin. Mehr zu ihrer Person und ihrem fachlichen Hintergrund finden Sie unter www.nutrition-master.de

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