© Fotografie von Joseph Albert, 1884

Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

'IRRE' ODER NICHT?

Als Märchenkönig ging Ludwig II., König von Bayern, in die Geschichtsbücher ein. Doch sein Leben und sein mysteriöses bis heute nicht geklärtes Sterben selbst waren alles andere als romantisch.

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Schon als Einjähriger musste der am 25. August 1845 in Schloss Nymphenburg bei München als Sohn von Kronprinz Maximilian und der damaligen Kronprinzessin Marie geborene Otto Friedrich Wilhelm Ludwig seine erste lebensbedrohliche Krankheit überstehen. Er litt unter hohem Fieber, starken Schmerzen, verfiel zusehends. Vermutlich hatte er sich bei seiner Amme, einer Miesbacher Bäuerin, die an einer Hirnhautentzündung verstarb, angesteckt.

Doch der Junge erholte sich wieder, entwickelte sich als junger Prinz prächtig. Allerdings war die Beziehung zu seinen Eltern von großer Distanz bestimmt. Sowohl sein Vater, der durch die Regierungsgeschäfte stark eingebunden war, als auch seine Mutter, eine tiefreligiöse Bergsteigerin, kamen mit dem schwärmerischen, verträumten Wesen des jungen Ludwig, der Literatur, Bücher und Theater sowie Musik leidenschaftlich liebte, nicht gut zurecht.

Der Ernst des Lebens Mit 17 Jahren besuchte der Erbprinz die Münchner Universität, wo er bei Johann Philipp von Jolly Physik, bei Justus von Liebig Chemie studierte sowie Vorlesungen zur Logik und Geschichte der Philosophie hörte. Doch im Herbst 1863 wurde Kronprinz Ludwig von schwerem Fieber befallen, das gut drei Monate dauerte, was auf eine gravierende Erkrankung hinweist. Mit dem Tod seines Vaters am 10. März 1864 musste Ludwig seine Studien umgehend beenden und der gerade genesene 18-Jährige wurde König von Bayern.

Der junge Regent beeindruckte anfangs durch ein angenehmes, sehr gepflegtes Äußeres. Doch schnell trat wieder häufiger das Fieber auf sowie unerträgliche Schmerzen im Gesicht, was von den Ärzten als „Neuralgia supraorbitalis“, also ein Nervenschmerz oberhalb von Augen und Nasenwurzel, bezeichnet wurde. Dass er schon Mitte zwanzig Zähne verlor und oft unter kaum erträglichen Schmerzen litt, mag beim ohnehin eher schüchtern und zurückhaltenden Ludwig zu seiner Menschenscheu und seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit beigetragen haben.

So kam er seinen Repräsentationspflichten nur unzureichend nach, mied weitgehend öffentliche Auftritte, Paraden, Empfänge, Staatsbesuche, was auf Unverständnis stieß und seiner Popularität deutlich schadete. Selbst Ausstellungen, Messen oder Einweihungen besuchte Ludwig II. trotz seines deutlichen Interesses für Technik nur sehr selten.

„Seelenverwandtschaft“ Eine auf gemeinsamem Interesse für Kunst, Literatur und Musik basierende „Seelenverwandtschaft“ verband ihn mit seiner Großcousine Elisabeth (1837 bis 1898), seit 1854 als Frau von Franz Joseph I. (1830 bis 1916) Kaiserin von Österreich. Mit deren jüngeren Schwester Sophie Charlotte (1847 bis 1897) von Bayern verlobte sich König Ludwig II. am 22. Januar 1867, verschob die Hochzeit aber immer wieder, um sie am 7. Oktober 1867 wieder zu lösen. Ludwig blieb unverheiratet.

Viel wird seitdem darüber spekuliert, ob homosexuelle Neigungen, die er 1867 in einem geheimen Tagebuch selbst anspricht, mit ein Grund hierfür waren. Er pflegte tatsächlich viele Männerfreundschaften – aus allen sozialen Schichten –, ob er seine Neigungen auslebte oder die Beziehungen ihren homoerotischen Charakter behielten, ist bis heute nicht geklärt. Faktisch stieß er jedoch mit seiner Entlobung Hof und Regierung vor den Kopf und erlitt selbst einen hohen Autoritätsverlust. Im katholischen Bayern kam sein Verhalten nicht gut an, ganz abgesehen davon, dass Homosexualität zur damaligen Zeit als krankhaft galt – ein Vorbehalt, der auch das psychologische Gutachten beeinflusst haben könnte, das letztlich zum Sturz des Königs führte.

„Kultur statt Krieg“ Insgesamt war Ludwigs II. Lebensstil verschwenderisch. Luxusbauten wie die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee waren aus dem normalen Landesbudget nicht zu finanzieren. Als Förderer der Kultur unterstützte er den Komponisten Richard Wagner (1813 bis 1883) finanziell massiv, ließ sich ab 1872 auch ohne Publikum vollständige Wagner-Opern vorführen. Im Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 wollte er sich – entgegen seiner Bündnispflicht – jedoch am liebsten neutral verhalten. „Kultur statt Krieg“, dafür hatten die Minister kein Verständnis.

VORSCHAU
In unserer Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende
Menschen vor:
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)

1873 spricht Ludwig II. erstmals selbst „von geistigem Herausleben aus der unerträglichen Gegenwart“. Ab 1876 war er als bayerischer König praktisch vollständig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Minister mussten ihn manchmal in entlegenen Berghütten aufsuchen, wenn sie Unterschriften von ihm erhalten wollten.

Ludwig wurde auffallend dick, Zurückgezogenheit, starke Stimmungsschwankungen mit Aggressivität und Gewalttätigkeiten gegen Untergebene sowie nächtliche Wanderungen (Mondkönig) bestimmten das Bild. Er galt als politisch und finanziell untragbar – und darin herrschte unter bayerischen Politikern eine bemerkenswerte Einigkeit. Entgegen verbreiteten Ansichten übte Ludwig II. seine Amtsgeschäfte jedoch trotz häufiger Abwesenheit von München fast bis zum Ende gewissenhaft aus. Viele Anfragen und Dokumente wurden von Ludwig mit Signaten, also eigenen Anmerkungen und Empfehlungen versehen.

Entmündigung Am 8. Juni 1886 wurde Ludwig II. auf Betreiben der Regierung durch die Ärzte Bernhard von Gudden, Friedrich Wilhelm Hagen, Hubert von Grashey und Max Hubrich in einem Gutachten aufgrund von unpräzisen Zeugenaussagen und ohne persönliche Untersuchung des Patienten deshalb für „seelengestört“ und „unheilbar“ erklärt. Lediglich Bernhard von Gudden hatte König Ludwig ein Mal flüchtig gesehen, aber nicht eingehend untersucht.

»Ludwig II. verlor schon mit Mitte zwanzig seine Zähne und litt oft unter kaum erträglichen Schmerzen.«

Den politischen Kreisen war eine medizinisch legitimierte Entlassungsurkunde wichtig, um den König zu entmachten, ohne ihn umbringen zu müssen. Dieses Vorhaben gelang nicht ganz: Am Abend des 13. Juni 1886 starben Bernhard von Gudden und der noch nicht einmal 42-jährige König Ludwig II. gemeinsam im Starnberger See. Nach offizieller Version wollte der Arzt den Regenten an einem Selbstmordversuch hindern und kam dabei selbst mit zu Tode. Gefunden wurde der 1,91 Meter große König allerdings in 80 Zentimeter tiefem Wasser. Fakten, die natürlich die Gerüchteküche anheizen.

Die Fragen nach den Ereignissen, die dazu führten, dass Ludwig II. für geisteskrank und daher regierungsunfähig erklärt wurde, zählen zu den Problemen, die bis heute die Öffentlichkeit immer noch beschäftigen. Es ist davon auszugehen, dass die bisherige Diagnose Schizophrenie nicht haltbar ist. Vielmehr soll der Bayernkönig – nach neuesten Erkenntnissen – wohl an einer schizotypen Persönlichkeitsstörung sowie an Morbus Pick, einer speziellen Demenzform, gelitten haben.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 50.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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