Ein Mann verteidigt sich mit Schwert und Schild.
Immunität ist wohl der beste Schutz gegen Covid-19. Unsere Körperabwehr kennt verschiedene Abstufungen. © KrisCole / iStock / Getty Images Plus

Wiederholte Ansteckung | Impfung

FUNKTIONELLE IMMUNITÄT REICHT, UM PANDEMIE DEN SCHRECKEN ZU NEHMEN

Eine zentrale Frage über Corona elektrisiert zurzeit die Menschen: Kann man sich mehrmals anstecken? Und ergibt dann ein Impfstoff überhaupt Sinn?

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Prinzipiell ist die Entwicklung eines schützenden Impfstoffes möglich – so die beruhigende Antwort des Paul-Ehrlich-Institutes. In der Presse machten Berichte die Runde, zum Beispiel der von einem 33-jährigen Mann aus Hongkong, der sich viereinhalb Monate nach der Erstinfektion zum zweiten Mal mit SARS-CoV-2 angesteckt hatte, allerdings mit einem anderen Stamm des Virus. Auch bei zwei Patienten aus den Niederlanden und Belgien war es zu einer Reinfektion gekommen.

Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, kam man auf Erfahrungen mit einer anderen Art von Coronaviren zurück: Der eher harmlose Stamm HCoV-HUK1 und HCoV-OC43, der lediglich „normale“ Erkältungen auslöst. Infektionen mit diesen Viren hinterlassen nur eine vorübergehende Immunität, Reinfektionen sind dabei die Regel. Deren Antikörpertiter waren nach sechs Monaten deutlich reduziert und nach vier Jahren ganz verschwunden. Reinfektionen traten im Schnitt nach zwölf Monaten auf, frühestens nach einem halben Jahr.

Bei SARS-CoV-2 scheinen die die Antikörpertiter sogar noch schneller zu sinken – sie sind zum Teil schon nach acht Wochen nicht mehr nachweisbar. Dabei hängt die Antikörperantwort wohl mit der Schwere der Symptomatik zusammen: Je schwerer der Verlauf, desto mehr Antikörper werden gebildet.

Dazu unternahm man einen Versuch; britische Forscher hatten 14 Freiwillige im Abstand von einem Jahr zweimal mit dem Virus HCoV-229E infiziert, um die Immunreaktion zu untersuchen und zu testen, ob die Patienten bei der zweiten absichtlichen Infektion geschützt sind.

Und hier deckt sich nun der Verlauf mit der aktuellen Situation: Die Probanden infizierten sich zwar erneut, aber sie gaben über einen kürzeren Zeitraum Viren ab als im Jahr zuvor. Auch bei dem Hongkonger Infektionsfall war ähnliches beobachtet worden: Der Mann hatte bei der ersten Infektion milde, bei der zweiten Infektion gar keine Symptome gehabt.

Immunität ist also ein Zustand mit vielen Abstufungen. Ziel der Impfforscher ist, mit einer Vakzine eine so genannte sterilisierende Immunität zu erreichen. Dann kann das Virus zwar in den Körper eindringen, jedoch keine Infektion auslösen. Hierfür sind hauptsächlich neutralisierende Antikörper nötig – ob die bei den aktuell entwickelten Impfstoffen allerdings für einen Schutz vor einer Infektion ausreichen, wird zurzeit in großen Phase-III-Studien getestet.

Nicht alle Impfstoffe induzieren also eine sterilisierende Immunität. Häufig entsteht eine Immunantwort, die zwar nicht die Infektion verhindert, aber vor einer Erkrankung schützt. Das wird als funktionale Immunität bezeichnet. Ob funktional oder sterilisierend, ist vom Erreger und Impfstoff abhängig, sagt Professor Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Institutes. „Das übliche Ziel ist es, eine Infektionskrankheit oder wenigstens ihren schweren Verlauf mit Impfstoffen zu verhindern. Maximalziel der Impfstoffentwicklung ist der vollständige Schutz vor Infektion und die Verhinderung der Transmission.“

Präklinische Daten lassen vermuten, dass dieses Maximalziel nicht erreicht wird. Vielmehr sei anzustreben, dass eine Vakzine Krankheit zu vermeiden hilft. In einer entsprechenden Publikation im Fachmagazin „Nature“ heißt es, dass es möglich sei, dass „die Vakzine weder die Infektion noch die Übertragung von SARS-CoV-2 verhindern kann“. Ebenfalls beruhigend: Die Antikörpertiter erreichen wohl nach dem erwarteten Abfall einen stabilen Tiefpunkt, unter den sie nicht weiter absinken. Eine weitere Studie untersuchte, ob eine milde Infektion mit ebensolchen Symptomen eine bleibende Immunität hinterlässt. Das Fazit: Milde SARS-CoV-2-Infektionen hinterlassen ein funktionelles Immungedächtnis. Und eine funktionelle Immunität würde ausreichen, um der Pandemie den Schrecken zu nehmen.

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Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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