©DIE PTA IN DER APOTHEKE

Welche in Name

BLUT IST EIN GANZ BESONDERER SAFT

Er bekam den ersten Medizin-Nobelpreis: Emil von Behring entwickelte sowohl einen Impfstoff gegen Diphtherie als auch gegen Tetanus und rettete damit zehntausenden Menschen das Leben.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Im Zeitalter der großen mikrobiologischen Entdeckungen steht er in einer Reihe mit Louis Pasteur und Robert Koch. Letzterem diente er sogar als Assistent; wie dieser stammte er aus einer kinderreichen Familie mit zwölf Geschwistern.

Hochbegabter Stipendiat Geboren 1854 in Hansdorf/Westpreußen als Sohn eines Lehrers legte er 1874 das Abitur ab. Ermöglicht wurde dies durch ein Stipendium; auch das nachfolgende Medizinstudium finanzierte der Staat. Da Behring (damals noch ohne „von“) sich verpflichtet hatte, nach erfolgtem Abschluss als Militärarzt zu dienen, litt er währenddessen zumindest keine finanziellen Sorgen. Er promovierte über ein augenheilkundliches Thema, erhielt danach seine Approbation, arbeitete in Berlin, Wohlau und Posen. Eine Diphtherie-Epidemie weckte in dem 26-jährigen jungen Arzt den Wunsch, seine künftige Forschung der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu widmen. Die Erreger von Tuberkulose und Diphtherie waren bereits entdeckt; Ziel der künftigen Ärztegenerationen war es nun, diesen Krankheiten Herr zu werden.

Serum aus Schafblut Behring infizierte Schafe mit Diphtheriekulturen und stieß bald sowohl auf das Diphtherie- als auch auf das Tetanus- Antitoxin. Der Wissenschaftler nahm an, dass die Stoffe, die Mensch und Tier zur Abwehr von Infektionen produzieren, artenunspezifisch sind und hoffte, aus dem Blut der infizierten Tiere ein Heilserum auch für Menschen herstellen zu können. Behring bediente sich deshalb aus Goethes Faust: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“ soll er damals gesagt haben. Bereits im Dezember 1891 konnten zwei an Diphtherie erkrankte Kinder durch das Serum geheilt werden; Behring wandte die passive Immunisierung an. An Diphtherie starben bis zum Ende des 19. Jahrhunderts rund 50 000 Menschen, vor allem Kinder. 1890 entwickelte Behring zusammen mit Erich Wernicke das erste wirksame Heilserum; wenig später mit einem Assistenten Robert Kochs eines gegen Wundstarrkrampf. Die Entdeckungen des Immunologen Paul Ehrlich in Bezug auf Anreicherungsmethoden, Mess- und Prüfverfahren ermöglichten die Erprobung am Menschen; 1894 galt der Therapieerfolg als sicher und die Seren konnten flächendeckend eingesetzt werden.

Behring braucht GeldJedoch – Behrings Problem waren die Finanzen. Denn was ihm vorschwebte, war eine Antitoxinbehandlung in großem Stil; dazu mussten erhebliche Mengen des Impfstoffes produziert werden können. Dem Forscher und Mediziner ging die Idee einer eigenen, unabhängigen Firma nicht aus dem Kopf und er hatte das Glück, dass jemand sein Potenzial erkannte. August Laubenheimer aus dem Vorstand des Frankfurter Farbenwerkes Hoechst finanzierte Behring eine Produktionsstätte mit zunächst 57 Pferden, aus deren Blut er die Antitoxine gewann. 1895 zog der Forscher aus Frankfurt nach Marburg um. Den Stall für die Versuchstiere und das dazugehörige Labor kann man noch heute besichtigen – und die „Behringwerke“, die hier entstanden, waren jahrzehntelang größter Arbeitgeber in der kleinen Universitätsstadt. Nach dem erwiesenen Nutzen seines Diphtherie-Heilserums ging die Nachfrage durch die Decke. Denn bis dato war allein im Deutschen Reich jedes zweite Kind an der Infektionskrankheit gestorben.

Im Umgang schwierigDer akademische Weg Emil Behrings scheint gegenüber dieser Lebensleistung fast zweitrangig: Wie alle großen Männer seiner Wissenschaftsgeneration verkracht er sich mit denen, die das gleiche wollen – Robert Koch, Paul Ehrlich –, denn es ist nicht leicht mit ihm auszukommen. Friedrich Althoff, Universitätsreferent eines preußischen Ministeriums, besorgt für ihn eine außerordentliche Professur in Halle, obwohl Behring sich gar nicht habilitiert hatte. Da er dort keinerlei Lehrerfolge verzeichnen kann, wird er nach Marburg „versetzt“, was den heftigen Widerstand der dortigen medizinischen Fakultät zur Folge hat. Emil Behring darf sich jetzt „Direktor des Hygienischen Instituts“ nennen. 1901 bekommt Behring den Medizin-Nobelpreis, ebenso den französischen „Prix Alberto Levi“.

All sein Preisgeld steckt er in die neuen Arbeitsräume am Marburger Schlossberg, der Keimzelle seiner neuen Firma. Die zwei Häuser werden allerdings schnell zu klein. Behring kauft kurz entschlossen eine alte Ziegelei am Rand der Universitätsstadt und beginnt zu bauen. Ein Gebäude nach dem anderen entsteht, die „Behringwerke“ blühen und gedeihen, prägen bald einen ganzen Stadtteil. Tatkräftig zur Seite steht von Behring – der 1901 vom Kaiser in den Adelsstad erhoben wurde – der Marburger Apotheker Carl Siebert, der als Teilhaber und Partner den kaufmännischen Part übernimmt.

Hochzeit und sechs SöhneBei all der vielen Arbeit war das Privatleben des Forschers ein wenig kurz gekommen. Doch das holte dieser nach: 1896, mit 42 Jahren, heiratete Behring die 20-jährige Else Spinola, Tochter des Verwaltungsdirektors der Berliner Charité. Sie gebar ihm sechs Söhne. 1896 ist auch das Jahr, in dem er Stadtrat in Marburg wird. Dort kümmert er sich um die Verbesserung der Trinkwasserversorgung und die Einrichtung eines Gesundheitsamtes. 1907 erleidet der Wissenschaftler einen Zusammenbruch, manche Quellen sprechen von einer schweren Depression. Er ist zeitweise in einem Sanatorium untergebracht und bis 1910 in ärztlicher Behandlung. Zahlreichen Soldaten des Ersten Weltkrieges ist von Behring mit seinem Tetanus-Serum Retter in der Not, zehntausenden Kindern rettet er das Leben. Er selbst erlebt das Ende des Krieges jedoch nicht mehr. Ab 1916 zieht er sich von all seinen Geschäften zurück und stirbt ein Jahr später, erst 63-jährig an einer Lungenentzündung.

Emil Adolf Behring wird am 15. März 1854 in Hansdorf (Westpreußen) geboren. Sein Vater ist Dorfschullehrer, Emil eines von 13 Geschwistern. Das hochbegabte Kind erhält ein Stipendium, macht Abitur und darf studieren. Von Behring wird 1901 in den Adelsstand erhoben, im gleichen Jahr erhält er den ersten Medizin- Nobelpreis für die Entwicklung des Diphtherie-Serums. 1917 stirbt der Immunologe in Marburg.

Marburg und Behring Die Marburger haben ihrem prominenten Bewohner ein Mausoleum gestiftet. Es liegt auf der „Elsenhöhe“, die ihren Namen der Ehefrau des Wissenschaftlers zu verdanken hat, und blickt auf Behrings Ländereien. Vor dem ehemaligen Hygieneinstitut am Pilgrimstein steht eine Bronzebüste des Wissenschaftlers. Ein Gymnasium in der Universitätsstadt trägt seinen Namen; ebenso ein Preis, der besondere wissenschaftliche Leistungen auf medizinischen und veterinärmedizinischen Gebieten honoriert. Der sogenannte „Behringpfad“ führt den Besucher durch die Stadt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 138.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

×