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DER MEDIZIN-TÜV

Der Begriff „evidenzbasierte Medizin” oder einfach EbM ist zurzeit in aller Munde. Sicher ist er Ihnen auch schon begegnet. Aber was verbirgt sich eigentlich genau dahinter und was ist das Neue daran?

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Evidenz leitet sich vom englischen Begriff „evidence” ab, was soviel heißt wie Beweis, Aussage oder Zeugnis. Evidenzbasierte Medizin ist also beweisgestützt. Im engeren Sinne versteht man darunter eine bestimmte Vorgehensweise medizinischen Handelns.

Hintergrund ist folgender: Ein Arzt in Klinik oder Praxis muss jeden Tag eine Menge Entscheidungen treffen, die für seine Patienten von weit reichender Bedeutung sind. Da ist es sinnvoll, dass er in seine Entscheidung die Ergebnisse klinischer Studien mit einbezieht. Das hat er vermutlich schon immer getan. Gemeint ist hier jedoch, dass der Arzt die aktuellsten Ergebnisse der Wissenschaft berücksichtigt.

Dies ist die externe Evidenz. Sie wird ergänzt durch die individuelle klinische Expertise, also den durch die Berufspraxis erworbenen Erfahrungsschatz des Arztes und sein daraus resultierendes Urteilsvermögen. Man kann auch einfach sagen, evidenzbasierte Medizin ist, die Patienten auf der Basis der besten zur Verfügung stehenden Wissens quellen zu versorgen.

Drei Säulen Der Begriff EbM stammt aus dem britischen Gesundheitswesen des 18. Jahrhunderts und sollte schon damals garantieren, dass nur wissenschaftlich begründete Erkenntnisse und nicht irgendwelche Selbstüberzeugungen die Basis ärztlichen Handelns sind. Als Vater der heutigen Definition gilt David Sackett von der McMaster University in Kanada, der den Begriff 1996 neu definierte.

Die EbM stützt sich nunmehr auf drei Säulen: die individuelle klinische Erfahrung, die Werte und Wünsche des Patienten und den aktuellen Standes der klinischen Forschung. Dies ist grundsätzlich nichts Neues. Neu und ganz wesentlich für die EbM ist jedoch der strukturierte und systematische Zugang, mit dem eine möglichst transparente und zeitnahe Berücksichtigung von Studienergebnissen erreicht werden soll.

Evidenzklassen In der evidenzbasierten Medizin werden Studien bewertet und nach ihrer Aussagefähigkeit in verschiedene Klassen eingeteilt. Höhere Evidenzklassen bieten eine bessere wissenschaftliche Begründbarkeit für eine Therapieempfehlung. Höchste Aussagefähigkeit haben Studien der Evidenzklasse A. Sie ist durch schlüssige Literatur von guter Qualität belegt, die mindestens eine randomisierte Studie enthält. Randomisiert bedeutet, dass die Probanden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Klasse B ist durch gut durchgeführte, nicht randomisierte klinische Studien belegt. Berichte und Meinungen von Experten oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten zählen zur Klasse C. Hier fehlen direkt anwendbare klinische Studien.

Internationale Netzwerke Wie aber soll der Arzt in der knappen Zeit, die ihm für jeden einzelnen Patienten zur Verfügung steht, Methoden recherchieren und bewerten? Die 1993 gegründete Cochrane Collaboration ist eines der größten internationalen Netzwerke, das als elektronische Bibliothek Studien analysiert und Übersichtsarbeiten nach den Kriterien der EbM erstellt. So wird der Wissenstransfer aus der klinischen Forschung in den praktischen Alltag einfacher und transparenter gemacht.

Hier zu Lande gibt es seit dem Jahr 2000 das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. Eine weitere Institution, die sich für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf der Grundlage der EbM einsetzt, ist das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen , das seit 2004 besteht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/12 auf Seite 94.

Sabine Bender, Apothekerin / Redaktion

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