Der Mund einer Frau ist mit dunkelblauem, fast schwarzem Lippenstift und Glitzer geschminkt.© kobrin_photo / iStock / Getty Images Plus
Wenn es an den Lippen kribbelt, dann bitte nur vom Glitzer; aber falls es doch einmal Herpes sein sollte, finden Sie hier alle Infos fürs Beratungsgespräch.

Fieberbläschen

WOHER LIPPENHERPES KOMMT UND WIE ER SCHNELL WIEDER GEHT

Er kribbelt, spannt und ist auch noch ansteckend: Lippenherpes kommt meist dann, wenn wir ihn gar nicht gebrauchen können. Behalten Sie den Überblick über die vielen Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und Medizinprodukte! Was können Sie Ihren Kund*innen empfehlen?

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Creme, Pflaster, Kautabletten – die Auswahl an Lippenherpes-Mitteln im Handverkauf ist groß. Bei manchen Empfehlungen stärken Ihnen wissenschaftliche Studien den Rücken, bei anderen vertrauen Sie auf Erfahrungswerte.

Wir werfen einen Blick darauf, was Lippenherpes genau ist, welche Behandlungsoptionen wirklich wirken und wo die Grenzen der Selbstmedikation liegen. Wir schauen uns einzelne Wirkstoffe an, vergleichen sie und klären, wie eine sinnvolle Zusatzempfehlung aussieht.

Das Fieberbläschen: Was ist eigentlich Lippenherpes?

Lippenherpes, auch Herpes labialis genannt, ist eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1). Rund 95 Prozent der Erwachsenen tragen es in sich. Neben Lippenherpes kann HSV-1 auch Genitalherpes verursachen, die meisten Infektionen im Anogenitalbereich verursacht aber das verwandte Herpes-simplex-Virus Typ 2.

Eine schreckliche Familie
HSV-1 und HSV-2 sind zwei von acht Herpesviren (aus einer Familie von rund 170 Arten), die beim Menschen Krankheiten auslösen. Die anderen kennen Sie aus Ihrem Berufsalltag sicherlich auch: Das Herpes-Zoster-Virus und das Varizella-Zoster-Virus lösen Gürtelrose beziehungsweise Windpocken aus. Das Zytomegalie-Virus kann, wenn Schwangere sich infizieren, das ungeborene Kind schädigen. Das Epstein-Barr-Virus steckt hinter Mononukleose, die wir auch als Pfeiffersches Drüsenfieber oder Kusskrankheit kennen. Die Humanpathogenen Herpesviren 6 und 7 sind die Auslöser des Drei-Tage-Fiebers, an dem viele kleine Kinder erkranken. Und das Humanpathogene Herpesvirus 8 schadet vor allem immungeschwächten Personen, bekannt ist es als Ursache des Kaposi-Sarkoms bei HIV.

Das Tückische an Herpesviren ist, dass sie uns – einmal in den Körper eingedrungen –   Sie kriechen von ihren Eintrittspunkten entlang der Nervenbahnen zu den Ganglien, wo sie im Ruhemodus verharren, ohne Symptome auszulösen.

Lippenherpesviren schlafen am Trigeminusnerv. Ist das Immunsystem geschwächt, können sie sich wieder vermehren. Bei 20 bis 40 Prozent der Infizierten kommt es dann erneut zu einem Lippenherpes, bei anderen kommt es nie zu Beschwerden

Fünf Phasen

Bei vielen Betroffenen kündigt sich der Lippenherpes schon an, bevor sich die ersten Bläschen an der Ober- oder Unterlippe zeigen: Die Haut kribbelt, spannt oder ist berührungsempfindlich. Diese Phase dauert einige Stunden bis zu einem Tag. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, antivirale Cremes aufzutragen. Manchmal schwellen auch die Lymphknoten an.

In der nächsten Phase bilden sich Bläschen, füllen sich mit klarer Flüssigkeit und platzen schließlich. Das dauert wenige Tage. Es folgt die offene Wundphase und nach kurzer Zeit die Verkrustungsphase, in der die kleine Wunde gelblich verkrustet. Nach der Abheilungsphase ist der Lippenherpes vollständig abgeheilt. Unbehandelt sind meist 8 bis 14 Tage vergangen.

Sonderfall Mundfäule
Vor allem bei kleinen Kindern kann HSV-1 auch Mundfäule auslösen. Die Fieberbläschen entstehen in Form von Geschwüren im Mund und führen dort zu stark schmerzenden Läsionen. Oft haben die Kinder auch hohes Fieber. Eine Mundfäule gehört unverzüglich in die Hand von Ärzt*innen.
Raten Sie Eltern, dem betroffenen Kind kalte Getränke zu geben sowie weiches und kühles Essen: Joghurt, Nudeln, Brei oder kalte Suppe etwa. Ein Strohhalm hilft. Sie können auch betäubende Gele oder Lutschtabletten empfehlen.
Kann das Kind keine Nahrung mehr zu sich nehmen, wird es ins Krankenhaus aufgenommen.

Fünf Tipps zum Verhalten bei Lippenherpes

Eine Herpesinfektion ist ansteckend. Die Viren werden übertragen durch …

  • eine Tröpfcheninfektion, also beim Niesen, Sprechen oder Husten,
  • eine Schmierinfektion, also über gemeinsam benutzte Gegenstände,
  • direkte Haut- und Schleimhautkontakte.

Betroffene können mit einer hygienischen Verhaltensweise also dazu beitragen, die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Dazu können Sie Ihren Kund*innen mit Lippenherpes folgende Tipps geben:

  1. Direkten Hautkontakt meiden, also nicht küssen oder eng am Gesicht kuscheln, kein Sport mit Körperkontakt, kein Oralsex während der akuten Phase
  2. Kein Besteck, keine Gläser, Handtücher, Servietten oder sogar Lippenpflegeprodukte teilen
  3. Vorsicht vor einer Ansteckung über die eigenen Finger: Die Bläschen möglichst nicht berühren, Cremes mit einem Wattestäbchen auftragen. Kontaktlinsenträger sollten während der akuten Infektionsphase ihre Hände sorgfältig waschen und desinfizieren, bevor sie ihre Linsen einsetzen oder herausnehmen; besser noch steigen sie für die Zeit auf eine Brille um.
  4. HSV-1 ist ein behülltes Virus. Die Virushülle besteht hauptsächlich aus Lipiden, deshalb reicht Händewaschen mit Seife zur Inaktivierung der Viren aus.
  5. Für unterwegs sind Händedesinfektionsmittel, wie wir sie aus Corona-Zeiten kennen, geeignet – hier reicht der Wirksamkeitsbereich „begrenzt viruzid“ aus.

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Komplikationen: Wann ist Lippenherpes gefährlich?

Lippenherpes juckt, schmerzt und stört optisch, heilt in der Regel aber folgenlos ab. In einigen Fällen jedoch kann er schwerwiegende Folgende haben. Nämlich wenn er sich auf weitere Körperstellen ausbreitet oder wenn weitere Erreger eine Sekundärinfektion auslösen.

Kratzen Betroffene an ihren Fieberbläschen, können Staphylokokken und Streptokokken in die Wunde eintreten und zu eitrigen Infektionen führen. Bei Neurodermitiker*innen kann der Herpes sich auf der vorgeschädigten Haut ausbreiten, im schlimmsten Fall auf den ganzen Körper (Eczema herpeticum). Oft kommt es dann zu Sekundärinfektionen mit weiteren Keimen.

Auch eine Herpes-verschuldete Entzündung des Gehirns (Herpes-Enzephalitis) ist möglich. Bei einem geschwächten Immunsystem können die Herpesviren eine Lungenentzündung auslösen. An den Augen kann HSV-1 die Hornhaut befallen (Herpes corneae). Das beeinträchtigt die Sehkraft und kann zu bleibenden Narben und Geschwüren führen.

Während der Schwangerschaft, vor allem aber bei der Geburt können Herpesviren aus dem Genitalbereich der Schwangeren auf das Kind übergehen und es bleibend schädigen. Da man nie sicher ausschließen kann, dass bei Lippenherpes nicht auch Viren in den Genitalbereich gelangen, raten Ärzt*innen zu einem Kaiserschnitt, wenn Schwangere unmittelbar vor der Geburt akut erkrankt sind. Wer gerade ein Fieberbläschen hat, sollte Neugeborene nicht mit den Händen berühren.

Herpes behandeln

In der Regel ist Lippenherpes ein Fall für die Selbstmedikation. Es gibt jedoch Ausnahmen: Verweisen Sie Betroffene an Ärzt*innen, …

  • wenn der Herpes sich auch außerhalb der Lippe im Gesicht ausbreitet oder sogar Gefahr läuft, das Auge zu erreichen. Dann ist meist eine systemische Therapie mit Aciclovir oder Valaciclovir nötig.
  • wenn Säuglinge, Immunsupprimierte oder Neurodermitiker*innen im akuten Schub betroffen sind.
  • wenn Fieber, Kopfschmerzen oder allgemeines Unwohlsein hinzukommen.
  • wenn unklar ist, ob es sich wirklich um Lippenherpes handelt.
  • bei Mundfäule.

In den meisten unkomplizierten Fällen jedoch gibt es eine ganze Handvoll Optionen, die Sie Ihren Kund*innen empfehlen können. Von allein heilen die Bläschen in circa zwei Wochen ab. Sind sie bereits spürbar oder sichtbar, können Medikamente den Lippenherpes nicht mehr stoppen, aber die Heilung beschleunigen und die Beschwerden lindern.

Aciclovir und Penciclovir im Vergleich

Aciclovir und Penciclovir sind Nukleosid-Analoga. Das heißt, wenn das Virus sich vermehrt, wird der Wirkstoff statt des eigentlichen Erbgut-Bestandteils in die Virus-DNA eingebaut. So bricht die DNA-Kette ab und das Virus wird unbrauchbar.

Aciclovir ist schlecht bioverfügbar. Außerdem wirkt es nicht, wenn es erst in der Bläschenphase aufgetragen wird, es muss schon bei den ersten Anzeichen angewendet werden. Die Bläschen erreichen das Krustenstadium durchschnittlich nach sechs Tagen.

Penciclovir ist der neuere der beiden Wirkstoffe und besser bioverfügbar. Zwar ist auch Penciclovir effektiver, je früher es aufgetragen wird. Doch selbst wenn die Behandlung erst in der Bläschenphase beginnt, reduziert Penciclovir die Krustenbildung um 30 und Schmerzen um 20 Prozent. Die Bläschen erreichen das Krustenstadium schon nach vier Tagen und die Anwender*innen sind einen Tag schneller schmerzfrei als mit Aciclovir. Allerdings ist Penciclovir erst ab zwölf Jahren zugelassen, Aciclovir ab einem Jahr.

 AciclovirPenciclovir
Bioverfügbarkeitschlechtbesser
Anwendungsbeginnbei den ersten Anzeichen wie Kribbeln oder Spannen; Anwendungsbeginn in der Bläschenphase unwirksamam besten bei den ersten Anzeichen, aber auch in der Bläschenphase ist der Beginn noch möglich
Krustenstadium erreichtnach 6 Tagennach 4 Tagen
Alterab 1 Jahrab 12 Jahren


Aciclovir gibt es auch in Kombination mit Hydrocortison. In Studien ist die Kombi zwar wirksamer als Placebo, aber kaum wirksamer als Aciclovir allein. Hydrocortison als Glucocorticoid soll die Entzündung lindern und so die Wundheilung begünstigen, allerdings bremst Cortison auch das Immunsystem, welches eigentlich die Viren bekämpfen soll.

Alternativen zu antiviralen Cremes

In standardisiertem Melissenextrakt als topische Zubereitung wirken vor allem Lamiaceen-Gerbstoffe, insbesondere Rosmarinsäure. In Zellkulturen hindert der Extrakt das Virus daran, an die Wirtszelle anzudocken – er greift also in einem anderen Stadium der Virusvermehrung. In kleineren klinischen Studien linderte er Rötung und Schwellung, außerdem verlängerte er die Zeit bis zum nächsten Rezidiv.

Auch eine Creme mit Spirulina-Extrakt steht gegen Lippenherpes zur Verfügung. Polysaccharide der Mikroalge legen sich wie ein Film um die Keratinozyten der Haut und schützen so deren HSV-1-Rezeptoren vor Herpesviren. Außerdem schützt der Spirulina-Extrakt vor Sekundärinfektionen mit Staphylococcus aureus, pathogene Dermatophyten und Hefepilzen. In einer klinischen Studie verglichen die Forschenden den Spirulina-Extrakt mit Aciclovir. Der Extrakt verhinderte den Herpesausbruch und verminderte die Krustenbildung besser als Aciclovir-Creme.

Docosanol, ebenfalls in Cremeform verfügbar, ist ein langkettiger Alkohol. Er soll die Zellmembran der Wirtszelle so verändern, dass Viren nicht eindringen können. Die Studienlage ist dünn und bescheinigt Docosanol auch nur einen schwachen Effekt.

Auch Zink soll das Eindringen des Virus in die Zelle unterbinden, zudem trocknet es das nässende Fieberbläschen aus. In einer Kombination mit Heparin soll Letzteres die Wirkung beschleunigen. In einer klinischen Studie war nach fünf Tagen die Hälfte der Proband*innen symptomfrei, in der Placebo-Gruppe war es nur ein Drittel.

Hydrokolloid-Pflaster gegen Herpes, auch Patches genannt, haben eine Polyurethan-Schicht und sind luftdurchlässig. Nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung beschleunigen sie den Heilungsprozess. Außerdem reduzieren sie das Ansteckungsrisiko. Obwohl sie keinen Wirkstoff enthalten, konnten sie in einer klinischen Studie mit Aciclovir-Creme mithalten. Die Pflaster können überschminkt, sollten aber nicht mit Wirkstoff-Cremes kombiniert werden, da sie sonst nicht richtig kleben.

Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel finden sich Kautabletten mit Lysin, die bei Lippenherpes unterstützen sollen. In vitro bremst es die Vermehrung der Herpesviren, indem es die Aufnahme von Arginin reduziert, welches die Viren brauchen, um sich zu vermehren. Klinische Studien liefern allerdings widersprüchliche Ergebnisse, die nicht ausreichen, um Lysin einen Effekt zu bescheinigen.

Und schließlich gibt es einen elektrischen Stift, der ähnlich wie ein Mückenstich-Heiler Wärme produziert. Diese soll die thermolabilen Herpesviren zerstören. Eine Studie des Herstellers war allerdings zu klein und methodisch zu anfällig, um von wissenschaftlicher Evidenz zu sprechen.

Nein zu Hausmitteln
Zahnpasta, Essig oder Alkohol trocknen die Haut aus, was die Heilung behindert und Superinfektionen begünstigt. Teebaumöl kann Allergien auslösen und die Haut reizen. Raten Sie Ihren Kunden also von vermeintlich kostensparenden Selbstversuchen ab.

Als Mittel der ersten Wahl gelten antivirale Cremes mit Aciclovir, besser Penciclovir. Alternativen sollten Sie nur bei Unverträglichkeiten, ergänzend zur antiviralen Creme oder auf ausdrücklichen Kundenwunsch empfehlen.

Die sinnvolle Zusatzempfehlung bei Lippenherpes

Ist der Lippenherpes Ihrer Kund*innen sehr schmerzhaft, können Sie zusätzlich ein Lokalanästhetikum empfehlen, ein Lidocain-Gel etwa. Vielleicht können Sie im Gespräch auch erfahren, was der Auslöser des akuten Schubs ist. Typisch sind unter anderem:

  • UV-Strahlung
  • ein geschwächtes Immunsystem oder ein akuter Infekt
  • eine Laser-Gesichtsbehandlung, ein Peeling oder ein Needling
  • eine länger dauernde Zahnbehandlung
  • psychische Belastungen wie Stress, Ekel, Trauer oder Übermüdung
  • hormonelle Umstellung bei Frauen, etwa während der Menstruation oder in der Schwangerschaft

Entsprechend können Sie mit einer Lippenpflege mit Lichtschutzfaktor, einem immunstärkenden Präparat oder einem pflanzlichen Mittel gegen Stress ein Plus an Beratung und Hilfe anbieten.

Quellen:
https://www.gelbe-liste.de/selbstmedikation/lippenherpes/penciclovir
https://www.gelbe-liste.de/selbstmedikation/lippenherpes/aciclovir
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-32-2020/mit-pflanzenpower-gegen-die-blaeschen
https://www.gelbe-liste.de/selbstmedikation/lippenherpes/zink-docosanol-pflaster
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-472008/neues-aus-therapie-und-forschung/
https://www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2009/06/Herpes_labialis.pdf
https://medizin-transparent.at/lysin-herpes/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2014/daz-16-2014/cremen-kleben-oder-hitze
https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/hautkrankheiten/lippenherpes-ursachen-therapie-vorbeugen-734287.html
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/selbstmedikation-bei-lippenherpes-123053/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/03/11/gut-beraten-bei-lippenherpes

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