Ein Posaunist trägt auf einem Umzug eine übergroße Clownsmaske.© Jules_Kitano / iStock / Getty Images
Masken, Kostüme, Umzüge und Feiern: Die Fastnacht ist besonders traditionsreich.

Fastnacht

MIT KOSTÜMEN AN KARNEVAL GEGEN KONVENTIONEN

Es muss ja nicht gleich Köln oder Mainz sein, auch andernorts kosten die Menschen Fastnacht oder Karneval aus. Die Tradition es Verkleidens haben alle Feiern gemeinsam. Woher kommt sie eigentlich? Und was bedeuten Kostüme heute?

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Zwischen Weiberfastnacht, dem 8., und Aschermittwoch, dem 14. Februar dieses Jahres, werden wir wieder in vielen Gegenden Deutschlands „Alaaf“ oder „Helau“ hören. Das sind die bekanntesten Schlachtrufe der feiernden, schunkelnden und singenden Narren in Deutschland. Es gibt auch noch „Wau wau“, „Allee hopp“ oder „Ahoi“.

Ob man diese Zeit nun mag oder nicht – eines ist sicher: Für viele Menschen bedeutet sie vor allem Ausgelassenheit, Spaß, Ungezwungenheit, Freude, Kennenlernen, Singen, Tanzen und noch einiges mehr – hier darf die Fantasie auf Reisen gehen.

Die Zeit vor der Fastenzeit

Fasching, Fastnacht, Fasenacht, Fasteleer, Fastelovend, Fasnet, Faslam. Lauter Bergriffe, die alle je nach Landstrich das Gleiche bedeuten: die Zeit vor Aschermittwoch, mit dem nach religiösem Kontext eine 40-tägige Fastenzeit beginnt. Damit erschließt sich auch der Ursprung der Begriffe.

Das Wort Karneval leitet sich jedoch vom lateinischen „carne vale“ ab, was so viel heißt wie „Fleisch, leb wohl!“. Sprich, bald beginnt die Zeit des Verzichts auf fleischliche Genüsse jedweder Art – auch der körperlichen. Und bevor die Menschen sich in diese entbehrungsreiche Zeit begeben, wollen sie noch mal so richtig auf den Putz hauen, Grenzen überschreiten und miteinander feiern, was das Zeug hält.

Gut, vielen sind die traditionellen und religiösen oder kultischen Hintergründe heutzutage egal. In ländlichen und stärker religiös geprägten Gegenden sind traditionelle Kostüme und Umzüge aber auch heute noch zu finden. Anderswo stehen der Spaß und die Freude an der Verkleidung im Vordergrund. Warum auch nicht? Solange Menschen miteinander feiern, sich wohlgesinnt sind und niemand anderem Leid zufügen, passt doch alles.

Wer bin ich? Oder was?

Klar, wir leben in schwierigen Zeiten. Die Welt scheint nicht nur in großer Unordnung zu sein, sie ist es tatsächlich. Aber vielleicht sollte gerade in solchen Phasen besonderer Wert auf Ablenkung und Heiterkeit gelegt werden. Und das schon bei der äußeren Erscheinung.

Da tanzen Funkenmariechen mit Frankensteins Monster, Cowboys stoßen mit Jack Sparrow aus Fluch der Karibik an, trinken auf und später auch unter den Tischen um die Wette. Kakerlaken verbrüdern sich mit Hummeln und leichte Mädchen liegen dem Herrn Pastor in den Armen.

Wer da mit wem eine Polonaise tanzt und eng umschlungen durch die Straßen zieht, erschließt sich bewusst häufig erst am nächsten Morgen – oder vielleicht auch gar nicht. Die Verkleidung kaschiert das wahre Ich. Hofft man! Woher aber kommt diese Lust am Verkleiden, am Rollenspiel, am optischen Geschlechterwechsel? Es gibt eine lange Tradition, die wir uns mal ein bisschen genauer anschauen wollen.

Kostüme kehren Zwänge um

In früheren Zeiten, so um das Mittelalter herum, bot einem die Verkleidung die Möglichkeit, für einen kurzen Zeitraum in eine andere Rolle zu schlüpfen. Masken, Schminke und Kostüme ließen einen einfachen Bauern plötzlich ein Herr von hohem Rang sein, eine einfache Magd verwandelte sich in der Öffentlichkeit in eine Hofdame. Herrschende Zwänge wurden umgekehrt.

Man hatte die Möglichkeit, unerkannt und ungestraft eine ganz andere Person zu sein, meist jemand, der man im Rest des Jahres niemals würde sein können. Geburt und damit Stand ließen die Erfüllung dieses Traumes im wahren Leben nicht zu. Es entwickelte sich der Brauch, einen Karnevalskönig zu ernennen, der natürlich nur mit einem närrischen Hofstaat Anerkennung fand. Unsere heutigen Versionen davon sind der Karnevalsprinz mit seiner Prinzessin und der Elferrat. Die Garden zählen ebenfalls dazu.

Zum Hof gehörte auch immer ein Hofnarr mit Eselsohren, Schellenkappe und mehrfarbiger Kleidung, der stellvertretend für den Gottesleugner stand. Nicht ungefährlich in der damaligen Zeit, da die Kirche einen viel größeren Einfluss auf das Leben der Bevölkerung hatte und die Beachtung kirchlicher Vorschriften unter Androhung drakonischer Strafen einforderte.

Masken und ihre Bedeutung

Im Leben der Menschen spielten Religion und Aberglaube weitaus größere Rollen als heute. Daher waren beliebte Masken auch die mit Teufelsfratzen, Hexengesicht oder Riesenmerkmalen, da sie stellvertretend für dämonische Mächte standen. Vor allem Riesen galten als Normbrecher und Übertreter des göttlichen Gebotes.

Diese Masken hatten in noch früherer Zeit die Funktion, die bösen Geister des Winters, also der dunklen, unwirtlichen Jahreszeit zu vertreiben, um dem nahenden Frühling einen ungehinderten Zugang in den menschlichen Tagesablauf zu ermöglichen.

Mit Tiermasken wurden gesellschaftliche Eigenschaften dargestellt und verhöhnt oder angeprangert. So erhielten auch biblische Laster ein Gesicht:

  • Das Pferd und der Pfau symbolisierten die höfische Art der Adeligen,
  • während für den Zorn der Löwe
  • und für den Neid der Drache herhalten mussten.
  • Der Geiz fand seinen Ausdruck in Gestalt einer Fuchsmaske
  • und Hahn und Bock standen für Unkeuschheit.
  • Wollte man Unmäßigkeit darstellen, setzte man eine Bären- oder Schweinsmaske auf,
  • und der eigentlich fleißige Esel wurde aufgrund seiner stoischen und geduldigen Art mit Trägheit in Verbindung gebracht.

Spaß, Bewunderung und Rollenwechsel

Karneval ist heute ein bunter und lauter Ausdruck von Lebensfreude. Schauen wir uns den Karneval in Rio an: unfassbar, wie die Menschen ein ganzes Jahr lang auf diesen einen Moment hinarbeiten. Sie sparen, nähen, bauen, geben ihr letztes Geld aus. Und das, um bei einem relativ kurzen Umzug der Sambaschulen dabei zu sein – und sich einer begeisterten Öffentlichkeit zu präsentieren und bewundern zu lassen, über die Medien auch weltweit.

Lebensfreude, Spaß am Verkleiden, Bedeutung, Bewunderung – all diese Faktoren spielen nicht nur in Südamerika eine Rolle, wenn es um den Auftritt in einem Kostüm geht. Für einen Tag oder ein paar Tage einfach in eine andere Rolle schlüpfen. Man fühlt sich wie ein anderer Mensch.

Das muss aber noch lange nicht bedeuten, dass man auch tatsächlich ein anderer Mensch sein möchte. Eine Frau oder ein Mann im Nonnenkostüm sehnt sich nicht wirklich nach klösterlicher Askese, die meisten Männer in Frauenkleidern und auf High Heels sind mit ihrer Gender-Identität zufrieden, der Pirat würde sich auf einem ständig schwankenden Schiff und mit der Aussicht auf Mord und Totschlag wohl nicht besonders wohl fühlen.

Es geht um den Moment, um die Idee im Hier und Jetzt. Wir wollen Neues ausprobieren und uns von einer anderen Seite zeigen. Konventionen spielen in diesen Tagen keine große Rolle, an denen selbst ein Bankangestellter – nach wie vor Inbegriff für Business Outfit – ein kleines mutiges und lustiges Accessoire ans Revers oder in die Haare stecken kann.

Im heiteren und ausgelassenen Wandel liegt die Wahrheit, die nicht nur beim Kostümierten, sondern auch bei Freunden und Betrachtern für beste Stimmung sorgt. Auffallen ist eine der Devisen, je selbstbewusster präsentiert, desto besser und wirkungsvoller.

In diesem Sinne: Ran an die Kleiderschränke, Nähmaschinen und das Make-up – und viel Spaß beim Identitätswechsel auf Zeit. Man selbst ist man den Rest des Jahres. Helaaf Hoppoi – oder so!

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