Eine Frau schaut verzweifelt in den Spiegel, ein Bündel Haare in der Hand© Prostock-Studio / iStock / Getty Images Plus
Ab wann sind die Haare in der Bürste nicht mehr normal? Was kann man dann tun?

Alopezie

BEI HAARAUSFALL AN DIE SCHILDDRÜSE DENKEN

Langes, glänzendes Haar steht nicht nur für Attraktivität, sondern auch für Gesundheit. Der Verlust geht für viele Menschen mit mangelndem Selbstbewusstsein und Lebensqualität einher – dabei leiden Männer und Frauen gleichermaßen.

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Überall liest man es immer wieder: Es ist so ein kleines Organ und hat doch in so vielen großen Körpervorgängen seine Hand im Spiel. Die Rede ist von der Schilddrüse. Doch was bedeutet das in der Praxis? Eigentlich, dass man im Grunde bei jedem anhaltenden Leiden auch einmal die Schilddrüse checken lassen könnte.

So auch bei Haarausfall. Denn Schilddrüsenhormone wirken direkt auf den Haarfollikel, in physiologischen Konzentrationen durchaus günstig. Daraus ergibt sich, dass bei einem Mangel, aber auch bei einem Überschuss an Schilddrüsenhormonen Probleme beim Haarwachstum entstehen können.

So wächst unser Haar – oder fällt aus

Dabei ist ein Zusammenhang nicht immer offensichtlich, denn der Haarausfall tritt zeitverzögert ein. Das liegt an den Wachstumsphasen, die ein Haar durchläuft. Und das Wachstum läuft vorrangig in dem Teil des Haares ab, den wir gar nicht sehen, da er unter der Kopfhaut verborgen liegt: der Haarwurzel. Sie ist vom Haarfollikel umgeben, in dem das Zellwachstum reguliert wird.

  • In der Wachstumsphase sorgt die Haarpapille an der Basis des Follikels durch Zellteilung dafür, dass ein neues Haar gebildet wird. Das sichtbare Haar wächst also von unten nach oben und das täglich bis zu 0,3 Millimeter. Rund 85 Prozent unseres Schopfes befinden sich in dieser Phase, die circa zwei bis sechs Jahre anhalten kann.
  • Während der Übergangsphase von ein bis zwei Wochen wird das Haarwachstum beendet und das Haar langsam von seiner Wurzel abgetrennt.
  • Ist die Trennung vollzogen, wird das Haar nicht mehr mit Nährstoffen versorgt. Doch der Follikel bleibt aktiv und bildet bereits das nächste Haar – das alte Haar wird dann langsam abgeschoben. Diese Ruhephase kann drei bis fünf Monate andauern.

Dies ist ein physiologischer Prozess. Bis zu 100 Haare pro Tag zu verlieren, gilt daher als normal. Anders sieht es bei Haarausfall aus. Und dann beginnt die Spurensuche.

Durchschnittlich wächst das Haar monatlich um einen Zentimeter.

Denn die Schädigung oder das Ereignis, das zu dem Haarausfall geführt hat, hat bereits stattgefunden – das Haar wurde also vorschnell in die Ruhephase geschickt. Bis es allerdings ausfällt, vergehen in der Regel etwa drei Monate. Dann fallen allerdings meist mehrere Haare auf einmal aus und der Haarausfall macht sich für Betroffene bemerkbar.

Haarausfall und Haarsprechstunde

Selbst wenn Haare ausfallen, sind die Haarwurzeln in der Regel nicht beschädigt. Das bedeutet: Es existieren häufig verschiedene Therapieoptionen, die das Haarwachstum wieder anregen können. Andernfalls ist auch eine Transplantation möglich. Ein Gang zur Haarsprechstunde, meist in einer dermatologischen Praxis, lohnt sich. Und das frühzeitig, denn dann kann die Form des Haarverlustes untersucht, nach der Ursache geforscht und entsprechende Lösungen besprochen werden.

Haarverlust – reine Frauensache?
Frauen mögen durch gesellschaftliche Normen unter größerem Druck stehen, gesundes, schönes Haar zu tragen. Und leiden dementsprechend stark unter dem Haarverlust, weshalb sie eher eine Haarsprechstunde aufsuchen. Etwa jede fünfte Frau hat in Deutschland mit Haarausfall zu kämpfen. Dennoch leiden auch Männer unter dem Haarverlust und können es als psychische Belastung empfinden, auch wenn die (partielle) Kahlheit bei ihnen gesellschaftlich akzeptierter ist.

Je nachdem welche Ursache vorliegt, kann Haarausfall anders aussehen. Neben dem genetisch bedingten Haarausfall (androgenetische Alopezie), der die häufigste Form darstellt, und der eher seltenen autoimmunbedingten Form des kreisrunden Haarausfalles (Alopecia areata) werden viele mit diffusem Haarausfall in einer Haarsprechstunde vorstellig.

Mit fortschreitendem Alter nehmen Dicke und Dichte der Haare ab.

In der dermatologischen Praxis wird der Haarausfall begutachtet und eine Trichoskopie durchgeführt. Bei diesem digitalen Verfahren wird der Status der Haarwurzel gecheckt und die Haardicke bestimmt. Eine Anamnese, Haarprobennahme zur Mikroskopie und gegebenenfalls ein Blutbild runden die Untersuchung ab. Sowohl die androgenetische Alopezie als auch die Alopecia areata können häufig schon durch das Erscheinungsbild identifiziert werden. Bei diffusem Haarausfall verlieren Betroffene mehr als 100 Haare am Tag, das Kopfhaar erscheint dünner und lichtet häufig an Schläfen und Scheitel aus. Wird ein kleines Bündel Haare ergriffen und vorsichtig daran gezogen, fallen die Haare schnell aus, häufig sogar mit Wurzel.

Zu den Gründen von diffusem Haarausfall zählen:

  • Eisenmangel,
  • Schilddrüsenfunktionsstörungen,
  • Medikamenteneinnahme,
  • Lebensführung (Ernährung, Schlafqualität),
  • Hauterkrankungen (z.B. Psoriasis, Pilzinfektionen),
  • Hormonumstellungen (z.B. Schwangerschaft, Stillzeit, Wechseljahre),
  • Stress.

Fokus Schilddrüse

Gerät die Schilddrüsenhormonproduktion aus dem Gleichgewicht, kann dies vielerlei Auswirkungen haben. Auch das Haarwachstum kann betroffen sein.

  • Bei einer Unterfunktion (Hypothyreose) können Haardichte und -durchmesser geringer ausfallen, das Haar insgesamt stumpf und strohig wirken. Die Haarfollikelzellen befinden sich vermehrt in der Ruhephase und das Haarwachstum ist verlangsamt.
  • Bei einer Überfunktion (Hyperthyreose) erschöpfen die Haarwurzelzellen nach einer vorangegangenen Wachstumsbeschleunigung plötzlich, das Haarwachstum lässt nach oder wird ganz unterbrochen. Das Kopfhaar erscheint dünner, weniger dick, die Haare wachsen nicht so lang. Bei einer Hyperthyreose fällt auch die Achselbehaarung stärker aus.

Dabei ist das Ausmaß des Haarausfalles nicht zwangsläufig Maß für die Stärke der Funktionsstörung, auch eine leichte Überfunktion kann zu Haarverlust führen. Wird die Funktionsstörung medikamentös behandelt, kann sich auch der Haarausfall bessern. Andersherum kann auch die Einnahme von Schilddrüsenhormonen oder Thyreostatika das Haarwachstum beeinträchtigen. Gerade wenn die verordnete Dosis schon jahrelang nicht mehr überprüft wurde.

Folgende Funktionsstörungen sind häufig mit Haarausfall kombiniert:

  • Morbus Basedow, wobei der Haarausfall zeitverzögert, aber dann plötzlich und stark auftritt,
  • heiße Knoten (v.a. durch Iodmangel),
  • zu Beginn eines Morbus Hashimoto,
  • Überfunktion nach Geburt (Postpartum-Thyreoiditis), die häufig nur temporär auftritt,
  • Überfunktion nach Virusinfektion (aktuell vermehrt nach Corona-Infektion beobachtet, häufig spontane Abheilung, kann aber nach einiger Zeit erneut auftreten).

Auch wenn der Haarverlust nach der Ursachenfindung und Behandlung meist reversibel ist, kann es Jahre dauern, bis das Haar wieder die gewohnte Dichte und Länge entwickelt hat. Raten Sie Ihren Kund*innen in der Apotheke nicht zu lange mit einem Arztbesuch zu warten oder gar mit Mitteln nach Eigendiagnose zu experimentieren. Je früher Haarausfall fachgerecht behandelt wird, umso eher kann weiterer Haarausfall verhindert werden.

Dr. med. Andreas Finner, Facharzt für Dermatologie, spezialisierter Haarchirurg und Leiter der Trichomed®-Praxis für Haarmedizin und Haartransplantation in Berlin, sagt dazu: „Wer einen länger als sechs Wochen anhaltenden Haarausfall mit vielen leicht herausziehbaren Haaren beim Waschen und Kämmen oder sichtbare Lücken bemerkt, sollte sich frühzeitig zur weiteren Diagnostik in die hausärztliche Praxis begeben. Im Anschluss können bei einer dermatologischen Haarsprechstunde das weitere Vorgehen und die Therapiemöglichkeiten besprochen werden. Es ist auf jeden Fall nicht sinnvoll, monatelang diverse Haarwuchsmittel oder Ähnliches ohne klare Diagnose auszuprobieren. So geht nur wertvolle Zeit verloren.“

Forum Schilddrüse
Betroffene finden in dem vor 35 Jahren gegründeten Forum Schilddrüse ärztlich kuratierte und einfach verständliche Informationen rund um das kleine Organ und seine Funktionsstörungen. Neben dem digitalen Informationszugang beantworten Expert*innen (Fachärzt*innen und eine Apothekerin) werktags allgemeine Fragen zur Schilddrüse über eine Hotline, alle zwei Wochen ist eine ärztliche Schilddrüsenexpertin beziehungsweise ein Schilddrüsenexperte per Telefonsprechstunde erreichbar. Die umfangreiche Informationsplattform finden Sie hier: www.forum-schilddruese.de. Als Teil der bundesweiten Aufklärungskampagne „Schilddrüsenwoche“, dieses Jahr vom 8.-12. Mai 2023, können Sie hier auch Broschüren ordern.

Quelle: „Haarausfall! Wenn die Schilddrüse zur Kopfsache wird.“, Pressekonferenz vom 21. März 2023. Veranstalter: Sanofi.

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