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Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern

JUNG UND SCHON HINTER GITTERN?

Störungen des Sozialverhaltens in der Kindheit können zu delinquentem Verhalten im Jugendalter führen, welches gegen das geltende Strafrecht verstößt. Im schlimmsten Fall landen die Heranwachsenden im Arrest.

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Mit dem Gesetz in Konflikt kommen kann man in jedem Alter. Paragraph 19 des Strafgesetzbuches regelt allerdings, dass Kinder unter 14 Jahren schuldunfähig sind. Egal, ob sie einen kleineren Diebstahl, Betrugsdelikte oder Gewalt gegen Menschen begehen, sie können dafür strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Ganz ungeschoren kommen die jungen Straftäter jedoch nicht davon: Vom ersten Delikt an sind sie bei den Jugendämtern registriert. Zu den Erscheinungsformen aggressiv-destruktiven Verhaltens im Kindes- und Jugendalter gehören Sachbeschädigung, autodestruktives Verhalten, Gewalt gegen Personen sowie Straftaten mit aggressiv-destruktiver Komponente wie einfache und gefährliche Körperverletzung, Raub, Geiselnahme, Nötigung, Totschlag, Mord, Bedrohung, Beleidigung, körperliche oder sexuelle Misshandlung.

Im Jugendalter nimmt die Rate delinquenten und kriminellen Verhaltens zu und erreicht im Alter von etwa 20 Jahren ihren Höhepunkt. Man unterscheidet Heranwachsende mit Jugenddelinquenz, bei denen das kritische Verhalten auf das Jugendalter begrenzt ist, von persistent Delinquenten, die das Verhalten bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Unter Delinquenz versteht man ganz allgemein die Neigung rechtliche Grenzen zu überschreiten.

Kriminalstatistik 2007 waren beispielsweise 12,1 Prozent aller Täter in Deutschland zwischen 14 und 18 Jahren, 10,6 Prozent waren zwischen 18 und 21 Jahre alt – mehr als drei Viertel der Tatverdächtigen waren männlich. Die meisten Jugendlichen sind Gelegenheitsdelinquenten, die „nur“ leichtere Straftaten begehen, die wenigsten beteiligen sich regelmäßig an gravierenderen Delikten. Häufige Gesetzeswidrigkeiten sind Diebstahl, Sachbeschädigung und Körperverletzung, wobei letztere den größten Anteil ausmacht. Meistens geschehen die Straftaten wochentags zwischen 14 und 20 Uhr, vermutlich weil viele Teenager in diesem Zeitraum unbeaufsichtigt sind.

Besonders „schwere Jungs“ Die Gruppe der jugendlichen Intensivtäter nimmt eine Sonderstellung ein: Sie weist bereits sehr früh Verhaltensauffälligkeiten auf, zeigt meist schlechte Schulleistungen, wächst in schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen auf und verfügt über Freunde, die oft ebenfalls delinquent sind. Als Ursachen für das abweichende Verhalten kommen eine niedrige Intelligenz, ein schwieriges Temperament, Familien mit konfliktträchtiger Atmosphäre sowie erlebte Ablehnung durch Gleichaltrige in Betracht.

Kinder unter 14 Jahren können strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden, werden aber bei den Jugendämtern registriert.

Was ist zu tun? Neben strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gibt es vorbeugende und therapeutische Maßnahmen, die aggressives Verhalten bei Jugendlichen verhindern oder reduzieren können. Die Prävention sollte am besten früh beginnen und auf mehreren Ebenen ansetzen: Antisoziales Verhalten ist etwa durch stabile wirtschaftliche und soziale Lebensbedingungen sowie durch positive familiäre Beziehungen zu minimieren. Die Behandlung jugendlicher Straftäter erfordert einen langwierigen Ansatz, der sich auf die vielfältigen Auslöser des abweichenden Verhaltens beziehen muss.

Als wirksam gelten Kurse, in denen Heranwachsende erlernen, ihr moralisches Urteil, ihre Aggressionsregulation, ihre sozialen Fähigkeiten und ihre emotionale Selbstkontrolle zu optimieren. Eltern werden im Rahmen der Maßnahme über bessere Beaufsichtigungs-, Kommunikations- und Erziehungsstrategien informiert.

Die multidimensionale Behandlung ist allerdings unzureichend, wenn Betroffene sich weiterhin in antisozialen Peer-Gruppen, in einem feindseligen Elternhaus oder in heruntergekommenen Wohnvierteln aufhalten. Für solche Fälle eignet sich die sogenannte systemische Therapie, bei welcher der Therapeut gewalttätige Jugendliche in positive Aktivitäten in der Freizeit, in der Schule oder am Arbeitsplatz einbindet, um sie von straffällig gewordenen Gleichaltrigen abzugrenzen.

Knast auf Probe Jugendarrest wird verhängt, wenn ein Jugendlicher bereits mehrfach straffällig, aber noch nicht zu einer Strafe verurteilt wurde. Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl der jungen Menschen wecken und ihnen eindringlich bewusst machen, dass sie für das begangene Unrecht einzustehen haben. Nach § 90 JGG soll er erzieherisch gestaltet werden und Heranwachsenden dabei helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zu dem Begehen der Straftat geführt haben. Mögliche Formen sind Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest.

Exkurs über die Entwicklung der Moral Kriminalität ist relativ und basiert auf Moralvorstellungen, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Mensch zu Mensch sowie von Zeit zu Zeit unterscheiden können. Lawrence Kohlberg stellte ein Modell der moralischen Entwicklung mit drei Hauptniveaus und sechs Stadien moralischen Verhaltens auf. Dazu konfrontierte er Kinder und Jugendliche mit hypothetischen moralischen Konfliktsituationen und ordnete ihre Antworten darauf verschiedenen Stufen der Moral zu.

Das präkonventionelle Niveau kennzeichnet sich durch eine extern bestimmte Moral: Kinder akzeptieren die Regeln von Autoritätspersonen und bewerten Handlungen anhand der Konsequenzen – Verhalten, welches zu einer Strafe führt, wird als schlecht empfunden, während Handlungen, die belohnt werden, positiv angesehen werden. Das konventionelle Niveau ist durch das Befolgen gesellschaftlicher Regeln gekennzeichnet, welches nicht mehr aus Gründen des Eigeninteresses entsteht.

Menschen auf diesen Stufen sind davon überzeugt, dass das aktive Erhalten des Gesellschaftssystems Ordnung und positive Beziehungen sichert. Personen auf dem postkonventionellen Niveau unterstützen Regeln und Gesetze nicht bedingungslos, sondern definieren Moral durch abstrakte Prinzipien und Werte.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 auf Seite 130.

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